"Jeah, my friend, bye bye"

1. Smiling Villages Marathon - Gambia
9.02..2018

Bericht von Peter Maier

Gambia: Republik in Westafrika, an den Ufern des Gambia liegend, kleinstes Land in Afrika mit nur 11.295 km² und knapp über 2 Millionen Einwohner, fast vollständig vom Staat Senegal umschlossen und immer warm.

06.02.: Flug von Dresden nach Frankfurt und Übernachtung bei meinem Sportfreund Giuseppe mit tollem italienischen Essen.
07.02.: Flug nach Brüssel zusammen mit Klaus und Giuseppe. Geiles üppiges Mahl in der Business Lounge, wo Klaus mich hin entführt. Trollen uns zum Boarding, was, überbucht? Na toll! Die Damen von Brussels Airlines sind ganz entspannt, kein Problem, sie können Business Class fliegen, Sitz 2C. Was dann folgt, ist Schlaraffenland pur, Sitzplatz, Essen, Trinken, Service, Bedienung… alles vom Allerfeinsten, unglaublich, Hochachtung vor Brussels Airlines!
Abend am Flughafen von Banjul, der Hauptstadt Gambias angekommen, glänzte unser gebuchter Transfer mit Abwesenheit. Wie kommen wir die ca. 100 km ins Landesinnere? Für 90 €, das war mit Abstand der beste Preis, mieten wir uns ein autoähnliches Gefährt. Eine totale Rostlaube! Fahren schleichend mit gefühlten 20 km/h bis weit in die Nacht hinein südlich des Flusses Gambia folgend bis zu unserer Unterkunft, der Sindola Safari Lodge in der Ortschaft Kanilai.

Na ja, wenigstens im Stockfinsteren irgendwie angekommen. Aber als Hotelgäste waren wir gänzlich unbekannt. Dann bekomme ich doch noch meine Hütte für mich allein, wie gebucht, ist okay. Klaus und Giuseppe ziehen gleich in die danebenstehende Lodge. Schlaft gut, Jungs.

08.02.: Der heutige Tag sollte alles vom Marathonveranstalter organisiert und vorbereitet sein. Christof Lindenbeck hatte das alles im Griff, aber die einheimische afrikanische Mentalität brachte mal wieder alles in Straucheln. Es klappte eigentlich nix. Es sollte eine tolle Exkursion stattfinden, aber erst irgendwann nachmittags holte man uns doch noch ab zu einer kleinen Rundfahrt und zeigte uns ein paar armselig eingesperrte Tiere. Na ja, wenigsten konnte ich dann eine ca. 2 m lange Anakonda auf dem Arm halten. Warteten später weiter auf Christof, unseren Guide bzw. mit ganzem Herzen organisierenden Veranstalter. Er kam aber erst abends mit den anderen Jungs. Sie sind im Dorf von den Einheimischen herzlichst empfangen worden und sind dadurch erst so spät zu uns gestoßen. Schade für uns! Das hätten wir auch sehr gern mitgemacht. Während der langen Wartezeit war ich wenigsten außerhalb unserer Lodge (https://www.youtube.com/ watch?v=PguB3A0MRrs) und hab mir das Dorf Kanilai ein wenig angeschaut. Die Kinder waren sehr zutraulich und zeigten mir stolz ihre Unterrichtsbücher, sie scheinen Spaß am Lernen zu haben, toll.

09.02. Marathontag:
Christof fährt uns mit dem Geländewagen. Ich vorn drin, die anderen armen Kerle der ganzen Truppe hinten auf der Ladefläche, zusammengepfercht, 15 km bis hin zum Start, der zwischen den Dörfern Kambong und Bwiam auf der Straße mit Kreide aufgezeichnet ist. Halb „erfroren“ klettern die Jungs vom Jeep.

Es haben sich auch einige einheimische Läufer eingefunden. Nach ein paar erfrischenden Fotos und einer kleinen Ansprache ist der Start um 7:45 Uhr. Los geht’s! Ca. 40 bis 50 Läufer insgesamt. Nach wenigen Minuten war ich schon allein, vor mir der Schwede Ola mit seiner hübschen Tochter Mirjam. Die Temperaturen sind inzwischen im zweistelligen Bereich. Nach ca. 7 km, wobei ich die ersten 5 km in 29:49 min durchlief, ging die Strecke rechts ab in Richtung unseres „Heimatdorfes“ Kanilai. Wie immer lief ich 13 min, um dann 2 min zu gehen. Unglaublich, auf der menschenleeren Straße kam ich prima bei den 10 km durch und das knapp unter einer Stunde in 59:58 min. Ich lief nach Kanilai hinein, nicht achtend auf das gut getarnte Maschinengewehrnest vor der Alla Kunda Mosque. 400 m weiter waren schon viele Kinder auf der Straße und ich konnte ein paar schöne Schnappschüsse mit ihnen machen. Links liegt unsere Lodge bei ca. km 15. Ich laufe dann durch die Militärzone, Fotos wären jetzt sehr interessant gewesen, aber das ist tabu! Rechts kommt auch schon die Grenze zu Senegal, beide Länder sind zu dieser nicht ganz so freundlich zueinander.

Neben der tristen Asphaltstraße, die nun immer geradeaus geht, ist links ein hoher Zaun und rechts hinter wildem Gestrüpp oder abgebrannten Flächen die Grenzstreifen zu Senegal. Militär kann ich nicht entdecken, gut so.
Es kommt km 20, ich habe seit bestimmt 30 min keine Menschen gesehen, fast unheimlich, aber ab jetzt kann ich ja gehen, dann sollte die Endzeit von 6 h drin sein. Jetzt das Dorf Allakunda, ah, zum Glück mit „Verpflegungsstation“.

Große Klasse, wie aus dem nichts steht da ein Einheimischer mit ein paar Wasserflaschen und ein paar Stückchen Banane, für mich jetzt überlebenswichtig, denn es wird wärmer. Bei dem Gehtempo brauche ich im Voraus Verpflegung für die Strecke. Jetzt scharf nach links, die Grenze zu Senegal verlassend, das sollen 7 km ganz gerade Straße werden. Da, eine tolle orange Blüte mitten im vertrockneten Gelände. Mein Gott, ist es inzwischen warm, die Straße verschwimmt nach hinten zu einem einzigen
Strich, der am Horizont verschwindet.
Ganz vorn sehe ich, nein erahne ich ein menschliches Wesen. Bei km 25 gehe ich dann auf die einheimische Läuferin Sowe auf. Ja sie ist noch langsamer als ich, denn ich bin mit 6,5 km/h nicht zu schnell. Mmmmmm, was aber, was bedeutet das? Sie war doch eindeutig nach dem Start hinter mir. Wieso ist sie jetzt vor mir? Ich zweifle an mir, hab ich schon Halluzinationen? Setzt die einsame Strecke und die Sonne mir schon so viel zu?

Nix, aha, denk ich mir, sie wird per Anhalter gefahren sein und ich lache. Sie lacht zurück, wir gehen zusammen, machen ein paar Späßchen, Sie wird noch langsamer, ist total platt, sie tut mir leid. Da höre ich plötzlich das Knattern eines Mopeds. Olala. Es ist brütend heiß, inzwischen zu heiß.

 

Eigentlich sollte der Start 6 Uhr gewesen sein. Aber die Einheimischen mussten erst noch mal beten, dadurch verspätete sich eben der Start. Jetzt hält der Fahrer des Mopeds. Er grinst über beide Ohren, aha das ist der „per Anhalter“. Meine kleine zierliche Sowe steigt auf, zeigt ein ganz unschuldiges Gesicht, deutet mir an, auch mit aufsteigen zu können - na ja ein Versuch war‘s wert - und schon entschwinden sie vor mir aus den Augen. So ein Ding, die Kleine hat mal ganz schwer geschummelt. Na gut, ich hätte Sie wohl tragen müssen, wäre sie weiter mit mir gegangen…
Die endlose Straße quält mich, da mal ein paar Tierchen, Ziegen, Kühe an Wegesrand, und eine ganze Horde Affen, die aber vor so einer Weißhaut wie mir die die Flucht ergreifen.

Angekommen in Mayork, hier und da rekelt sich träge ein Hund oder ein Einheimischer, gehe ich nun scharf links auf die Hauptstraße. Irgendwie stimmen die Ortsnamen überhaupt nicht mit meiner Karte auf Google überein.
Und schon, nein endlich, ist km 30, aber es kommen jetzt plötzlich auch Autos und die preschen in einem Höllentempo vorbei. Kreuzgefährlich.

Da gehe ich auf drei einheimische Läufer auf. Einer erzählt mir, dass er in der Hauptstadt Banjul studiert. Ein Auto kommt mir entgegen, die Jungs wollen mir Salz und Waser geben, okay, das Wasser nehme mich, aber eine Hand voll Salz, das knallt mir in der Menge die Bein weg, ein paar Chips wären mir da lieber gewesen, aber danke, Jungs. Oha, Mist, ich werde langsamer, die drei Jungs hängen hinter mir her. Aber jetzt ist das auch so schwierig, hier muss der Kopf ran, triste Landstraße, brütend heiß, kein Engelchen weit und breit, Mann oh Mann. Klar, Zeitlimit wären 7 Stunden. Aber noch habe ich den Ehrgeiz, die Marathons, die ich mit künstliche Hüfte laufe und gehe, unter 6 h zu beenden. Km 35: ...ich ging ich die letzten 5 km in 53:10 min… Die Verpflegungsjungen geben mir Wasser und Banane. Jetzt noch 7 km und die Straße verläuft wieder ganz gerade, links und rechts nichts. Okay, klar, kleine Dörfer, ich sehe im Augenwinkel das harte Leben was Sie da leben müssen.

Geil, aha, da vorn das Hinweisschild für links nach „Hause“, nach Kanilai oder gerade zum Ziel ca. 3 km, Richtung Mandinaba. Scheiß, ich schleppe mich gerade aus. Trinken, trinken, Kopf hoch, tut nicht weh, Beine, keine Schmerzen, alles gut, rede ich mir ein. Ha, da sehe ich angekreidet auf der Straße die „40“. Oh, mein Gott, ich lege mich mühsam auf den heißen Asphalt, egal die „40“ muss festgehalten werden.

Ich gehe weiter, lege sogar ein wenig zu, na ja, falls die Strecke n bissl länger ist.
Ich hörte von solchen bösen Überraschungen mal in einer Erzählung von Giuseppe.
Aber es passt, da vorn ist der Ort Bwiam und da sehe ich auch schon da hinten Menschen auf der Straße. Herrlich, das Empfangskomitee ist bereit. Da steht „FINISH“ 42,195 km. Aaaaaa, geschaaafft. So geil und unter „6“: 5:53:04 h!
Jetzt „schlendre“ ich links zu den anderen die schon teilweise seit Stunden hier wartend im Ziel sind. Ich ruh mich aus. Und unglaublich, ich sehe meine kurzzeitige Läuferbegleitung, die zierliche Sowe, sie ist auch schon im Ziel, sie sieht sehr erholt aus. Wahrscheinlich ist sie einen Teil des letzten Drittels durchgefahren. Na ja, es war eine Erfahrung für sie, sie konnte die Strecke nicht schaffen und am Ende wurde sie für den Marathon auch nicht gewertet, fair ist fair.

Nun gutes einheimisches Essen, Trinken, Fotos machen, so herrlich, ich erhole mich schnell. Ganz stark, die Leistungen der Schweden oder von Albrecht in 3:38:36 h und all den anderen bei diesem trockenen heißen Klima. Dayo aus Nigeria und Giuseppe kommen noch. Klaus war aus gesundheitlichen Gründen nicht gestartet.

Abends war ein Fest in Kanalai, dazu die Auswertung und Siegerehrung unter Aufsicht des Dorfältesten. Gewonnen hat Bah Alasam aus Gambia in 2:35:15 h!
Anschließend hatten die Damen des Dorfes ordentlich aufgetischt, in riesengroßen Pfannen war Reis, Hähnchenkeulen, Speck, Zwiebel, Kartoffeln und Linsen.
Gegessen wird mit den Händen. Und ehe wir es uns versahen, stürzen die Kinder sich zwischen uns und die Riesenpfannen sind in Windeseile leergegessen.
10.02.: Die Einheimischen Männer holen uns von unsrer Lodge ab zur Führung durch das Dorf. Alle sind gut gelaunt, total freundlich. Wir gehen auf einen einheimischen Markt, danach in die Schule, sehen uns die Klassenzimmer der Kinder an, die sie uns stolz präsentieren. Danach gehen wir weiter um die Bewässerung des kargen Bodens zu bestaunen. Pflanzen großzuziehen ist in diesen Ländern sehr schwierig, harte Arbeit gegen Hitze, Dürre und Regenzeit.
Jeder von uns hat inzwischen auf einer Seite ein Kind an der Hand, die kleinen Dreckspatzen sind unheimlich zutraulich. Ich glaub, Mirjam, unsere Schwedin, würde am liebsten „ihre“ zwei schwarzen hübschen Mädchen adoptieren Niedlich anzusehen, wie sie sich scheinbar blind verstehen.

Die Kleinen hängen an uns, vielleicht werden sie noch lange an die weißen Männer denken und die weiße Frau. Nun macht es gut, Mit einem bitteren Beigeschmack verabschiede ich mich von meinem kleinen Jungen, der mir die ganze Zeit nicht von der Seite gewichen war. Sie müssen vor dem Camp stehenbleiben. Er schaut mich mit großen Augen an und fragt mich mit diesen Augen, warum ich schon gehen muss.

Ein paar Stunden später fährt unser Traumtransferauto, der Sohn der Lodge Besitzerin ist der Chauffeur, aus der Umzäunung des Camps heraus, um uns zum Flughafen zu bringen. Da steht „mein“ kleiner Junge immer noch vor dem Tor, er hat bis jetzt gewartet und mit einem Kloß im Hals winke ich ihm zum Abschied zu: „Jeah my friend, bye bye“.

5 km: 29:49 min 29:49 min
10 km: 30:09 min 59:58 min
15 km: 30:20 min 1:30:18 h
20 km: 32:31 min 2:02:49 h
25 km: 52:59 min 2:55:48 h
30 km: 51:00 min 3:46:48 h
35 km: 53:10 min 4:39:58 h
40 km: 52:52 min 5:32:50 h
Ziel: 20:14 min 5:53:04 h

_>> HOME

 

Copyright © Dresdner Trolle |Kontakt: Info@Dresdner-Trolle.de | Haftungsausschluss | Stand: 01.06.2020