"Vor dem Beginn der zehrenden Pandemie..."

6. Karthago Marathon
23.02..2020

Bericht von Peter Maier

Der 21.02. sollte warm werden, aber erst für mich in Tunis, der Hauptstadt Tunesiens. Ganz früh geht's raus, dünne Sachen an, auf dem Weg zur Bahn plötzlich Schneefall, ach, Mist verdammter! Jetzt, durch bis auf die Haut am Flugplatz angekommen, muss ich dringendst die Sachen trocken, nur nicht erkälten! Der Flug nach Frankfurt passt und ab da geht's nach Tunis, Anflug, so cool…Sonne, warm. Ich will ein Taxi nehmen, ach, diese Schweinebacken, die Taxifahrer. Stecken alle unter einer Decke, keiner gibt einen Preisnachlass, 20 € für 8,5 km, die haben eine Macke. 20 min streiten mit Taxifahrern, dann gebe ich einem 20 Dinar, ca., 6,50 €, das ist okay, geht doch! Ich habe direkt in der Innenstadt auf der Prachtstraße, der Av. Habib Bourguiba das tolle Hotel Carlton gebucht. Passt! Nach dem Einchecken nichts wie raus, es ist mein Fernweh, dass mich immer wieder aus Deutschland raustreibt, ich genieße den ersten Stadtrundgang. Geil, Alter, schau, diese traumhaften Kolonialbauten überall und dann auch nicht weit entfernt ist der Eingang zur Medina von Tunis. An den verwinkelten, funkelnden Gassen und Souks kann ich mich nicht satt sehen.

Es neigt sich der Abend und es ist plötzlich alles so traumhaft beleuchtet, das Theater, die Kathedrale, ich fühl mich irgendwie fast heimisch. Ich hab Durst, in einer Spelunke, etwas abseits, gönne ich mir endlich BIER, einheimisches Bier, na ja Dünnbier, aber Bier. Da ich der Ausländer bin, bei der Rechnung plötzlich, natürlich ein horrender Preis, diese Schlitzohren, haha, Abzocke.

Heute, am 22.02., wage ich mich weiter in die Stadt rein, nehme die Seitenstraßen, überall viele, viele Menschen. Oh, ich muss zurück, weil nun inzwischen mein Zimmerpartner Chrissi, sowohl auch Mirko und seine Frau angekommen sein dürften. Mit Chrissi geht es dann sofort auch wieder raus, die Sonne scheint, herrlichster blauer Himmel, wir ziehen uns den Fisch- Blumen, und Gemüsemarkt rein und überall fallen mir so allerhand hübsche Engelchen auf (Foto).
Nachmittags fährt uns unser Mirko unerschrocken mit dem Mietauto nach Karthago, als Chauffeur fungiert Chrissi. Wir finden nach einigem Suchen das Startbüro für den morgigen Marathon und erhalten unspektakulär die Startunterlagen. Zu Hause hatten wir uns mit vielen Umständen ein ärztliches Attest besorgen müssen, hier und heute fragt kein "Schwein" mehr danach.
Wir fahren weiter, rüber ans Meer, na ja alles etwas dreckig drumherum, aber wohltuende Ruhe und die Blicke können weit schweifen. Abendessen gibt's schon wieder in Tunis. Mit Chrissi ziehe ich weiter in die Medina, im Dunkeln, alles funkelt, wie in 1000 und einer Nacht, traumhaft.

23.02.: Marathon: In Ruhe im Hotel gefrühstückt, sind wir anschließend mit Mirkos Fahrkünsten sicher in Karthago angelangt, rauf auf den Parkplatz und rüber zum Start. Wir machen noch ein paar schöne Fotos, auch für den Countryclub. Viele Läufer sind da, auch die für die 10km und den Halbmarathon.


Es passt alles. Es wird die Nationalhymne von Tunesien gespielt, von den Einheimischen frenetisch mitgesungen und dann geht's schon los. Ich möchte bis zum 15. Kilometer einen 10er Schnitt laufen und gehen, deshalb verabschiede ich mich von meinen deutschen Mitläufern, die nun erst mal hinter mir bleiben. Wir laufen auf der breiten Avenue Mohamed V, in der Nähe des Place du 14 Janvier
2011. Es ist blauer Himmel, bissl kalt noch, so ca. 12 Grad.
Wir sollten laut Plan zwei Runden laufen, Es ist doch ganz schön hügelig, aber kein Problem, rechts lassen wir die Mosquée Malek Ibn Anas de Carthage liegen. Die Strecke ist ausgezeichnet mit Streckenposten bestückt, die uns immer, so denken wir, die richtige Richtung weisen. Leider sehe ich keine Streckenmarkierungen, so dass ich auch keine Kilometerangaben habe.

So muss ich mir selbst alle 15 min Gehpausen verordnen, weiß nicht genau, wie schnell ich bin, wird aber schon klappen. Die Verpflegung ist okay, neben Wasser gibt's Trockenobst, wie Datteln und auch Zucker, das reicht schon. Oh endlich, da sehe ich zumindest das 15 km Schild, prima, bei 1;27:59 h laufe ich durch, voll im Plan. Ab hier sind es noch 27,195 km und die werde ich gehen, schonend für meine Hüfte! Nun überholen mich natürlich langsam einer nach dem anderen die Läufer, da ich nur noch 6,5 km/h als Tempo gehe. Und die Zuschauer? Na ja, ist ja alles Landstraße hier, da ist niemand, außer mal ein alter Esel am Straßenrand. Die Streckenposten aber, die machen schon mal ordentlich Stimmung, lachen und haben Spaß, wenn man vorbeigeht (Foto). Da die Strecke immer wieder vor und zurück und auch irgendwie im Kreis führt, sehen wir Marathonies uns immer mal wieder. Als erste von meinen Kumpels überholt mich die Uli, na ja sie wird wohl so um die 4:30 h am Ende laufen. Jetzt kommt die 20 km Marke. Gut, prima, ich gehe glatt bei 2:16 h durch, Das passt genau, 48 min will ich für alle 5 km Abschnitte gehen. Später kommt Chrissi locker an mir vorbei. Es sind inzwischen bald 20 Grad, weiter herrlich sonnig und blauer Himmel. Nun, oh, da kommt unsere Dayo aus Nigeria, halb laufend, halb gehend humpelnd

 




Es ist inzwischen, schätze ich, keiner mehr hinter uns. Bei km 37 pirscht sich der "Besenwagen" an uns ran, hier ist es ein Radfahrer, bei km 38 km ist dann ein Polizeiauto mit Blaulicht neben uns, Der Fahrer deutet uns an: "Schneller, schneller".

Ich sag ihm, dass ich eben nur gehe und nicht schneller rennen möchte bis zum Ende des Rennens. Er wird ungehalten und schimpft. Zum Glück kommt plötzlich der Veranstalter in einem Auto herangebraust und deutet mir an, ich könne weiter gehen. Ich mach Fotos, bin aber etwas genervt durch die Begleitung. Ich sehe das km Schild mit der 40. Bin jetzt bei 5:20 h, so 5:50 h werde ich wohl bis zum Ziel brauchen. Da vorn ist der Wendepunkt oben an der Mosquée, aber was jetzt? Die Polizei und der Streckenposten vor mir diskutieren lautstark mit Dayo, die soll geradeaus weiterlaufen und nicht am Wendepunkt zurück. So ein Scheiß! Wir sollen also absichtlich falsch laufen und damit abkürzen. Auch ich muss, geleitet durch den Laufchef, geradeaus weiter gehen. Okay, wie ihr wollt. Ihr möchtet wohl eher Feierabend haben, dann muss ich zwangsweise die kurze Variante zum Ziel nehmen.


Plötzlich bin ich schon auf der Zielstraße, na klar, ich habe ja mit Dayo auf Anweisung von Polizei Veranstalter abgekürzt, Dayo sehe ich schon Richtung Ziel gehen. Und da hinten kommt Mirko von der anderen Seite, der weit vor uns war, aber die richtige Strecke gelaufen ist. Ich bleibe verärgert stehen, gehe dann doch durchs Ziel, in 5:36:29 h, heute mein 33. Marathon außerhalb Europas.

Na ja, die Jungs wollten eben fertig werden, da musste die Veranstaltung schneller beendet werden. Ha, bei einigen Marathonveranstaltungen in Afrika wäre alles schon längst abgebaut gewesen, weil die laufen viel schneller. Am Ende war es aber trotzdem eine gelungene Sache, Verpflegung, Wetter die Streckenposten mit bester Laune, okay, i. O.! Die Fotos im Ziel werden lustig mit den aufgesetzten Chechias. Dann treffe ich die hübsche Sihem Ben Amara wieder, mit ihr war ich ja zwischendurch schon ein paar Meter gegangen und wir plaudern dann zusammen mit Chrissi noch ein paar Minuten. Rückfahrt nach Tunis, na klar, der "Fluch des Pharaos" trifft mich, ich breche mir im Auto einen Zahn raus, oh Gott, so was Dämliches, das wird teuer. Im Hotel wieder angekommen, haue ich mich aufs Ohr.

Abends mit Chrissy ein Kurzspaziergang, wir werden von einem Schlepper nach allen Regeln der Kunst in eine Bierklause verführt, finden uns in einer gruseligen verrauchten Spelunke wieder, hängen unter den Einheimischen und müssen unserem Schlepper dann einige Bier ausgeben Ansonsten hätte es wohl eine auf die Mütze gegeben, da haben wir mal wieder Lehrgeld bezahlt.

Der Tag danach, der 24.02., wird zu einem tollen Trip in das malerische Dorf Sidi Bou Said, so ein Traum hier, einfach herrlich. Worte können es kaum beschreiben, gelegen am Meer, diese weißen Häuser mit blauen Details an Fenstern, Türen und Ornamenten, unbeschreiblich schön. Mit Chrissi, dann wieder in Tunis, ziehen wir in die Medina, vorbei an der Ez-Zitouna-Moschee bis hin zum Nationalmonument am Kasbah Square. Abends auf "unserer" Prachtstraße finden wir dann noch ein freies Plätzchen, um den Kurzurlaub in Tunis, dieser quirlig lebendigen und unbedingt sehenswerten Stadt, mit ein paar Bierchen zu beschließen.
Der 25.02. ist dann auch schon der Rückfahrtag, Mirko hat uns diese Tage toll unfalllos hindurchmanövriert und das Auto unversehrt abgeben können. Ich betone das, weil die chaotischen Fahrkünste der Einheimischen doch haarsträubend waren.

Der Flug nach Frankfurt hatte 1,5 h Verspätung, aber mit Mühe und Not erreiche ich den Flug nach Dresden und damit den Beginn der Pandemie.

15km: 1:27:59h 1:27:59h
20 km: 0:48:01 h 2:16:00 h
Ziel: 3:20.29 h 5:36:29 h

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