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Andre,
mein neuer junger Dresdner Sportfreund (im Foto
links), der alles verrückt Sportliche in sich vereint, der
sich gern einmal bei 0 Grad Celsius oder weniger wettkampfmäßig
durch Schlamm und ähnliche grausame Dinge kämpft, und
ich, wir zwei wählten als ruhigen Ausgleich den Kiew Marathon.
Termin war der 13. Mai, alles war gebucht, Flug, Hotel und Marathon
und
plötzlich Aus die Maus!. Aus sicherheit-stechnischen
Gründen kann der Marathon nicht durchgeführt werden, da
zur gleichen Zeit der Eurovision Song Contest 2017 (übrigens
hatte dort Levina aus Deutschland den vorletzten Platz belegt) stattfindet.
Die Top Runner aus Kiew wollen den Marathon deshalb später
organisieren. VORBEI? NO! Der neue Termin war dann zwei Wochen
danach und wir buchten alles zum zweiten Mal.
24. Mai:
Dresden hat kaum noch ordentliche Flugverbindungen und so holte
mich Andre ab und wir fuhren mit seinem Auto zum Prager Flughafen.
Ohne Probleme war das Parkhaus gefunden und spätabends starteten
wir um 22:40 Uhr in den Tschechischen Luftraum nach Kiew. Vom vorher
gebuchten Taxifahrer wurden wir in Kiew erwartet und schnell waren
wir an unserem Hotel Znannya. Dies ist eher eine Absteige mit schrecklichen
Zimmern, aber na ja, 4:30 Uhr im Bett, dafür eben preiswert!
25.
Mai: Völlig gerädert stehe ich zerknirscht um 9 Uhr
auf, Andre war wie immer gut drauf: Moin, Moin, begrüßt
er mich. Wir wechseln das Zimmer, auch nicht viel besser. Frühstück
ist inbegriffen, wir sitzen an so einer Schulbank, der Fernseher
läuft und es gibt Essen oder nicht Essen, es gibt Reis mit
etwas Hähnchen-fleisch, sehr spartanisch. Nun rein ins Vergnügen,
die Sonne scheint. Draußen endlich einen genüsslichen
Kaffee geschlürft, führt der folgende Stadtrundgang vorbei
an herrlichsten reifen Erdbeerkörbchen), der Metrostation Universität
(Foto) und hinein in die Wladimirkathedrale.
Die war proppenvoll und wir lauschten der Predigt und der Orgelmusik.
Wir fuhren mit der am tiefsten unter der Erde gebauten Metro zum
Platz der Unabhängigkeit. Der Majdan
Nesaleschnosti ist der zentrale Platz der ukrainischen
Hauptstadt Kiew.
Es ist erst
3 Jahre her: Szenen wie am 20. Februar 2014 hatte es in Kiew seit
dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben: Mit Holz- und Metallschildern
waren die Demonstranten am frühen Morgen die Institutskaja-Straße
in Richtung Präsidentenpalast gelaufen, wenig später fielen
Schüsse. Fast 100 Regierungs-gegner bezahlten ihre Teilnahme
an den proeuropäischen Protest-märschen mit dem Leben
(Foto).
Jetzt
ist alles wieder so schön, so friedlich hier, für Außenstehende.
Engelchen posieren in der Sonne vor den Sehenswürdigkeiten
(Foto). Wir buchen eine Stadtrundfahrt.
Leider haben wir fast nur Stau und hätten das auch zu Fuß
machen können. Egal, wir sehen hauptsächlich unendliche
viele Kirchen und Kathedralen. Schade nur, dass Russland in der
Zeit der Besetzung so viele Kirchen dem Erdboden gleichgemacht hatte.
Am Maidan wieder angekommen, gehen wir an der bekannten,
pulsie-renden Khreschatyk St entlang, gönnen uns mal wieder
ein Käffchen, sehen den Pinchuk
Art Centre und drehen dann abends nach rechts ab, vorbei
am Botanischen Garten bis hin zum Hotel. Ein geiles Abendessen fehlt
noch und so zieht uns eine Pizzeria an, wo wir uns eben zwei riesengroße
Pizzas vergnüglich gönnen (Foto).
26. Mai:
Eine abenteuerliche Fahrt mit dem Trolleybus vom Restaurant Bruce
Lee (Foto 0863) beginnend unternehmen wir zum Olympiastadium. Es
begann zu regnen, wir holten dort die Startunterlagen und erhielten
sogar von Igor, dem Cheforganisator (Bild 0867) eine persönliche
Einweisung.
Anschließend
konnten wir uns ein paar Fotos mit den Klitschko Brüdern nicht
entziehen (Foto). Es begann
nun doch stärkster Dauerregen. Wir flüchteten ins Restaurant
Katysha und sahen dem Regen und den sich durch das Wasser
kämpfenden hübschen Kiewerinnen zwei Stunden zu. Irgendwie
hörte dieses Sauwetter doch ein wenig auf und wir fuhren mit
der Metro zum Kiewer Höhlenkloster
und zur Mutter Heimat. Diese Höhlenklosteranlage ist ein Traum
und wir machen unendlich viele Fotos. Wir können uns nicht
sattsehen an diesem geilen Gebäudeensemble. Wir laufen weiter
zu dem Denkmal in Kiew, das man gesehen haben muss. Ich war
hier übrigens an diesem Denkmal Mutter Heimat vor
42 Jahren schon mal, damals war ich 16 Jahre alt, da war an Dich
noch nicht zu denken, sag ich zu Andre. Wir lachen beide!
Andre ist nicht zu bremsen er macht Fotos über Fotos (Foto),
es ist auch ein traumhafter Blick in alle Richtungen.
Um Fünf
sind wir wieder im Hotel. Ich muss mich ausruhen, na ja, ich mach
jetzt ein längeres Päuschen, Andre dagegen pirscht draußen
rum. Abends unternehmen wir einen Spaziergang zum Botanischen Garten.
Oh Gott, bei volkstümlichen Waisen, gespielt von einer Kosakenband,
lassen wir uns Steak und Bier gut munden, wir wollen ja morgen gut
gestärkt sein!
27.
Mai: Marathontag: 7:45 Uhr klopfen wir an die Tür des Frühstückraums,
unwirsch wie immer öffnet der Concierge, irgendwas Warmes tischt
er uns auf, aber wir sind eh mit den Gedanken wo anders. Mit Bus
Nr. 3 fahren wir zum Olympia-stadion, schnell sind die Sachen abgegeben,
Andre entwischt meinen Augen, ich glaube er läuft sich warm.
Ich sauge die Atmosphäre ein, Cheerleaders posieren (Foto)
und die Läufer dehnen sich nach heißer Popmusik. Die
Wetterlage ist heute genial, mir vielleicht ein wenig zu kalt: ca.
14 Grad, etwas bedeckt, soweit ich aus dem Stadiondachöffnung
rausgucken kann. Ich komme wieder zu Andre, der ist heiß,
denke ich. 9 Uhr ist der Startschuss
für uns Marathonies und die Staffeln, zusammen vielleicht 200
Läufer. Locker traben wir, also zumindest ich, eine Runde durch
das Stadion, eh es raus auf die Straße geht. Der Parkour ist
denkbar einfach: Dieser Marathon ist vielleicht nicht so schön
wie ein Stadtmarathon über ein oder zwei Runden, aber trotzdem.
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Der Marathon
insgesamt bestand aus 7 Runden, vom Stadion ging es auf die Velyka
Vasylkivska Str, von da auf der gleichen Straße ca. 3 km bis
zum Wendepunkt und wieder zurück, durch das Stadion und das
Ganze dann siebenmal, so wäre das ganz kurz beschrieben. (Aber
das hatten wir ja noch alles vor uns. Nach ca. 500 m laufen wir
etwa 800 m auf gewöhnungsbedürftigen Straßenpflaster,
da heißt es Augen auf, nicht stolpern. Prima,
die Straße ist komplett gesperrt. Es gab eine einzige Verpflegungsstelle
(Foto), das ist gekonnt ausgeklügelt,
denn das reicht hier aus! Es lief alles gut. Ein kurzes Weilchen
sah ich Andre noch vor mir, dann war er nach vorn entwischt. Die
ersten 15 min lief ich ca. 9 km/h, dann ging ich ca. 90 sec. Danach
wieder alles in gleichen Abständen aufgeteilt, lief ich die
Strecke weiter.
Die
Straße war aber leicht hügelig, wie eben auch ganz Kiew
gelegen ist. Es kam der Verpflegungspunkt in der Mitte der Strecke,
es gab ausreichend zu trinken, Bananen und Äpfel und die Bedienung
war sehr nett zu uns. Andre war voraus. Da sich alles auf dieser
Straße abspielt, sah ich bald die anderen Läufer auf
der anderen Straßenseite zurückkommen. Da kommt die Führende
Läuferin bei den Frauen, auch Andre kommt mir entgegen. Zuschauer
gab es kaum, aber es war sehr gut abgesperrt. Am Wendepunkt gedreht,
ging es zurück, aha, das ist toll, hinter mir sind doch noch
eine paar Läufer. Kurz vor dem Stadion noch ein paar Mädels
abklatschen (Foto) und rechts
rum zur Stadioneinfahrt. Die 1. Runde durchlief ich im Stadion in
36:10 min. Das war nicht schlecht. So konnte ich das Zeitlimit von
6 Stunden bequem erreichen. Da war auch noch ein bisschen
Zeit für Beobachtung der Halbmarathonies, die bald starten
sollten und ein kurzer Plausch mit einer Staffelläuferin (Foto).
In der 2. Runde
kamen dann die Halbmarathonies und rollten das Feld von hinten auf.
Ich hatte vor, vier Runden mit den Gehpausen zu Laufen. Die letzten
3 Runden ab km 24 wollte ich bis zum Ziel nur noch gehen. Genau
so machte ich es auch. Die 2. Runde war meine Schnellste in 35:50
min. Aber darum ging es mir überhaupt nicht. Ich wollte die
Atmosphäre genießen, den Lauf beobachten. Das ging ja
auch prima, weil mir der ganze Tross jeweils wieder entgegenkam.
So
sah ich natürlich meinen lieben Andre wieder. Er war nicht
so zufrieden, hatte ich das Gefühl. Aber er nahm es mit Humor.
Na dreieinhalb Runden am Wendepunkt kam die Sonne raus, ich kannte
die Strecke inzwischen gut, es wurde mollig warm. Egal, ich hatte
die Mütze auf, entweder als Kälteschutz oder jetzt als
Sonnenschutz. Es gab genug Wasser und so konnte ich mir dieses jetzt
als Abkühlung über den Kopf schütten
Sehenswürdigkeiten war einige wenige auf der Strecke, so die
Katholische Kirche oder das Nationaltheater. Jetzt hatte ich die
4 Runden geschafft und lief durch das Stadion in 2:26:56. Das war
geschafft! Tempo raus und gedanklich und körperlich umschalten
auf Gehen. Nun überholen mich natürlich alle. Lag ich
bisher halbwegs im Mittelfeld, wurde ich jetzt durchgereicht, man
lief und trabte an mir vorbei. Das muss man mental überstehen,
im Läuferfeld total nach hinten durchgereicht zu werden.
Die Sonne stach
jetzt von oben herab. Aber ich hatte hölligen Spaß, ich
rechnete die Zeit hoch, na ja, werden das so ungefähr 5:30
h am Ende. So ging ich die 5. Runde locker in 59:02 min. Die Halbmarathonies
waren nun inzwischen schon fast alle im Ziel und ich sah nur noch
vereinzelte Läufer. Irgendwann kam mir auch wieder Andre entgegen.
Er war etwas wutig und sagte, die Strecke ist zu lang, mein GPS
hat schon 42,195 km angezeigt, ich hätte im Ziel sein müssen.
Mmm, das hatte ich natürlich nicht gemerkt. In der letzten
Runde sah ich bei ca. km 37 ein jungen Mann vor mir ganz langsam
gehen. Ich überholte ihn und sah ihn von der Seite an. Er war
aschfahl im Gesicht, weiß, blass, fast grau. Er war kurz vorm
zusammenbrechen. Er murmelte, es sei sein 1. Marathon. Ja, er hatte
sich einfach übernommen, wenig gegessen, zu wenig getrunken.
Anfängerfehler, dachte ich, das ging uns allen mal so. Ich
lenkte ihn ab und wir gingen zusammen zum Wendepunkt, hier gab ich
ihm all meine Reserven zu Essen, besonders die Powerriegel: Jetzt
geschah das Wunder. Ich konnte von Minute zu Minute sehen, wie seine
Lebensgeister wiederkamen. Nach 15 min plötzlich sagte er,
nämlich Denis, du Peter, ich bin wieder fit (Foto).
Ob
er wieder laufen sollte, na klar, sage ich und er lief
los. Ich war wieder allein, aber ich wusste, ich habe es auch fast
schon geschafft. Das zieh ich jetzt locker durch. Da kam auch ca.
800 m vor dem Ziel Andre mit imposanter Medaille winkend auf mich
zu. Ich freue mich sehr. Er begleitet mich bis zum Stadion. Die
Eingangspforte muss ich nun aber selbst öffnen (Bild 1026),
bin ja fast der Letzte. Dann ging ich allein ins Stadion rein, ich
musste noch meine letzte Runde drehen, aber die kostete ich aus!
Herrlich, und eine tolle Zeit für mich. 5:
23:32 h. Natürlich bekam ich auch die tolle Medaille
umgehangen (Bild 1034 und 1037). Ich machte Fotos mit Andre und
mit Denis, der überglücklich seinen 1. Marathon geschafft
hatte. Andre unterzog sich einer Massage, sie kneteten ihn ordentlich
durch, während ich draußen in der Sonne mich ausruhte.
Ich holte meinen
Kleiderbeutel, ich glaub es war fast der Allerletzte, der einsam
bei den aufpassenden Mädels hing. Vergnügt
fuhren wir zum Hotel zurück, jetzt Ausruhen und ein wenig Schlafen.
Ja und abends fuhren wir die uns schon bekannte Strecke mit der
Buslinie 3 zum Stadion und gingen wieder in die unsere
Kneipe Katysha, wo wir gestern bei diesem Unwetter Zuflucht gesucht
hatte.
Und
hier aßen wir die Speisekarte hoch und runter. Hatten wir
einen Hunger!!! Borschtsch, Schöpskasalat, Hähnchen- filet
und dazu Bier, Bier, Bier (Foto).
Mmmmm, dies tat so gut! Und beim Dunkelwerden waren wir wieder auf
der Marathon-strecke, auf unserer Straße. Hier
waren inzwischen auch viele Einheimische, sie waren einfach auch
wie wir auf der Straße und genossen den Abend (Bild 1073).28.
Mai: Es war Sonntag und die Stadt menschen-leer. Unser Taxifahrer
von der Herfahrt holte uns überpünktlich ab und war sehr
gesprächig bis zum Flugplatz. Schade, wäre das auf der
Hinfahrt schon so gewesen, hätten wir am Anfang schon viel
mehr über Kiew gewusst. Wir stiegen in die Propellermaschine
ein und es ging auf nach Riga, danach nach Prag. Und von hier, nachdem
wir doch noch Andre s Auto unversehrt im Parkhaus gefunden
hatten, fuhren wir nach einem Mittagessen in Prag nach Hause. Für
Andre war es der 4. Marathon in 3:56:22h.
Für mich ist die Ukraine das 69. Marathon
Land und immerhin hatte ich auch ein kleines Jubiläum.
Kiew war meine 50. Hauptstadt,
in der ich die Straßen unter meine Laufschuhe genommen hatte.
1. Runde (6
km): 36:10 min 36:10 min
2. Runde (12 km): 35:50 min 1:12:00 h
3. Runde (18 km): 37:46 min 1:49:46 h
4. Runde (24 km): 37:10 min 2:26:56 h
5. Runde (30 km): 59:02 min 3:25:58 h
6. Runde (36 km): 55:55 min 4:21:53 h
7. Runde (Ziel): 61:39 min 5:23:32 ______________________>>
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