"Wahnsinn und Genie liefen Hand in Hand"
9. Alpin Liechtenstein Marathon
14.06.2008


Ein Bericht von Peter Maier

Text und Fotos: Peter.Maier@dresdner-trolle.de

Von Ärzten gepeinigt und mit der Diagnose bestraft, nie wieder Marathon laufen zu dürfen, hatte ich inzwischen ein Lebendgewicht unter 70 kg angenommen. Zum Glück baute mich mein Freund Thomy aus Berlin moralisch wieder auf und meinte, "wer die Hölle beim Dead Sea Marathon unbeschadet überlebt, der kann nur gesund sein, aber sei trotzdem vorsichtig!" Zu zweit, nämlich Herbert Reinhold aus Niesky und ich, wollten wir den 9. LGT Alpin Liechtenstein Marathon mit immerhin 1800 Höhenmetern in Angriff nehmen. Am 12.06. fuhren wir dann mit dem Bus, gekapert vom mit dem Dresdner Laufsportladen, problemlos bis Feldkirch in Österreich, wo Herbert und ich unsere Unterkunft hatten. Die anderen Businsassen, wie immer waren wir liebevoll betreut von Bernd Melzer, hatte noch ein paar Kilometer Busfahrt vor sich, denn sie wollten die 100 km (!) von Biel laufen .
(>> alles über Lichtenstein)

Herbert und ich hatten noch den Abend vor uns und so spazierten wir durch die Altstadt von Feldkirch. Doch noch ein Plätzchen in einer Kneipe ergattert, sahen wir uns die Niederlage unserer Fußballjungen gegen Kroatien an, wenigstens schmeckte das Bier! Am Freitag wollten wir in den Bergen doch ein paar Stunden wandern, um uns an die Höhe zu gewöhnen. Aber das Wetter machte uns einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Mit den örtlichen Bussen von Feldkirch nach Liechtenstein gefahren, gingen wir weiter zu Fuß und wurden bei dem Nieselregen in den Schellenberger Höhen doch gehörig durchnässt. Aber wieder unten am Rhein angekommen, wanderten wir über Ruggell nach Bendern, wo wir halbwegs trocken ankamen. Hier sollte in einem Bürogebäude ab 17 Uhr die Startnummernausgabe sein. Ohne Auto für einen Ortsfremden schwer zu finden, kamen wir dennoch an. Es gab wirklich nur die Startnummern, sonst nichts…keine kleine Party…gar nichts. Wir erkundeten unsere Anfahrt für den nächsten Tag und trollten uns wieder nach Feldkirch, wo wir noch allerhand Spaß beim 10. Feldkirchener mittelalterlichen "Montfortspektakel" hatten. Herbert wollt mit dem feurigen Ritterfräulein Emma anbändeln, aber Ritter Kunibert hatt a monstrum langes Schwert und ließ Herbert nicht gewähren. Gut gelaunt fielen wir in unsere Betten und der Wecker riss uns früh aus allen Träumen…

Marathontag, der 14.06.08:Das Profil des alpinen Liechtenstein-marathons ist "very tough", wie mir mein neuer Marathonfreund John Wallace aus Amerika schrieb. Ich wollte unbedingt vorsichtig laufen und hatte mir die Strecke aufgeteilt. Das wichtigste war für mich, dass ich mir für die schweren Bergpassagen zwischen km 10 und 21 und km 31 und 36 insgesamt drei Stunden Zeit lassen wollte, dazu noch 2.45 h für die "restlichen" Kilometer, so dass eine Endzeit von 5.45 h rauskommen könnte, 7 Stunden wären das Zeitlimit…! Plötzlich treffe ich am Start Robert aus Freiburg, auch er war mit mir durch die Hölle am Toten Meer gegangen und wir machen noch schnell ein paar Startfotos. Das Wetter ist nicht passabel, es ist diesig und kühl, aber wenigstens regnet es nicht! Pünktlich um 9 Uhr fällt der Startschuss! Wir laufen von Bendern aus rüber zum Rhein und dort in der Ebene auf den Fahrradweg entlang bis zur Hauptstadt Vaduz. Rechts schauen kurzzeitig mal ein paar schneebedeckte Alpengipfel hervor. Herbert ist inzwischen schon nach vorn enteilt, da lauf ich auch schon mit Robert locker in Vaduz ein.


Auf meinen Körper horchend und gemäß meinem Plan, nehme ich den Abschnitt nach der "Schonzeit" in Angriff.
Es geht zur Sache. Vorbei am Fürstenschloss gehe ich im Schritt eines Leistungswanderers die weiteren Kilometer nach oben. Ich denk mir, ein Glück, dass ich die weiteren zu erklimmenden Höhenmeter nicht vor mir sehe, denn die Sicht ist weiter schlecht. Andererseits wäre ein "Bombenwetter" vielleicht doch besser? Der zu belaufende Waldweg schraubt sich in Serpentinen wie ein Lindwurm nach oben. Ich höre neben mir rasselnde Geräusche. Ja, es sind die Atmungsgeräusche von denen, die diese gnadenlosen Anstiege an mir vorbeirennen. Ich schau sie mir an, werden sie schneller sein oder kann man in einem Leistungsbereich von ca. 5 Stunden die Berge auch schnell hochgehen? Meine Atmung funktioniert erstaunlich gut, mir geht es blendend! Auch die 5 km bis km 15 mit den ca. 600 Höhenmetern, wo ich mir 60 min Zeit lassen wollte, schaffe ich in 43.31 min.Ich geh weiter in straffen Schritt, mach wieder Fotos, aber da ist inzwischen Robert nach vorn verschwunden, wir hatten uns prima zwischendurch unterhalten. Aber da vorn, bei km 18, also einer Serpentine über mir, ist wieder Reinhold. Nach ein paar Späßchen mit einer Halbmarathonläuferin inmitten dem Ort Triesenberg laufen wir bis zum Kilometerschild 20 zusammen.

Peter und Barbla

Wieder merke ich, dass es außerordentlich gut läuft. Jetzt ein Foto mit einem kräftigen gehörnten Urvieh und es ist wieder eine Verpflegungsstation vor mir: Cola, Iso-Getränke, Bananen, Riegel, alles i. O.! Noch einen Kilometer höher und höher und der Halbmarathon bei ca. 1700 Meter Höhe ist geschafft! Hier auf der Silumer Höhe hätte man noch mal das Rheintal sehen können, aber zu "Weitblicken" hatten wir doch heuer kein Wetter. Herbert hatte abreißen lassen und so rauschte ich allein hinunter ins Tal. Ich büßte meine errungenen Höhenmeter binnen 3 bis 4 Kilometer wieder ein. Aber diese 3 bis 4 km hatten es in sich! Der sich nach unten windende Pfad bestand aus ca.10cm hohem Schlamm. Ich sprang wie das Pferd auf dem Schachbrett nicht von Feld zu Feld .sondern von "Patsch" zu "Patsch", abwärts ins Saminatal! Die Alpenkühe mit ihren Glocken am Hals machten sich wohl lustig über mich… Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten, dachte ich mir. Doch die Rechnung hatte ich ohne den Wirt bzw. die Kuh gemacht. Denn da hatte doch die eine Kuh mich schon abgeschleckt, als ich sie um ein Foto "gebeten" hatte!


Ich erreiche das Ziel des Halbmarathon-Plus-lauf kurz nach km 25. Hier in Steg sind auch schon allerhand Zuschauer, auch sie haben Kuhglocken umgehangen. Motiviert laufe ich weiter die nächsten Kilometer durch die Bergwelt von Liechtenstein. Die Strecke hoch über dem Saminatal ist z. Z. nur hügelig. Ich stelle fest, dass ich genau ab Kilometer 21 von keinem Läufer mehr überholt werde, es läuft blendend. Wir laufen ins Valorschtal ein, so könnte es weitergehen! Aber ca. bei km 32 ist Schluss mit lustig! Plötzlich wird der breite Weg zu einem Pfad, wo es nur noch nach oben und dazu noch über Stock und Stein geht. Plötzlich sah ich die Läuferschlange vor mir, wie sie vor mir hertrottete. Mein Puls war ruhig, ich hörte in mich hinein, geht da noch was? Und ob!!! Beseelt und überglücklich, dass es mir so gut geht, setzte ich Kräfte und Endorphine frei und "flog" an den anderen Läufern vorbei. Ich hatte wieder das "runners high", meine persönliche Droge! Unbeschreiblich, wie einfach alles lief und ungläubig schauten die anderen Läufer "dem Verrückten" hinterher…


Die höchste Stelle des Alpin Marathons war erreicht, km 34: Sass Förkle mit 1786 m Höhe. Plötzlich sehe ich wieder Robert vor mir, aber ich mach an der Verpflegungsstelle in aller Ruhe ein Foto und er ist wieder entschwunden. Der Bergpfad führt weiter in Richtung Malbuntal. Jetzt sind immer mal ein paar Zuschauer am Weg: "Hopp, hopp, hopp", schreien sie. Bei km 36 ist es soweit, ich höre den Zielsprecher in Malbun, wie er die Zielläufer einzeln begrüßt!
Aber nein, "Obertroll", du musst noch weiter! Du musst jetzt noch um das ganze Liechtensteiner Wintersport-zentrum herumlaufen - in halber Höhe des Talkessels ein wenig auf und ein wenig ab, auch mal ein paar kleine Schneefelder queren…ja, das sind halt schon noch mal 5 km bis zum Ziel in Malbun! Zum Glück finde ich noch eine nette Begleitung.

Mit Barbla aus Chur sind die letzten Kilometer kein Problem. Sie erzählt von anderen Bergmarathons in der Schweiz, mit weit mehr Höhenmetern als dieser hier… Bei km 40 - beim allerletzten Anstieg - mach ich wie immer "mein" Foto, da entschwindet sie mir. Problemlos hole ich sie wieder ein und zusammen laufen wir, beklatscht von den Zuschauern und jeweils einzeln angesagt vom Ziellaufsprecher, in 5.08.38 ins Ziel ein. Die Belohnung der Finisher ist ein Funktions-Shirt. Dazu gibt es aus dem Hause SWAROWSKI vier kleine für mich nicht ganz definierbare agnetanstecker aus Kristall. Eine Medaille wäre mir 1000 Mal lieber gewesen! Zum Glück kann ich mich im Ziel an Pommes und alkoholfreiem Bier laben und die Duschen sind warm. Mir im Duschzelt zeitlassend, ist auch schon Herbert zur Stelle, der in 5.36.54 h das Ziel passierte. Gewonnen hat den 9. LGT Alpin Marathon übrigens der Berglaufweltmeister Jonathan Wyatt aus Neuseeland, der den Streckenrekord auf wahnsinnige 2.56.27 h schraubte. Eine unglaubliche Leistung!!! In 3.36.25 h gewann bei den Frauen Corinne Zeller aus Weissenburg.

Glücklich verließen Herbert und ich Malbun mit den zur Verfügung gestellten Bussen. In Vaduz trieb es mich aber wieder raus und ich musste mir unbedingt noch eine eigene Medaille in Form eines kleinen Liechtensteiner Porzellantellers kaufen. Wie in früheren Jahren, wo ich auch schon in Feldkirch übernachtete, ließ ich diesen Kurzurlaub mit "echtem" Bier und einem deftigen Riesenschnitzel, wie immer mit 35 cm Durchmesser, auf der Feldkircher Schattenburg ausklingen. Die Rückfahrt nach Dresden plauderten wir über unsere Erlebnisse, die anderen Dresdner und Chemnitzer Starter hatten komplett die 100 km von Biel geschafft! Für mich als Obertroll war es der 71. Marathon im 36. Land.

Und mit der Aussage des Arztes nach der Untersuchung und nach dem Marathon darf ich auch noch ein wenig, wenn auch nicht leistungsorientiert, weiter laufen…


Meine Durchgangszeiten:
5 km: 27.00 min 27.00 min
10 km: 28.40 min 55.40 min
15 km: 43.31 min 1.39.11 h
20 km: 49.34 min 2.28.45 h
25 km: 37.07 min 3.05.52 h
30 km: 30.24 min 3.36.16 h
35 km: 42.29 min 4.18.45 h
40 km: 36.47 min 4.55.32 h
Ziel: 13.06 min 5.08.38 h


>> ein anderer Bericht vom Lichtenstein Marathon 2008 von Michael Beck
 

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