20.06.2009
21. Deutsche Meisterschaften der DUV im 24 Stundenlauf
in Stadtoldendorf


Ein Bericht von
Mirko Leffler

Mirko LefflerZelt, Zeit und Ziel stehen. Nur der Wettergott kann sich nicht entscheiden. Wahr-scheinlich hat er vor Jahrhunderten auch den Namen des Austragungs-ortes kreiert: S t a d t olden d o r f! Aber ich bin auf diesen 20.Juni 2009 vorbe-reitet: Verpflegung, Wäsche und Blasenpflaster warten im Jahnstadion. Es ist 13.30 Uhr. Die 21. Deu-tsche Meisterschaften der DUV im 24 Stundenlauf nehmen gemächlich Fahrt auf. Ich bleibe gelassen und beobachte den schim-mernden Bummelzug gewissermaßen aus dem letzten Abteil. Erst Morgen wird abgerechnet! Meine Frau und unsere Joy (Foto) win-ken mir zu, obwohl ich doch gleich wieder bei ihnen sein werde - nach etwas mehr als zwei Kilometern. Der Weg tarnt sich nach einem Drittel mit romantischem Flair. Erfrischende Wiesen leuchten; aus der Ferne grüßen Berge unter dunkelgrauen Wolken und die Sonne zwinkert.

Meine FrauenDie Welt ist schön! Und irgendwie ist die Strecke ziemlich flach. Was sind schon gefühlte 10 Höhenmeter pro Runde? Tartanbahn, Asphalt und ein geschotterter Feldweg reichen sich im Wechsel die Hände. Jetzt, in der dritten Runde, treffe ich auf Norbert Künkel (Foto unten). Auch für meinen neuen Begleiter aus Hannover ist es der zweite 24er. Gedanklich habe ich die kommenden Stunden in kleine Scheibchen zerteilt. Stück für Stück. Runde 5 bedeutet Kilometer 10. Mit 1:13:20 sind wir eher langsam, denn die ersten Mitstreiter stürmen bereits überrundend vorüber. Immerhin läuft hier die deutsche "Ultra-Elite"! Trotz der beeindruckenden Manöver um uns herum spüren wir den Geist der grandiosen "DUV-Familie" und ernten viele aufmunternde Worte. Nur die Uhr schlägt jede Stunde anders. Stadion-musik, Regen, Wind, Licht, Schatten und die Körpersignale wechseln sich ab. Kurz nach der 15. Runde ist Norbert schlagartig verloren gegangen. Ob ich ihn noch einmal treffen werde?

Norbert Künkel und Mirko (vlnr)Nach fünfzig Kilometern und 6:24:40 genieße ich den Vollservice meiner verständnisvollen Marianne vor unserer kleinen "Zeltoase". Nebst Shirt- und Schuhwechsel. Ach, wie gerne würde ich länger bleiben! Ein Regenbogen versüßt mir den Aufbruch, doch die Flachstrecke ist abrupt zu einem hinterhältigen Gebirgspfad mutiert. Vor mir wandern einige Kollegen, aber ich kämpfe tollkühn gegen diesen Wunsch an. Noch! Eine Topläuferin hört die drohenden Signale: "Mensch, heb` die Füße, du schlürfst ja wie meine Mutter!" Schmunzelnd frage ich: "Wieso, läuft die auch?" Dann wird es finster. Eine wärmende Jacke hilft mir durch die Nacht. Riesige Scheinwerfer beäugen die Strecke. Jedoch nicht überall. Auf einer Bank neben der Turnhalle hockt eine stumme Gestalt. Ist das ein Teilnehmer, ein Kampfrichter oder gar ein Spanner?

Ich weiß es nicht - und es ist mir plötzlich total egal. Hohlwangig trabe ich vorbei. Ein Schluckauf schüttelt mich. Verdammt, ich laufe ins Minus! Endlich.

Einhundert Kilometer sind geschafft! 15:14:20. Erleichtert genieße ich die "Familienpause". Doch ich muss weiter. Raus aus dem Stadion und hinein in den Morgen. Wehmütig denke ich an 2008. In Breitscheid war ich mit meinem Freund Uwe Kaiser unterwegs. 135 Kilometer standen damals auf der Urkunde. Und heute? Augenblick, schleicht da vorne Norbert? Na also, dann walken wir zusammen! Unerwartet attackieren uns eiskalte Regentropfen. Überrascht flüchte ich vor dem Überfallkommando ins Zelt. Nur für zwanzig Minuten! 107 Kilometer, 16 Stunden und 31 Minuten sind verstrichen. Unterdessen dauert die Belagerung meines wasserdichten Exils an. Wieso kann mich simpler Regen einfach so ausbremsen? Ernüchtert sinke ich auf den Boden der Tatsachen. Kurz nach 10.00 Uhr erlange ich das Bewusstsein wieder und melde mich auch offiziell ab. Jetzt ist mir klar, dass ich bereits vor vier Stunden verloren habe. Als Zuschauer mische ich meinen Kummer mit Freude.

WR Marianne DahlEs sind nicht nur die Spitzenathleten, sondern ganz besonders die vermeintlich Alten und Schwachen, die als Gladiatoren auf der Tortour durch die Arena ihre extreme Leidensfähigkeit beweisen. Ich gehöre leider nicht dazu. Weibliche und männliche Gefährten, die keine Läuferfiguren haben, bewegen sich beinahe in Zeitlupe, marschieren im Gleichschritt oder gehen Hand in Hand. Einige werfen ihren Kopf wie im Trance von links nach rechts, um den Schlaf zu überlisten, anderen wurde das Rückgrat von Wind und Wetter gebeugt. Aber sie alle halten durch! Zwei "reife" Damen adeln so den Tag: Weltrekord und Deutscher Rekord in den Alterklassen 65 und 70. Wahnsinn! Sogleich fasse ich einen Entschluss. Auch meine persönliche Enttäuschung bedeutet einen Schritt vorwärts. Im nächsten Jahr werde ich die Nässe besiegen! Selbst wenn ich dafür im Friesennerz antreten muss…

 
 

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