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Ja,
es war ein Blitzgedanke! Ich will in
Tokyo
meinen 100. Marathon laufen! Von allen Seiten erntete
ich Kopfschütteln: "Dort ist doch alles verstrahlt".
Diesen und ähnliche unwissende Sprüche musste ich mir
anhören... Von Christian Klingmann,
Reiseleiter von "Ali Schneider Marathon-reisen", bekam
ich "grünes Licht". Christian war vor Ort gewesen
und bestätigte meine Prognose von der absoluten Unbedenklichkeit
zur Reise nach Tokyo! Nun war ich nicht mehr zu halten und mein
Freund Micha war wieder mein Begleiter.
1.
Tag (22.02.12): Mit Grauen denke ich an diesen Flug
zurück, denn ich hatte mir direkt vor der Abreise irgend
so eine verfluchte Grippe eingezogen. Jetzt krümmte ich mich
auf meinem Sitzplatz vor Unwohlsein und lauter Elend. Erstmals
in einem A
380 wollte ich mich von den Stewardessen verwöhnen
lassen, weit gefehlt! Da halfen kein Whisky und auch keine Tabletten.
2.
Tag (23.02.12): Wir kamen heil auf dem Flughafen von
Tokyo-Nariata. an. Ich weiß nur, dass ich in unserem Hotel
Citadines Shinjuku glücklicherweise in das Zimmer von Christian
durfte und sofort schwitzend im Bett lag, Tabletten nehmend, schwitzend
und frierend
Die anderen unserer Truppe durften sich die
Startunterlagen im Messe-gelände des Tokyo Big Sight abholen,
erreichend mit der Tokyoter U-Bahn und unter Anleitung von Christian
kein großes Problem. Abends gingen die Jungs und Mädels
dann gut und lecker japanisch Essen, während ich "feucht
fröhlich" weiter meine Arznei nahm.
3.
Tag (24.02.12): Oh ja, heute waren die Highlights von Tokyo dran.
Unser japanischer Reiseführer Naomi
Kamei führte uns zuerst auf den Tokyo Tower mit seiner
herrlichen Aussicht über Tokyo (Foto
oben). Es folgte der Meijischrein (Shintoismus), der 1920 zu Ehren
des 1912 verstorbenen Kaisers Meiji und seiner Frau, Kaiserin
Shoken, errichtet wurde. Ich war froh, mich immer wieder im Bus
ausruhen zu können. Herr Kamei zeigte uns den Kaiser-palastvorgarten,
hinein durften wir natürlich nicht. Wir besuchten die Nakamisegasse
bis hin zum Asakusa-Sensouji Tempel (Foto),
Tokyos ältesten und bedeutendsten Tempels (Buddhismus). Unmengen
von einheimischen und ausländischen Leuten waren hier bei
sonnigem Wetter unterwegs.
Natürlich durfte ein Bummel in der Ginza (Foto),
dem Hauptgeschäfts- und Vergnügungs-viertel mit einer
Vielzahl von Restaurants, Theatern, Kaufhäusern,
Ausstellungs-räumen, Kunstgalerien, Nachtclubs und Hotels
nicht fehlen. Zu
"empfehlen" wäre ein Stück Wagy?-Rind, das
teuerste und exklusivste Rindvieh der Welt, 100 Gramm kosten 50
€...Danach nahm mich Christian mit zur Marathonmesse. Herrlich
anzuschauen die Fahrt über die Rainbow Bridge, der Hängebrücke
über den Hafen im nördlichen Teil der Bucht von Tokyo.
Auf der Marathon-messe war Lautstärke, Farbenvielfalt und
freudige Menschenmassen nicht zu überbieten. Ich hatte herrliche
Fotomotive... (Foto) und bekam
problemlos meine Marathonstart-unterlagen.
4.
Tag (25.02.12): Absolutes Mistwetter! Es goss in Strömen
und war kalt. Ich dachte, die armen "Hunde", die jetzt
den organisierten Freundschafts-lauf
mitmachen. Aber laut den Fotos hatte sie doch Spaß dabei
(Foto)! Wir fuhren mit der
Metro nach Takinogawa zur Erdbeben-station. Dort wurden uns augenscheinlich
und sehr beeindruckend die Gefähr-lichkeit der Erdbeben und
deren Auswirkungen gezeigt! Ich war froh, dass es solche Urgewalten
nicht in unserer Heimat gibt. Nach zwischen-zeitlichen Metrofahrten
machten wir von Asakusa aus eine Wassertaxifahrt bis hin zu den
Hamarikyu-Gärten. Wie wunderschön muss es hier sein,
wenn alles im Frühjahr blüht... Eine kleine Pasta-Bierparty
rundete den Abend ab.
5.
Tag (26.02.12): (100. Marathon/Ultra!)
Zugegeben, mir war sehr mulmig, als ich mit Micha zum Frühstück
ging. Eine Gratwanderung...fit war ich noch nicht, aber ich will
diese Ding heute durchstehen! Ich muss ruhig und langsam laufen.
Den Körper darf ich nicht strapa-zieren, wenn man das beim
Marathon sagen kann. Mit der Metro fahren wir, angeführt
von Christan, den ich für mich spontan zum "EHRENTROLL"
ernenne, bis nahe an den Start am Tokyoter Rathaus neben dem Shinjuki
Central Park. Christian entlässt uns zwischen den immer enger
werdenden heran strömenden Läufermassen mit den Worten:
"Jetzt kann euch nichts mehr passieren". Spätestens
nun merke ich, dass die Japaner einiges mit uns gemein haben,
sie sind zuverlässig, pünktlich, akkurat, begeisterungsfähig
(Foto) ...und ich werde in
den nächsten Stunden den für mich bisher best organisierten
Marathon auf dieser Erdkugel erleben!
Es sind sicherlich
über 35.000 Läufer (weit über 300.000 Läufer
wollten eine Startplatz), die ihre Kleiderbeutel abgeben und noch
einmal auf Toilette müssen.
Alle
strömen zu den Startblöcken. Alles aber kein Problem,
denn einer der vielen Tausenden Helfer wird uns schon helfen.
Micha
hat den Startblock hinter mir. Wir verabreden wir uns, dass wir
uns ganz rechts aufstellen und so finden wir uns auch ohne Probleme.
Es ist ca. 8 Grad warm, wolkig, kein Regen, als um 9.10 Uhr der
Startschuss fällt (Foto
oben). Micha hatte sehr wenig trainiert, ich hatte noch leichtes
Unwohlsein und so wollten wir nur um die 4 Stunden laufen oder
aber besser einfach durchkommen. Wie ein Lindwurm zog sich der
Läuferpulk durch die Metropole Tokyo, angefeuert durch die
vielen Tausenden Zuschauer.
Locker
laufen wir bis km 9, lassen rechts das Areal des Kaiserpalastes
liegen. Wir laufen am Hibiya-Park, dem Ziel des 10 km Laufes vorbei.
Ich fühle mich wohl, Micha ist immer bei mir. Bei km
10,5 geht es auf die Südschleife, die bei km 15,5
wieder zurückgelaufen wird. Und
da ist es auch schon passiert...plötzlich auf der anderen
Straßen-seite kommt das Polizeiauto entgegen und dahinter,
in der Spitzengruppe laufend, Haile
Gebrselassie. Ich kann es nicht glauben! Wie lange
hab ich auf diesen Augenblick gewartet, hab mir ausgerechnet,
dass er, der große Haile Gebrselassie, dieses Laufwunder,
bei ca. km 11, was bei ihm km 20 ist, vorbeibrausen würde.
Und jetzt hab ich versagt, mein Fotoapparat war nicht "schussbereit",
unendliche Schmach befällt mich!
Traurig
trotte ich am Tokyo Tower vorbei, aber zum Glück pulverte
mich eine tanzende Girlgruppe wieder hoch! Jetzt ist Wendepunkt
bei 15,5 km, nun können wir die Läufer sehen, die hinter
uns sind. Jede ca. 3 km sind Verpflegungspunkte mit Hunderten
Helfern. Kilometer 20
durchlaufen wir in 1.55.37 h, der Halbmarathon ist im Geschäftsviertel
Ginza.
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Weiter laufen
wir Richtung Norden. Plötzlich spricht uns eine Frau an:
"Oh, toll", sagt sie, "hier wird deutsch geredet"
und sie erzählt uns, dass sie Deutsche ist, jedoch in Tokyo
wohnt und hier auch jedes Jahr bisher mitgelaufen ist.
"Vor
zwei Jahren" sagt sie "war hier Schneeregen, schreckliches
Wetter". "Heute habe wir Glück" sag ich, "auch
gestern wäre es rein Böse vom Wetter her gewesen!"
Hoffentlich verlegen sie den Marathon bald in die Kirschblütenzeit,
denk ich mir, das wäre wunderbar für die Läufer,
die in den nächsten Jahren hier laufen werden.Bei dieser
enormen Teilnehmerzahl läuft ein Läufer neben dem anderen,
alle sind gut gelaunt und uns umsäumen so viele Zuschauer.
Was für ein Unterschied zu Marathons wie in Cancun,
Algier
oder Minsk.
Hier sind weit über eine Million Zuschauern, dort leider
nicht mal ein Dutzend. Jetzt mach ich einen Joke mit einer Helferin
und da entfleucht mir Micha, so ein Mist, er ist weg. Keine Chance,
bei diesem "Gewühl" ihn wiederzufinden.
Ich
checke die Zeit, es sind genau 30 km
gelaufen (2.54.13 h), kann ich die 4 Stunden noch knacken?Ich
steigere das Tempo, laufe die nächsten 5 km in 27,35 min
und rechne hoch...nein, keine Chance. Mensch Alter, denk ich,
vor 3 Tagen lagst Du noch im Bett...Gesundheit geht vor! Also
Tempo raus und wieder nach die Mädels geguckt (Fotos
links und unten )! Ich erfreue mich an der Strecke an den Zuschauer.
Da, diese Kindergruppe, so niedlich! Es ist herrlich! Ganz leichte
wellige Abschnitte folgen auf der immer asphaltierten Strecke.
Mit einer hübschen Japanerin, deren lockeres Tempo ich angenommen
habe, "verbringe" ich die letzten Kilometer (Foto
ganz oben). Mache mein Foto bei km 40, laufe wieder auf die Kleine
(na ja, die Mädels hier sind alle eine Kopf kleiner) auf.
Sie
ist auch glücklich, so wie ich. Wir spüren die Freude,
die hier alle haben. Jetzt kommt auch noch die Sonne raus und
wir laufen gemeinsam ins Ziel am Tokyo Big Sight ein, es ist so
ein traumhaftes Gefühl. Schnell ist der gereichte Beutel
voll mit bereitstehenden Leckereien. Oh ja, natürlich, die
Medaille, die darf nicht fehlen! Stolz empfange ich sie. Ich hab
es geschafft. In 4.08.28 laufe ich meinen 100. Marathon zu Ende.
Was die Zukunft bringt, weiß ich noch nicht. Aber dieses
Hobby, was mein Leben mit geprägt hat, möchte ich nicht
missen. Micha treffe ich schon beim Umziehen, er ist kurz hinter
mir ins Ziel reingekommen, wie es auch alle anderen Läufer
unserer 12 köpfigen der Reisegruppe, insgesamt 9 Läufer,
geschafft haben. Sieger der über 35.000 Läufer wurde
der Keniate Michael Kipyego (KEN) in
2.07.37 h, bei den Frauen gewann Atsede
Habtamu (ETH) in 2.25.28 h, Haile belegte immerhin
Platz 4. Aber eigentlich waren wir doch alle Sieger!
6.
Tag (27.02.12): Jetzt können wir uns zurücklehnen.
Locker checken wir aus dem Hotel aus und verlassen die Millionenmetropole
Tokyo. Irgendwann sind wir auch schon an einer Autobahnraststätte
und sehen dann von weitem den "Fujiyama"
oder besser "Fujisan". Wir hatten so ein Glück,
das Wetter war herrlich und so konnten wir tolle Fotos von diesem
Vulkan mit seinen 3.776,24 m Höhe und damit höchsten
Berg Japans machen. Es folgte die Besichtigung der Osinohakkai
Seen und eine traumhafte Schifffahrt auf dem Ashi-See. Mit der
Seilbahn fuhren wir zu den Schwefelquellen im Odakuwani-Tal. Es
war schon ziemlich mystisch dort. Überall dampfte und zischte
es.
Und dann
die vielen Japaner. Alle aßen sie wie verrückt die
in den Schwefelwassern gekochten Eier. Man glaubt, wenn man ein
hier gekochtes Ei isst, verjüngt es Dich um 7 Jahre.
Nach
15 Minuten hab ich einige der vorher beobachteten Menschen gar
nicht mehr erkannt...Und jetzt hatten wir es geschafft. Wir waren
angekommen in Hakone und bezogen das Gasthaus Nanpuso, ein "Ryokan",
ein traditionell eingerichtetes japanisches Hotel. Nach Entledigung
der Sachen und dem Überstreifen unserer Kimonos (Foto
oben
) tauchten wir in eine andere Welt. Wir wurden in die
japanische Badekultur eingewiesen, aalten uns in den Bädern,
ehe wir abends dann traditionell japanisch einem Kaiseki-Menü
frönten. Nie in meinem Leben hab ich an diesem wie an dem
folgenden Abend so lecker in allen Variationen zubereitet rohen
Fisch essen können, es war einfach unbeschreiblich und einmalig!
7.
Tag (28.02.12): Heute wollte ich nur Ausspannen und
mich erholen. Ich
betrachte unser japanisches Zimmer. Die Böden sind mit Tatami-Matten
ausgelegt, die Schiebetüren (Shoji) mit Washi bespannt. Ein
etwa 30 cm hoher Tisch, auf dem zum Empfang grüner Tee und
für die Region typisches Gebäck oder eine entspre-chende
Süßigkeit bereitstehen, steht in der Mitte. Während
unseres Abendessens wird der Tisch von Bediensteten in einen Nebenraum
gestellt und die Futons auf den Tatami-Matten als Nachtlager ausgebreitet.
Am Morgen werden sie wieder entfernt. Ich wollte heut wieder den
Kimono tragen und heißes Quellenbaden genießen!
Andere unserer
Reisetruppe waren mit Christian unterwegs zur Besichtigung der
Burg Odawara oder im Hakone Kunstmuseum (Picasso-Ausstellung).
Abends wie erwähnt folgte wieder dieses Kaiseki-Menü...oh
mein Gott, so was herrliches ...und wir hatten so viel Spaß
dabei!
8.
Tag (29.02.12): Es war wahr, wir schauten über
unsere Veranda und was sehen wir: Schnee, Schnee in Hakone (Foto
oben)! Selbst für Christian, der nun schon oft in Japan war,
ein seltener Anblick. Aber egal, es war leider unser letzter Tag.
Wir mussten uns dann in Odawara von Christian und 4 weiteren "Crew"-Mitgliedern
trennen. Ihre Reise ging weiter nach Kyoto, während wir Sieben
mit dem Shinkansen-Schnellzug zurück nach Tokyo brausten.
Den Abend beschlossen Micha und ich dann im Lichtermeer der japanischen
Hauptstadt mitten im Gewühl zwischen wieder all den lebenslustigen
Japaner. Sie sind EIN JAHR DANACH wieder guten Mutes (Foto),
und ich durfte unter Ihnen weilen.
Es
gibt fast keinen Marathon auf der Welt, wo alles so perfekt klappt
wie in Tokyo. Und dazu noch ein Sportreisebüro
"Ali Schneider"
mit Christian Klingmann als unverwüstlich lebenslustigen
Reiseleiter (https://www.as-marathonreisen.de).
Ihn habe ich gern in die Garde der Dresdner Trolle als EHRENTROLL
aufgenommen, da wir mit ihm eine so tolle Reise erleben durften!
Iloilo
aligatoh gozaimaschta! - Vielen Dank für alles!
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