"Der best organisierte Marathon auf dieser Erdkugel "

6. Tokyo Marathon
26.02.2012


Bericht von Peter Maier


 

Ja, es war ein Blitzgedanke! Ich will in Tokyo meinen 100. Marathon laufen! Von allen Seiten erntete ich Kopfschütteln: "Dort ist doch alles verstrahlt". Diesen und ähnliche unwissende Sprüche musste ich mir anhören... Von Christian Klingmann, Reiseleiter von "Ali Schneider Marathon-reisen", bekam ich "grünes Licht". Christian war vor Ort gewesen und bestätigte meine Prognose von der absoluten Unbedenklichkeit zur Reise nach Tokyo! Nun war ich nicht mehr zu halten und mein Freund Micha war wieder mein Begleiter.

1. Tag (22.02.12): Mit Grauen denke ich an diesen Flug zurück, denn ich hatte mir direkt vor der Abreise irgend so eine verfluchte Grippe eingezogen. Jetzt krümmte ich mich auf meinem Sitzplatz vor Unwohlsein und lauter Elend. Erstmals in einem A 380 wollte ich mich von den Stewardessen verwöhnen lassen, weit gefehlt! Da halfen kein Whisky und auch keine Tabletten.


2. Tag (23.02.12): Wir kamen heil auf dem Flughafen von Tokyo-Nariata. an. Ich weiß nur, dass ich in unserem Hotel Citadines Shinjuku glücklicherweise in das Zimmer von Christian durfte und sofort schwitzend im Bett lag, Tabletten nehmend, schwitzend und frierend… Die anderen unserer Truppe durften sich die Startunterlagen im Messe-gelände des Tokyo Big Sight abholen, erreichend mit der Tokyoter U-Bahn und unter Anleitung von Christian kein großes Problem. Abends gingen die Jungs und Mädels dann gut und lecker japanisch Essen, während ich "feucht fröhlich" weiter meine Arznei nahm.

3. Tag (24.02.12): Oh ja, heute waren die Highlights von Tokyo dran. Unser japanischer Reiseführer Naomi Kamei führte uns zuerst auf den Tokyo Tower mit seiner herrlichen Aussicht über Tokyo (Foto oben). Es folgte der Meijischrein (Shintoismus), der 1920 zu Ehren des 1912 verstorbenen Kaisers Meiji und seiner Frau, Kaiserin Shoken, errichtet wurde. Ich war froh, mich immer wieder im Bus ausruhen zu können. Herr Kamei zeigte uns den Kaiser-palastvorgarten, hinein durften wir natürlich nicht. Wir besuchten die Nakamisegasse bis hin zum Asakusa-Sensouji Tempel (Foto), Tokyos ältesten und bedeutendsten Tempels (Buddhismus). Unmengen von einheimischen und ausländischen Leuten waren hier bei sonnigem Wetter unterwegs.


Natürlich durfte ein Bummel in der Ginza (Foto), dem Hauptgeschäfts- und Vergnügungs-viertel mit einer Vielzahl von Restaurants, Theatern, Kaufhäusern, Ausstellungs-räumen, Kunstgalerien, Nachtclubs und Hotels nicht fehlen.
Zu "empfehlen" wäre ein Stück Wagy?-Rind, das teuerste und exklusivste Rindvieh der Welt, 100 Gramm kosten 50 €...Danach nahm mich Christian mit zur Marathonmesse. Herrlich anzuschauen die Fahrt über die Rainbow Bridge, der Hängebrücke über den Hafen im nördlichen Teil der Bucht von Tokyo. Auf der Marathon-messe war Lautstärke, Farbenvielfalt und freudige Menschenmassen nicht zu überbieten. Ich hatte herrliche Fotomotive... (Foto) und bekam problemlos meine Marathonstart-unterlagen.


4. Tag (25.02.12): Absolutes Mistwetter! Es goss in Strömen und war kalt. Ich dachte, die armen "Hunde", die jetzt den organisierten Freundschafts-lauf mitmachen. Aber laut den Fotos hatte sie doch Spaß dabei (Foto)! Wir fuhren mit der Metro nach Takinogawa zur Erdbeben-station. Dort wurden uns augenscheinlich und sehr beeindruckend die Gefähr-lichkeit der Erdbeben und deren Auswirkungen gezeigt! Ich war froh, dass es solche Urgewalten nicht in unserer Heimat gibt. Nach zwischen-zeitlichen Metrofahrten machten wir von Asakusa aus eine Wassertaxifahrt bis hin zu den Hamarikyu-Gärten. Wie wunderschön muss es hier sein, wenn alles im Frühjahr blüht... Eine kleine Pasta-Bierparty rundete den Abend ab.

5. Tag (26.02.12): (100. Marathon/Ultra!) Zugegeben, mir war sehr mulmig, als ich mit Micha zum Frühstück ging. Eine Gratwanderung...fit war ich noch nicht, aber ich will diese Ding heute durchstehen! Ich muss ruhig und langsam laufen. Den Körper darf ich nicht strapa-zieren, wenn man das beim Marathon sagen kann. Mit der Metro fahren wir, angeführt von Christan, den ich für mich spontan zum "EHRENTROLL" ernenne, bis nahe an den Start am Tokyoter Rathaus neben dem Shinjuki Central Park. Christian entlässt uns zwischen den immer enger werdenden heran strömenden Läufermassen mit den Worten: "Jetzt kann euch nichts mehr passieren". Spätestens nun merke ich, dass die Japaner einiges mit uns gemein haben, sie sind zuverlässig, pünktlich, akkurat, begeisterungsfähig (Foto) ...und ich werde in den nächsten Stunden den für mich bisher best organisierten Marathon auf dieser Erdkugel erleben!


Es sind sicherlich über 35.000 Läufer (weit über 300.000 Läufer wollten eine Startplatz), die ihre Kleiderbeutel abgeben und noch einmal auf Toilette müssen.

Alle strömen zu den Startblöcken. Alles aber kein Problem, denn einer der vielen Tausenden Helfer wird uns schon helfen. Micha hat den Startblock hinter mir. Wir verabreden wir uns, dass wir uns ganz rechts aufstellen und so finden wir uns auch ohne Probleme. Es ist ca. 8 Grad warm, wolkig, kein Regen, als um 9.10 Uhr der Startschuss fällt (Foto oben). Micha hatte sehr wenig trainiert, ich hatte noch leichtes Unwohlsein und so wollten wir nur um die 4 Stunden laufen oder aber besser einfach durchkommen. Wie ein Lindwurm zog sich der Läuferpulk durch die Metropole Tokyo, angefeuert durch die vielen Tausenden Zuschauer.

Locker laufen wir bis km 9, lassen rechts das Areal des Kaiserpalastes liegen. Wir laufen am Hibiya-Park, dem Ziel des 10 km Laufes vorbei. Ich fühle mich wohl, Micha ist immer bei mir. Bei km 10,5 geht es auf die Südschleife, die bei km 15,5 wieder zurückgelaufen wird. Und da ist es auch schon passiert...plötzlich auf der anderen Straßen-seite kommt das Polizeiauto entgegen und dahinter, in der Spitzengruppe laufend, Haile Gebrselassie. Ich kann es nicht glauben! Wie lange hab ich auf diesen Augenblick gewartet, hab mir ausgerechnet, dass er, der große Haile Gebrselassie, dieses Laufwunder, bei ca. km 11, was bei ihm km 20 ist, vorbeibrausen würde. Und jetzt hab ich versagt, mein Fotoapparat war nicht "schussbereit", unendliche Schmach befällt mich!

Traurig trotte ich am Tokyo Tower vorbei, aber zum Glück pulverte mich eine tanzende Girlgruppe wieder hoch! Jetzt ist Wendepunkt bei 15,5 km, nun können wir die Läufer sehen, die hinter uns sind. Jede ca. 3 km sind Verpflegungspunkte mit Hunderten Helfern. Kilometer 20 durchlaufen wir in 1.55.37 h, der Halbmarathon ist im Geschäftsviertel Ginza.

Weiter laufen wir Richtung Norden. Plötzlich spricht uns eine Frau an: "Oh, toll", sagt sie, "hier wird deutsch geredet" und sie erzählt uns, dass sie Deutsche ist, jedoch in Tokyo wohnt und hier auch jedes Jahr bisher mitgelaufen ist.

"Vor zwei Jahren" sagt sie "war hier Schneeregen, schreckliches Wetter". "Heute habe wir Glück" sag ich, "auch gestern wäre es rein Böse vom Wetter her gewesen!" Hoffentlich verlegen sie den Marathon bald in die Kirschblütenzeit, denk ich mir, das wäre wunderbar für die Läufer, die in den nächsten Jahren hier laufen werden.Bei dieser enormen Teilnehmerzahl läuft ein Läufer neben dem anderen, alle sind gut gelaunt und uns umsäumen so viele Zuschauer. Was für ein Unterschied zu Marathons wie in Cancun, Algier oder Minsk. Hier sind weit über eine Million Zuschauern, dort leider nicht mal ein Dutzend. Jetzt mach ich einen Joke mit einer Helferin und da entfleucht mir Micha, so ein Mist, er ist weg. Keine Chance, bei diesem "Gewühl" ihn wiederzufinden.

Ich checke die Zeit, es sind genau 30 km gelaufen (2.54.13 h), kann ich die 4 Stunden noch knacken?Ich steigere das Tempo, laufe die nächsten 5 km in 27,35 min und rechne hoch...nein, keine Chance. Mensch Alter, denk ich, vor 3 Tagen lagst Du noch im Bett...Gesundheit geht vor! Also Tempo raus und wieder nach die Mädels geguckt (Fotos links und unten )! Ich erfreue mich an der Strecke an den Zuschauer. Da, diese Kindergruppe, so niedlich! Es ist herrlich! Ganz leichte wellige Abschnitte folgen auf der immer asphaltierten Strecke. Mit einer hübschen Japanerin, deren lockeres Tempo ich angenommen habe, "verbringe" ich die letzten Kilometer (Foto ganz oben). Mache mein Foto bei km 40, laufe wieder auf die Kleine (na ja, die Mädels hier sind alle eine Kopf kleiner) auf.

Sie ist auch glücklich, so wie ich. Wir spüren die Freude, die hier alle haben. Jetzt kommt auch noch die Sonne raus und wir laufen gemeinsam ins Ziel am Tokyo Big Sight ein, es ist so ein traumhaftes Gefühl. Schnell ist der gereichte Beutel voll mit bereitstehenden Leckereien. Oh ja, natürlich, die Medaille, die darf nicht fehlen! Stolz empfange ich sie. Ich hab es geschafft. In 4.08.28 laufe ich meinen 100. Marathon zu Ende. Was die Zukunft bringt, weiß ich noch nicht. Aber dieses Hobby, was mein Leben mit geprägt hat, möchte ich nicht missen. Micha treffe ich schon beim Umziehen, er ist kurz hinter mir ins Ziel reingekommen, wie es auch alle anderen Läufer unserer 12 köpfigen der Reisegruppe, insgesamt 9 Läufer, geschafft haben. Sieger der über 35.000 Läufer wurde der Keniate Michael Kipyego (KEN) in 2.07.37 h, bei den Frauen gewann Atsede Habtamu (ETH) in 2.25.28 h, Haile belegte immerhin Platz 4. Aber eigentlich waren wir doch alle Sieger!



6. Tag (27.02.12):
Jetzt können wir uns zurücklehnen. Locker checken wir aus dem Hotel aus und verlassen die Millionenmetropole Tokyo. Irgendwann sind wir auch schon an einer Autobahnraststätte und sehen dann von weitem den "Fujiyama" oder besser "Fujisan". Wir hatten so ein Glück, das Wetter war herrlich und so konnten wir tolle Fotos von diesem Vulkan mit seinen 3.776,24 m Höhe und damit höchsten Berg Japans machen. Es folgte die Besichtigung der Osinohakkai Seen und eine traumhafte Schifffahrt auf dem Ashi-See. Mit der Seilbahn fuhren wir zu den Schwefelquellen im Odakuwani-Tal. Es war schon ziemlich mystisch dort. Überall dampfte und zischte es.


Und dann die vielen Japaner. Alle aßen sie wie verrückt die in den Schwefelwassern gekochten Eier. Man glaubt, wenn man ein hier gekochtes Ei isst, verjüngt es Dich um 7 Jahre.

Nach 15 Minuten hab ich einige der vorher beobachteten Menschen gar nicht mehr erkannt...Und jetzt hatten wir es geschafft. Wir waren angekommen in Hakone und bezogen das Gasthaus Nanpuso, ein "Ryokan", ein traditionell eingerichtetes japanisches Hotel. Nach Entledigung der Sachen und dem Überstreifen unserer Kimonos (Foto oben ) tauchten wir in eine andere Welt. Wir wurden in die japanische Badekultur eingewiesen, aalten uns in den Bädern, ehe wir abends dann traditionell japanisch einem Kaiseki-Menü frönten. Nie in meinem Leben hab ich an diesem wie an dem folgenden Abend so lecker in allen Variationen zubereitet rohen Fisch essen können, es war einfach unbeschreiblich und einmalig!

7. Tag (28.02.12): Heute wollte ich nur Ausspannen und mich erholen. Ich
betrachte unser japanisches Zimmer. Die Böden sind mit Tatami-Matten ausgelegt, die Schiebetüren (Shoji) mit Washi bespannt. Ein etwa 30 cm hoher Tisch, auf dem zum Empfang grüner Tee und für die Region typisches Gebäck oder eine entspre-chende Süßigkeit bereitstehen, steht in der Mitte. Während unseres Abendessens wird der Tisch von Bediensteten in einen Nebenraum gestellt und die Futons auf den Tatami-Matten als Nachtlager ausgebreitet. Am Morgen werden sie wieder entfernt. Ich wollte heut wieder den Kimono tragen und heißes Quellenbaden genießen!

Andere unserer Reisetruppe waren mit Christian unterwegs zur Besichtigung der Burg Odawara oder im Hakone Kunstmuseum (Picasso-Ausstellung). Abends wie erwähnt folgte wieder dieses Kaiseki-Menü...oh mein Gott, so was herrliches ...und wir hatten so viel Spaß dabei!

8. Tag (29.02.12): Es war wahr, wir schauten über unsere Veranda und was sehen wir: Schnee, Schnee in Hakone (Foto oben)! Selbst für Christian, der nun schon oft in Japan war, ein seltener Anblick. Aber egal, es war leider unser letzter Tag. Wir mussten uns dann in Odawara von Christian und 4 weiteren "Crew"-Mitgliedern trennen. Ihre Reise ging weiter nach Kyoto, während wir Sieben mit dem Shinkansen-Schnellzug zurück nach Tokyo brausten. Den Abend beschlossen Micha und ich dann im Lichtermeer der japanischen Hauptstadt mitten im Gewühl zwischen wieder all den lebenslustigen Japaner. Sie sind EIN JAHR DANACH wieder guten Mutes (Foto), und ich durfte unter Ihnen weilen.

Es gibt fast keinen Marathon auf der Welt, wo alles so perfekt klappt wie in Tokyo. Und dazu noch ein Sportreisebüro "Ali Schneider" mit Christian Klingmann als unverwüstlich lebenslustigen Reiseleiter (https://www.as-marathonreisen.de). Ihn habe ich gern in die Garde der Dresdner Trolle als EHRENTROLL aufgenommen, da wir mit ihm eine so tolle Reise erleben durften!

Iloilo aligatoh gozaimaschta! - Vielen Dank für alles!

 

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