Augenblicklich
rechne ich mit einem Angriff der Apachen, aber es bleibt ruhig.
Kilometer 27,6. Ein Armeezelt markiert VP 3 (Foto),
doch meine Uhr schlägt Alarm: 6 Stunden und 45 Minuten sind
verbraucht! Schnell befüllen die sorgsamen Helfer meine Flaschen
und ich erklimme den nächsten Berg. Nanu, wieso lehne ich
denn plötzlich an einem Baum?
Verflixt,
die Oberschenkel streiken. Für ganze 30 Sekunden sehe ich
mir zu und werde wütend: ich muss weiter! Wie aus dem Nichts
überholen mich zwei Männer. Vermutlich bin ich der Einzige,
der ohne "Stöcke" unterwegs ist. Der aufmunternde
Gruß oder das Schulterklopfen sind nun Ritual; die beinharte
Strecke hat aus Konkurrenten längst Gefährten gemacht.
Kurz vor dem höchsten Punkt verneige ich mich innerlich vor
einem weiteren Duo - den wahren Helden der Gebirgskette. Die Beiden
überholen mich leichtfüßig und tragen grüne
Startnummern. Ein Indiz dafür, dass sie bereits um Mitternacht
in Andratx aufgebrochen sind, um mehr als hundert Kilometer zu
bezwingen.
Für
mich heute unvorstellbar! Weit im Tal unter mir springen Läufer
wie bunte Pinselstriche durch das Bild. Da geht es runter (Foto)?
Eine unwirkliche Steinwüste erwartet mich. Es scheint als
hätten tausende Kieslaster ihre grobe Ladung gleichmäßig
über den Hang verteilt.
Abwärts
stolpernd lerne ich eine neue Lektion: nicht allein die Höhenmeter,
sondern vor allem der Untergrund entscheidet über das Tempo
- und das Profil ist hier überwiegend gnadenlos! Endlich
erscheint VP4 in Lluc. Bei Kilometer 44,3 sammele ich mich ein
letztes Mal, um aus dem bedeutenden Wallfahrtsort weiterziehen
zu können. Unverhofft erklingen Stimmen hinter mir: Kiko
und Jaume sind wieder da. "Do you like running?" fragen
die Mallorquiner. "Why not!" antworte ich grinsend.
Genug gepilgert! Wir steigern die Geschwindigkeit und stürzen
wie ein Wasserfall die Serpentinen hinab. Schlagartig drückt
der Rucksack nicht mehr und die Schreie aus meinem linken Schuh
sind verstummt. Gemeinsam erreichen wir Pollença. Wie die
Mitglieder der spanischen Königsfamilie werden wir auf den
letzten Metern von der Polizei eskortiert und schreiten lächelnd
durch das Ziel (Foto).
Das
war´s! Bei unserem Abschied sehe ich Tränen in Kiko`s
Augen. Ja, wir haben es nach 13 Sunden
und 26 Minuten geschafft. Aber was für ein Gefühl
muss das erst nach 104,7 Kilometern sein? Und auf einmal bin ich
sicher: Mallorca, wir sehen uns wieder!
( Dieser
Bericht wurde vorab in "Running
- Das Laufmagazin" veröffentlicht)
>>
(fast)
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