"Ist der Lauf nicht dein Freund, dann ist er dein Lehrer! "

1. Zermatt Ultramarathon
9.07.2011

Bericht von Dr. Hans-Werner Rehers

Anfang 2011 lese Ich (im Foto links neben Mirko Leffler) in einer Lauf-zeitschrift, dass das Orgateam des Zermatt- Marathon anlässlich des zehnten Geburtstags neben dem normalen Marathon auch einen Ultra anbietet, Zieleinlauf soll wie beim Erstling auf 3089 HM am Gornergrat sein. Die 500 Startplätze sind rasch vergeben, in der Liste finde ich mit Manfred "Bleifrei" Blieffert einen weiteren Osnabrücker, den ich manchmal bei Trainingsläufen im Hörner Bruch treffe. Meine Frau und ich erreichen am 07.07.2011 erfreulicherweise staufrei am späten Nachmittag das "Rennbüro" in St. Niklaus (1085 m ü.M.), wo am Samstag um 8.25 Uhr gestartet werden soll.

Nach Erhalt der Startnummer und Besichtigung der Lokalitäten fahren wir weiter zum Hotel in Täsch, wo die Strasse endet und Urlauber per Shuttlezug nach Zermatt gebracht werden.Ich bin mir unsicher, in wie weit ich ohne Akklimatisation den Lauf wegstecke, und denke zum wiederholten Mal an den schlauen Spruch meines Trainers Hannes Staarmann, der da meint: Du läufst einfach, solange es geht, und dann gehst Du, bis es wieder läuft!

Das einzige Höhentraining besteht am Freitag in einer Wanderung mit meiner Frau auf der Originalstrecke nach Zermatt, wo ich zufällig Klaus Duwe, den Chef von www.marathon4you.de und seine Frau und das Ehepaar Wagner (www.laufreport.de) treffe. Am Lauftag fährt gegen 7:45 Uhr ein Zug von Zermatt nach St. Niklaus, der allerdings erst um 8.15 Uhr am Startort ankommt, so dass ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit richtig hetzen muss, um pünktlich zu sein. Durch Zufall entdecke ich Manfred, wir wünschen uns für die auf 45557 m verteilten 2458 HM alles Gute, und los geht´s. Im Gegensatz zu den Vorjahren herrschen angenehme Temperaturen, über Herbriggen (km 4,8, 1282m) und Randa (km 10,5, 1439m) führt die Strecke nach Täsch (km 15,8, 1450 m), wo meine Frau mit meinen Trailschuhen wartet, die ich gegen die Asphalttreter tausche.

Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Laufverrückte man mittlerweile kennt und auch schätzt. Nach Überqueren der Ziellinie klopft mir mein Freund Jürgen Kuhlmey vom 100MC auf die Schulter, um mir zu sagen, dass er diesen Lauf als Training für einen auf 2800 Hm stattfindenden Marathon in der Atacama nutzt. Mit einem "Wir sehen uns sicher wieder" verabschiedet er sich nach vorn.

Ich trabe langsam weiter und hole den www.alpenkiwi.de ein, den ich einmal beim Königsschlösser- Romantik- Marathon in Füssen kennen gelernt habe und der heute als Guide mit dem blinden Didi Beiderbeck aus Würzburg unterwegs ist. Didi möchte heute seinen 99. Ultra finishen und beim Swissalpine Ende Juli die 100 voll machen. Als besondere Attraktion gilt beim Zermatt- Marathon die "Fahrende Tribüne", ein Sonderzug, der

praktisch parallel zur Strecke die Läufer begleitet und die Route einmal kreuzt, leider ist gerade zu dem Zeitpunkt, als ich an den Übergang komme, die Schranke unten, wertvolle 30 Sekunden sind vertan ;-).Einen Kurzfilm mit u. a. dieser Szene und viele Fotos gibts auf www.zermattmarathon.ch zu sehen.

Kurz vor Täsch überholt mich Mirko Leffler, mit dem ich vor Jahren einmal über den Brocken gelaufen bin. Wir wechseln wir von Asphalt auf Trail-Untergrund, die Luft duftet nach Urlaub, die Verpflegung ca. alle fünf km ist einfach perfekt, Zermatt (km 20,5, 1604 HM) erscheint im Tal, und hier geht auch zuschauertechnisch gesehen richtig die Post ab. Wir laufen eine große Schleife um den Ort.

Endlich darf ich teilweise gehen, da zur Talstation Patrullarve (km 28,8) auf 4 km 400 HM und zur Sunnegga (km 32,5) noch einmal 250 HM auf uns warten. Leider hat meine Garmin keinen Satelliten gefunden, lediglich die Stoppuhr funktioniert und zeigt bei km 35 genau 5 Stunden an. Das Teilstück bis zur Riffelalp (km 39,7 2355 HM), wo die Marathon-strecke die Geleise der weltberühmten Gornergrat-bahn quert, die zwischen 1896 und 1898 von 2400 Arbeitern fertig gestellt wurde, entpuppt sich als ausgesprochen läuferfreundlich, obwohl auch hier Trittsicherheit gefragt ist. Doch jetzt beginnt die volle Härte. Praktisch auf der Direttissima gings nach oben, die Schritte wurden kleiner und schwerer, die Luft dünner, der Applaus der Supporter, unter ihnen viele Japaner, überlebenswichtig, allerdings wurde dumme Sprüche wie: "Gut seht ihr aus!" nicht mehr allzu ernst genommen. Erschwerend kam hinzu, dass der Wind stärker wurde und erste Regentropfen fielen.

Irgendwie nistet sich der Gedanke ein, beim Marathon auszusteigen. Am Abzweig zum Ultra treffe ich Jürgen wieder, auch meine Frau will dort sein und Fotos machen. Als ich Jürgen auf meinen eventuellen Ausstieg anspreche, reagiert er völlig verständnislos und hat zweifelsfrei recht mit der Bemerkung, dass ich die letzten drei km in den noch verbleibenden 2:30 Stunden sicher auch noch schaffe. Moni gibt ihr Placet, ich mache weiter. Leider wir das Wetter immer schlechter, der Regen wird zu Graupel, das Gelände weglos, die Mitläufer weniger, der Wind nimmt zu. Motivierend ist der Umstand, dass jetzt alle 500 m ausgeschildert sind, und ich registriere bei km 44, dass meine Laufzeit mittlerweile bei 7 Stunden liegt, mit anderen Worten, für die letzten neun km habe ich sage und schreibe zwei Stunden benötigt, und das Ziel ist noch nicht einmal zu sehen.

Rene Gnauert, Stefan Hantscher, Jürgen Liebergeld, Mirko Leffler (vlnr)

Jürgen läuft auf mich auf und passiert mich mit einem ehrlich gemeinten: Ich bin stolz auf Dich!, doch davon bin ich auch keinen Meter weiter! Die GGB rattert an uns vorbei, vom Winde verwehte Jubelfetzen der Passagiere dringen an meine Ohren, ich will endlich oben sein...!

Und dann hab ich´s geschafft! Vorbei an Altschneeresten versuche ich den steilen Zieleinlauf mit einem Lächeln zu absolvieren, ich bin nach 7:35:16 Stunden durch und erreiche das Hotel Gornergrat (km 45,557, 3098 HM), mein km- Schnitt liegt laut Ergebnisliste bei 9:59 min/km, so langsam war ich noch nie unterwegs, sei´s drum! Eingehüllt in eine Wärmefolie genieße ich eine heiße Bouillon und eine kalte Cola, Läuferherz, was willst Du mehr, erhalte eine Finishermedaille incl. Finisherküßchen, freue mich über das wirklich tolle Finishershirt und bin einfach nur froh, dieses Lauferlebnis mit einem Gedanken an einen Spruch vom Christian Hottas erfolgreich beendet zu haben, der da meint: Ist der Lauf nicht dein Freund, dann ist er dein Lehrer! Der Zermatt-Ultramarathon ist mein Freund!

 

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