Bhutan – The Last Secret
Anreise und Ankunft
in Bhutan
Meine Anreise erfolgt über Frankfurt nach Delhi mit Air India. Der Ruf dieser Fluggesellschaft ist nicht so gut. Letztens haben sich die beiden Piloten in der Business zum Schlafen hingelegt, als der Autopilot ausfiel die Tür zum Cockpit war verklemmt - Panik. Ich checke die Business, diese ist voll belegt, die Piloten müssen also im Cockpit bleiben. Mein Gepäck habe ich sicherheitshalber in zwei großen Taschen direkt bei mir. In Delhi im Transitbereich treffe ich die ersten gestrandeten Läufer, nach einigen Stunden erhalten wir unsere Bordkarte zum Weiterflug nach Paro. Es gibt nur eine Fluglinie, die Druk Air (Drachenlinie) nach Paro (2230 Hm=Höhenmeter), einziger Flughafen von Bhutan, das die Einheimischen Druk Yul (Land des Donnerdrachens, wegen der ständigen Stürme) nennen. Paro ist das einzige Tal des Königreiches, das international angeflogen werden kann – nur bei gutem Wetter und Taglicht. Einer der gefährlichsten Landeanflüge weltweit – in einer Schlangenlinie dem Verlauf der Täler folgend - wird die Landung vollendet. Wir stehen in Kathmandu auf dem Rollfeld und warten, das Wetter in Paro ist schlecht, starker Monsunregen. Wenn wir nicht bis 16:00 Uhr abheben, dann findet der Lauf ohne uns statt. Ein großer Teil der Läufer wartet schon seit gestern in Kathmandu, jetzt in einem Flugzeug neben uns auf dem Rollfeld auf einen möglichen Weiterflug, einige auch ohne Gepäck. Delhi als Umsteigepunkt ist berüchtigt, ein Bermuda-Dreieck für Gepäck in Asien. Kurz nach 16:00 Uhr Start nach Paro – ein Versuch – wir fliegen Kolonne und sind glücklicherweise nicht das erste Flugzeug was die Landung in Paro testen wird. Im Dämmerlicht fliegen wir durch das schmale Tal von Paro, noch ein scharfer Rechtsbogen, Getränke festhalten und es folgt eine wilde Landung auf der regennassen Landebahn.
Bhutan im Himalaja öffnet sich langsam. Seit 2008 ist es eine Demokratie nach britischem Parlamentsmodell mit einer rasant steigenden Bevölkerung (700.000), so groß wie die Schweiz, eingebettet zwischen Nepal, Tibet und Indien. Unser Beitrag begrenzt sich auf 250 $ Mindestausgaben pro Tag, die zur Erstellung des Visums an das Reisebüro überwiesen werden müssen. Unser lokales Reisebüro vertreten durch Tashi – bedeutet so viel wie von Herzen kommend – ist ein staatlicher Koordinator der von den täglich 250 $ ganze 68 $ an den Staat überweist und mit dem Rest den Trailausbau, die Helfer und die Träger finanziert und die Klöster, in denen wir übernachten werden, mit einer 5-monatigen Reisration versorgt.
„Do you have cigarette“ keine Bettelei: 200% Zoll zahlt man, wenn man „Yes“ sagt, Gefängnis droht für ein falsches „No“.
Schon am Flughafen fällt das traditionelle Nationalgewand auf, die Gho, ein knielanges längs gestreiftes Kleid mit aufgesetzten weißen Ärmeln. Die Frauen tragen die Kira.
Vom Flughafen Paro eine Stunde Busfahrt bis in die Hauptstadt Thimpu, die einzige Hauptstadt der Welt die keine Ampeln hat. Die Verkehrspolizei regelt den Verkehr vor einer drachenverzierten Verkehrsinsel. Auf der Ausfallstraße gilt in Bhutan eine aktuelle Höchstgeschwindigkeit von 50 Std./km.
Ankunft: Roadbook, Check der Pflichtausrüstung, das Begleitgepäck mit max. 8 kg für den Lauf und der ärztliche Begleitbericht. Wir werden in einer Höhe von 2000 – 3800 Hm laufen, im Dschungel, unwegsame und einsame Strecken.
Am Abend im Hotel - gibt es ein Bier in Bhutan? Ja, allerdings nur nach reichlicher Bemühung, denn es ist nicht leicht auffindbar. Aber die Hotelbar gibt heute alles. Man erhält ein Bier namens Druk 11.000. Klingt komisch, dem Getränk wird Alkohol zugesetzt mit 9,5 (%) Umdrehungen. Doch es gibt auch ein sehr gutes Bier, mit dem deutsch-englischen Label „Red Panda Weiß Bier“. Ein Traumgetränk, gemacht von Fritz Maurer aus Bern, der sich 1987 auf eine Stellenanzeige des Königs für den Aufbau einer Käserei in Bhutan beworben hatte. Allerdings gab es damals keine Milchinfrastruktur weswegen er mit der Bierbrauerei begann. 1.400 Flaschen zapft er nun wöchentlich per Hand im nahen Bumthang, das auch über das Frankfurter Nationalgetränk verfügt: Äppelwoi. Wenn sein würziger Schweizer Käse genau so gut ist wie das Bier können wir Frankfurter dort gut ins Exil gehen. Nationalsport ist allerdings nicht Fußball und die Eintracht, sondern das Bogenschießen. Eintracht in Buthan heißt: das Glück des Menschen ist nicht nur auf Wohlstand gebildet, sondern aus der Bewahrung von Tradition, Kultur, Umwelt und Freiheit. Laut Grundgesetz des Königreichs Bhutan ist die Regierung verpflichtet, das Bruttoglück des Volkes zu mehren. So instruiert, die letzte Nacht in einem weichen Bett, gespannt auf die nächsten Tage.
Einstimmung
Der nächste Morgen, Regen und dichter Nebel begrüßen uns. Unter Leitung von Stefan Betzelt bilden wir die die größte ausländische Gruppe , die je Bhutan bereist hat. 25 Läufer und 11 Läuferinnen aus 15 Ländern, 8 westliche Helfer und Ärzte und ca. 20 einheimische Helfer, Träger und Köche. Chuck Walker hat mit 2 einheimischen Helfern die Strecke vermessen und markiert. Er muß allerdings alle Markierungen die in Orange gehalten sind ersetzen, gegenwärtig sind Parlamentswahlen, die Opposition trägt Orange. Austausch in Rot und der ständige Kampf gegen kleine Souvenirjäger die im Land der flatternden Gebetsfahnen ihre Sammlungen vervollständigen. Heute Nacht zieht er wieder los um 200 km mit +10.000 Hm und -8.000 Hm mit Bändchen, Fähnchen und Farbe zu kennzeichnen. Chuck das Phantom der Nacht werden wir erst im Ziel kennen lernen.
Tagesfahrt über den Dochula Pass (3.100 hm), mit 108 buddistischen Bauwerken (Chorten entsprechend kleiner Kapellen) durch urtümliche Täler. Die Orte heißen Lumitsawa und Punakha. Schöne Häuser, deren Eingänge mit bunten, männlichen Teilen bemalt sind und von den Dächern hängen die Dinger aus Holz geschnitzt. Diese Teile, der Penis ist ein esoterisches Symbol, begründet aus dem Chimi Lhakhang Kloster. Sie sollen nach dem Glauben Dämonen und das Unglück vertreiben.
Punakha Dzong (1637), imposanteste Klosterfestung Bhutans und Hochzeitsort des amtierenden Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, der mit der Elvistolle, der bei einem Picknick die 17 jährige bildhübsche Pilotentochter Jetsun Pema kennen lernte. Der seltene rote Reis wird hier angebaut, die Jakaranda Bäume stehen mit ihren violetten Blüten in voller Pracht. Eine andere Vereinigung findet auch am Punakha Dzong statt, die des männlichen Flusses (weil wild) und des weiblichen (weil ruhig und sanft).
Zeltcamp in Sichtweite des Klosters Punakha Dzong. Einsam stehen 4 Klozelte um unser Lager am rauschenden Flussufer. „I learned to shit in a hole“ sagt Karl, der amerikanische Arzt. Tatsächlich läuft man am Anfang im Schutz der Dämmerung heimlich mit einer Packung Feuchttücher in Richtung der kleinen Zelte, deren Reißverschlüsse klemmen und lernt die freie Natur näher kennen.
Das Klima in Bhutan wird vom Monsun, der über die Niederungen des Ganges-Brammaputra-Tieflandes vordringt, bestimmt. Zurzeit 8-30°, Regen. Höchster Berg von Buthan ist der Gangkhar Puensum (7570 m), er gehört zu den vielen 7000ern, die noch nie von Menschen bestiegen wurden, weil Götter dort oben wohnen.
Jeden Abend wird es in Zukunft spätestens um 20:00 Uhr auf die Matte gehen, doch an Schlaf ist noch nicht zu denken. Es piekt und sticht an allen Stellen, so wie in Deutschland als wir noch Sommer hatten. Dazu soll sich gewaltiges Schnarchen aus allen Zelten einstellen.
Nervöses Frühstück 5:00 - 6:00 Uhr. Ja wir haben Luxus, Tische, Stühle, Frühstück, Mittagessen (von 13-18 Uhr), sofern man rechtzeitig das Etappenziel erreicht und Abendessen (18 Uhr). Zusätzlich pro Tag 4,5 Liter Mineralwasser und 0,5 Liter Cola.
Klingt einfach wird es aber nicht. Start im Kloster Punakha Dzong, der Gouverneur ist da und viele hundert begeisterte Schulkinder. Sie singen für uns die Nationalhymne. Eine wunderschöne melodische Hymne, deren Schall von den hohen Klostermauern verstärkt wird. Es läuft einem eiskalt den Rücken runter. Ein großartiger Lauf über viele Tage steht mir bevor, neue Freundschaften mit Einwohnern und Mitläufern und weit reichende Erkenntnisse, ein „Highlight“ an Erlebnissen warten auf mich.
Der Gouverneur steht neben dem Lama, der ewiglange Gebete murmelt. Wir wollen endlich los. Start. Die Kinder spurten über die Brücke, bilden eine Gasse, wir fühlen uns als Helden, noch nie hat das Land so etwas erlebt. Endlang des Flusses geht es gemütlich durch das liebliche Tal mit vielen Reisfeldern. Dann spektakulär über eine riesige schwankende Hängebrücke. In das Hochtal zum Kloster Choten Nyingpo hinauf.
In Bhutan ist der tibetische Buddhismus fest verankert. Er ist ein wesentlicher, liberaler Teil der Glücksfindung. Unser Lauf zum Kloster in brütender Hitze ist der Weg dazu. Immer wieder durch Ketten von Gebetsfähnchen (lang ta). Meistens sind zwölf Silben des Guru Padmasambhava und verschiedene Mantras aufgedruckt, je nach Wünschen des Patrons der Fähnchen. Dann gibt es Felder der Gebetsschwerter (Dhar Char=Lebensveränderung). Sie bestehen aus drei wichtigen Teilen. Das Schwert mit den aufgedruckten Mantras, das Rad, die Spitze und steht für die drei Götter der Weisheit, Strenge und Barmherzigkeit. Die letzen Meter, ich merke die Höhe, es weicht alle Kraft aus mir, ich schleppe mich mit den ersten Regentropfen mühsam ins Ziel.
5:36 Std., nicht gut,
aber ich bin zufrieden.
Ein Zeltcamp im Innenhof des Klosters. Wir sind die ersten Touristen, denen diese Ehre zuteil wird. Ein Wasserhahn und ein Klo für alle. Die meditative Zeremonie im Kreis der Mönche darf nicht fotografiert werden.
Dabei ist es lustig wie die kleinen Mönche und einige von uns bei den monotonen Gesängen, dem tiefen Brummen der Hörner und dem gleichmäßigen Tönen der Trommeln, müde in sich zusammensacken und einschlafen. Der Lama betet für einen gesunden Lauf und gutes Wetter. Gefaltete Hände vor das Gesicht, dann eine tiefe Verbeugung bis die Stirn den Holzboden berührt, dreimal. Räucherstäbchen in den Händen. Ein für uns mysteriöses Ritual. Opfergaben: Getränke, Süßigkeiten und bunte Sachen in großen Körben vor dem Altar- Haltbar weniger Nachhaltig. Mit gemischten Gefühlen gehen wir dann in unsere Zelte, der Regen prasselt auf die Zeltplanen, begleitet durch die monotonen Zwiegespräche der Mönche die uns in einen unruhigen Schlaf wiegen.
Die schwierigste Strecke des Laufs. Im Regen geht es die ersten Kilometer bergauf, bergab durch die Reisfelder, ein Fehltritt und man steht im tiefen Wasser des Feldes. Und ein Fehltritt ist bei dem schlammigen Untergrund schnell passiert. Irgendwann ist es egal ob man im Schlamm oder in einem Haufen Kuhscheiße versinkt, farblich nähern wir uns den Schweinen an. Immer wieder kommen wir an kleinen Häuschen vorbei, darin von Wasserkraft betriebene Gebetsmühlen.
Bei Kilometer 7, 1.700 Hm Anstieg liegen vor uns, überhole ich Holger. Ihm geht es schlecht, er ist schwer gestürzt. Ungeordnete Ausrüstung, Cola in der Hand geht er durch den nebelverhangenen Dschungel steil aufwärts. Am Check Point 1 hunderte von Bienen die sich auf einem niederlassen. Brauchen wohl Salz und nicht Blütenstaub. Wieder dem Gebirgsbach entlang im Schlamm Blutegel. Ich bin eingeschmiert mit einer Mischung aus Salz und Tabak. Glück gehabt, ich bleibe verschont. Gelernt habe ich abends, als ich meine Strümpfe auszog, der Blutegel kommt zwar durch den Kompressionsstrumpf aber Blut saugen klappt nicht. Zermalmt liegen Sie zwischen den Zehen.
Die letzen Meter zum Pass werden zäh, die mangelnde Höhenanpassung in 3.540 m Höhe, raubt einem die letzen Kräfte, Stehversuche, der Magen rebelliert. Schnell geht es von der ungemütlichen Passhöhe abwärts. Ständige Stolpergefahr durch Wurzeln, Moos überzogene Steine gepaart mit einem rutschigen Untergrund. Diese Talseite ist eher trocken, die Wege werden besser, nach einer Runde durch das Dorf erreiche ich das Ziel.
9:09 Std., das war
ein verdammt harter Lauf.
Im Ziel stehen mit warmem Wasser gefüllte Bottiche zur Verfügung, unter dem Schlamm entdecken wir unsere Turnschuhe und packen unsere malträtierten Füße aus. Die zwei Ärzte verbrauchen sämtliche Druckverbände, um die schmerzlosen Blutegelwunden zu schließen. Alle sind gut gelaunt, verdammt schönes Land.
Übernachtung auf 2.500 m Höhe in einem Farmhaus, angenehme Kiefernadeln auf einem Lehmfußboden. Wie immer ein Klo und ein Wasserhahn. Gepennt haben wir alle in einem Raum, nur Giampietro, unser Oberschnarcher, wurde ausquartiert. Die EDV-Abteilung funktioniert.
Frühstück, Holger kreidebleich, starrt vor sich hin. Es gibt nur Cornflakes. Überall aufgelöste Füße und nässende Blutegelwunden. Hinein in die feuchten, stickenden Sportklamotten und die Kilo schweren, weil nassen, Sportschuhe angezogen. Selbst der massive Einsatz von Deo hilft nicht mehr.
Gemütlich geht es auf einem relativ einfachen Untergrund die ersten 14 Kilometer entlang. In einer Ortschaft verlaufe ich mich total, also konsequent zurück und den richtigen Weg finden. Vorbei an einem Golfplatz (9 Löcher) und vielen Hunden geht es durch die Felder. Brigid wird von einem Hund gebissen, Cynthia gibt auf.
Der Schlussanstieg auf 3.600 Hm zum Kloster Phajoding Dzong hat es in sich, stellenweise ultrabrutal steil am Anfang kurz in der Sonne, Jungkeun liegt am Wegesrand, Dongchae folgt kurz darauf. Es wird wieder schlammig, durch die Nebelschwaden ist das Kloster nicht zu erkennen. Vor wenigen Wochen lagt hier noch Schnee. Mit letzter Kraft erreiche ich das Kloster. Maria Theresa aus den Philippinen kommt als letzte 3:17 Std. nach mir ins Ziel.
7:36 Std., es ist
schweinekalt.
Das Gepäck ist noch nicht da, ich versuche mich aufzuwärmen. Dann mit eiskaltem Wasser den Körper abgespült, neue Kleidung, jetzt steht für die Mönche der Höhepunkt des Jahres bevor.
Seit Monaten hn die Mönche trainiert, den Fußballplatz eingeebnet und neue Tore erbaut. Die zwei Fußbälle, die Stefan im April gespendet hatte, haben längst Ihren Weg 3.000 Meter tiefer ins Tal gefunden.
Unheimlich scharf sind die Mönche auf die erste internationale Begegnung von Fußballspielern in Bhutan. Der Lama selbst macht den Schiedsrichter, unsere orangefarbenen Fähnchen dienen als Verwarn- bzw. Verweiskarten. Im Vorfeld lange Diskussionen in den Teams, weil starke Aufgeregtheit in beiden Lagern. Sind Läufer gute Fußballer? Werden wir genug Luft auf 3.600 m Höhe haben? Es ist ein Heidenspaß, nein, ein Heiligenspaß. Die Eckbälle werden von weit oben am Hang gespielt, manchmal dauert es lange, bis der Ball wieder aus dem Tal geholt ist. Es sind Begegnungen und Ereignisse, die ein Pauschaltourist nie haben wird. Es ist das persönliche Engagement von Stefan, der im Vorfeld das Beisammensein mit Einheimischen, Regierungsmitgliedern, Mönchen und Lamas organisiert hat. Unvergessliche Momente. Ein neuer Trikotsatz wird den Mönchen überreicht. Eigentlich wollen wir die heiligen Männer gewinnen lassen, doch unsere Spanier sind Weltklasse und ehrgeizig. 2:0 für die Läufer. Chris erwischt es in der Drehung zum Torschuss. Muskelfaserriss. Er wird auf die Wiese getragen, schnell sind die Ärzte bei ihm. Eiskompressen, Ibuprofen und betende Mönche, Chris kämpft mit den Tränen. Thomas unser Torwart wird von einem Gewaltschuss umgemäht und fällt wie ein Blitz in sich zusammen. Bald ist er aber wieder ansprechbar.
Dann beziehen wir die engen Zimmer der Mönche. Jetzt liegen wir wie die Sardinen in den engen Klausen der Mönche, die mit Heiligenbilder, Fußballstars und Stars der Bollywood-Schönheiten beklebt sind. Pressspahnplatten dichten feuchte Stellen des uralten Holzgebäudes ab.
„No Sex, no Smoking please“ sagt der Lama, als wir die Zimmer beziehen. Ein deutsches Zimmer, Joe, Holger und ich. Edda ist bei unseren Partymädels nicht erwünscht, das Gepäck unserer Partymädels ist schon ausgepackt und damit die Bodenfläche belegt, so darf Sie bei uns einziehen. Vor der Veranda sondern unsere vollgeschweißten Klamotten ihren marathonalen Gestank ab.
Regen. Die Hälfe der Truppe hat „Höhenscheißerei“, was immer das für ein Krankheitsbild sein soll. Hier werden eher die Kombination aus Kälte, Anstrengung und mangelnder Erholungsphasen sichtbar. Der höchste Punkt dieser Strecke mit 3.740 Hm ist zu überwinden.
Dann steil abwärts der nächste Pass wartet und viele Kilometer bergab nach Paro unserem Tagesziel. Jacob macht heute am letzten Berg DNF.
Nach vier Kilometern liegen zwei Baumstämme über einem reißenden Gebirgsbach. Kurzes Nachdenken, der dicke Joe ist auch schon drüber. Falsch gedacht, der Balken bricht, ich falle in den Bach, über eine Felsrutsche versinke ich in einem Becken, verliere die Mütze. Leichte Panik, geschockt finde ich einen Ausweg aus diesem Gebirgsbach. Klatschnass, also Bewegung. Weiter geht die Hatz bergab, das Adrenalin lässt langsam nach der Schmerz kommt.
Für die nachfolgenden Läufer wird eine neue Brücke gebaut. Lange geht es durch ein Flusstal und Bäche, egal - ich bin schon nass. Kleine Käfer flitzen unter die Steine, es sind „stink bugs“, Stinkwanzen. Die Stinkdrüsen der Krabbler entfalten bei Röstung ein interessantes Aroma, gelten als Delikatesse.
Der lange Anstieg auf den zweiten Pass zieht sich, Edda holt mich ein. Beeindruckend der Pass. Viele Chorten (Stupa mit Reliquen), immer links herum und ein uralter aus Lehm erbauter Dzong auf dem Gipfel. Bergabwärts setze ich mich nochmals im unwegsamen Gelände ab, kurz vor Paro überholt mich Edda, ich lasse sie ziehen, am Fluß über eine letzte Hängebrücke geht es zu unserem Tagesziel, einem alten bhutanesischen Haus.
8:58 Std., die großen
Berge sind geschafft .
Übernachtung im bhutanesischen Haus. Einige der Läufer liegen in Betonbottichen, die mit heißen Steinen erwärmt werden. Joe ist in die Bar gegenüber verschwunden. Lautes Gegröhle lockt uns an.
Dort sitzt Joe mit den Alten, die 11.000 Umdrehungen wirken und sie kauen Betelnuss (Doma), die Volksdroge der Armen, die macht nicht nur rote Zähne. Ein Blatt der Betelnuss wird mit Kalk bestrichen, ätzt die Mundschleimhaut auf, damit die Droge aufgenommen werden kann. Auf dem Blatt mit dem Kalk kommt ein Stück Betelnuss, alles zusammen wird in der Backentasche gelagert. Unsere Träger kommen, der kleine Tashi studiert in Indien, verdient hier 9 $ pro Tag und träumt wie so viele von der großen weiten Welt. Randall, unser Mitläufer, ist Vermittler zwischen Investoren und der Regierung von Bhutan. Seine Schwester ist mit dem Außenminister verheiratet und erhielt als erste Ausländerin die bhutanesische Staatsangehörigkeit. Dann sind alle da. Salva, Manu, Raj, Sophie, viele andere und die koreanischen Läufer im verrauchten Hinterzimmer. Eine Lounde mit Druk 11.000, für mich ein Mango Juice.
Zum Abendessen gibt es frischen Fisch, heute ein wirklich gutes Abendessen. Maria Theresia kommt heute erst, an als wir alle im Bett liegen.
Start 6:00 Uhr, es wird ein langer Tag. Die Distanz ist länger als ein Marathon, wenn ich das Ziel erreiche, habe ich in einem weiteren Land einen Marathon beendet.
Der Tag beginnt schräg, die Kochcrew hat verpennt, die Klamotten stinken wie das Fell eines toten Tieres, alles feucht.
Um 6:00 Uhr ist Start, sehr gemächliches Antraben nach dem Start. Über Kiesstraßen geht es zum Talschluß, dann wieder zurück auf der anderen Talseite. Plötzlich Hektik. Die Spitze überholt uns, die später gestartet ist. Eine wilde Hetzjagd durch die Reisfelder, verirren inklusive. Dann ist die Spitze endlich durch, es wird deutlich ruhiger. Rinpung (Paro) Dzong wird passiert es geht zum Flughafen. Durchquerung unter einem Stacheldrahtzaun. Rucksack aus, robben auf dem Rücken. Unterhalb des mächtigen Rinpung Dzong hat die Regierung Strohhütten gebaut. Slumbewohner werden umgesiedelt, jetzt ohne Stacheldraht aber fließend Wasser aus dem Gemeinschaftsbrunnen, neben der Müllverbrennung. Der Müll, aus dem Klohaus dringt bestialischer Gestank, er läst mich würgen. Der Flughafen von Paro ist in Sichtweise. Vom Weg an der Landebahn kann man herrlich die Flugkünste der Druk-Air-Piloten beobachten. Die Straße am Ende der Landebahn wird bei Landungen gesperrt. Eine Kneipe reiht sich an die nächste. Man nennt sie Cum-Bar. Man trinkt in Bhutan hauptsächlich Whiskey und Gin. Die Hälfte der Strecke ist geschafft, als ein stechender Schmerz an meinem rechten Fuß auftritt, Blasen an der Kleinzehe und dem Ballen melden sich. Am nächsten Check Point will ich mich vom Doktor behandeln lassen. Ist aber keiner da, der Schmerz geht, es geht immer weiter. Das Mineralwasser kann ich langsam nicht mehr sehen, es bietet sich eine Kaufmöglichkeit an. 970 ml Mangojuice, quietschsüß. Ein Genuss.
Auf staubigen Straßen, entlang des Thimpu Chhu, geht es weiter. Indische Gastarbeiter hocken am Straßenrand. Es sind Familien Kleinkindern, jede hat 10, 20 Meter zugewiesen bekommen. Nun wohnen sie auf diesen paar Metern unter Plastiktüten und klopfen mit der Hand wochenlang die Steine, sortieren nach Größe und Aussehen. Es erfolgt kein Gegengruß aus den teilnahmslosen Gesichtern, die kein Englisch sprechen. Zielankunft, um den Berg im Uhrzeigersinn, dann hinauf in das Drukval Dzong. Die Beine und die Füße brennen. Tief unten sehe ich unser Zeltlager für die Nacht.
9:38 Std., Endlich
Füße kühlen. Der Ultra ist vollbracht.
Etwas Wasser über den geschundenen Körper gießen, die meisten haben massive Probleme mit ihren Füßen. Eddas Gepäck ist weg mit ihrem Geld und den vielen Bildern. Sie heult wie ein Schoßhund. Auch den Südkoreanern geht es nicht gut. Die bandagierten Beine von Jungkeun werden von Fliegen belagert. Jetzt hilft nur noch Druk 11.000, das Gepäck von Edda taucht wieder auf, es liegt anonym bei Chris im Zelt. Die vielen Eindrücke, die Anstrengungen und das Durcheinander im Hirn sind zuviel, es ist ruhig im Lager, auch das Liegen schmerzt.
Lange bevor die ersten Läufer um 5:00 Uhr starten, werde ich durch das lang gezogene „Ziiip Ziiip“ geweckt. Ich stehe auf, innerhalb kürzester Zeit habe ich unzählige Mückenstiche, eine Kratzorgie beginnt. Das Frühstück fällt nahezu aus. Stefan drängt zur Eile „Briefing“ oben am Berg beim Dzong.
Es beginnt ein wunderschöner Tag mit einer überwältigenden Laufstrecke hoch über dem Flusstal welches mit seinen Felsen und verknorrten Eichenbäumen an das Rheintal erinnert. Mal laufen wir über schmale Mauern der Reisterrassen, mal durch schnuckelige Dörfer, mal an lang gestreckten Kanälen lang, wo du dich entscheiden musst, ob du rechts 100 Meter tief, oder links in die nasse Strömung fallen willst.
Der Aufstieg zum Taktsang Dzong (3.100 Hm) dem Nationalsymbol und schönsten Kloster Bhutans, dem Tigernest, ist ein heiliger Pilgerpfad. Jeder schwere Schritt den steilen Weg hinauf ist eine Belastung für den Körper, aber eine Wohltat für die Seele. Immer mehr bunte Fähnchen überspannen den Himmel, bis endlich das sagenhafte Klostergebilde, was wie ein Schwalbennest in den Felsen klebt, auftaucht.
Nach all den Anstrengungen und Strapazen ist der Zieleinlauf der Schönste meines Lebens.
3:48 Std., 44:47 Std.
insgesamt.
Schuhe aus, rein ins Kloster. Ein Polizist kassiert den Fotoapparat, ich bin nicht der einzige, der Räucherstäbchen, Butterlampen und Geld in den Altarräumen lässt. Das Taktsang Palphug Kloster wurde 1692 erbaut, wo der Legende nach der Guru Padmasambhava im 8. Jahrhundert für mehrere Jahre in einer Höhle meditierte. Vor den vielen Buddastatuen, Dämonen und Fratzen in den kleinen, zahllosen Räumen darf jeder von uns denken und beten was er will. Es gibt für jedes Problem einen eigenen Altar. Im zweiten heiligen Gebetsraum wartet der Gott des langen Lebens, ein Schluck Rosenwasser, die restlichen Tropfen über das Haar, nach diesem Traillauf werden wir ewig Leben.
Alle 36 Läufer versammeln sich zu einem Abschlussfoto unterhalb des Taktsang Dzong. Im luxuriösen Zhiwa Ling Hotel in der Nähe von Paro gilt es die Entbehrungen der Woche hinter uns zu lassen. Die Mädels okkupieren den Wellness-Bereich, die Männer den Bar-Bereich. Kulturveranstaltung, Siegerehrung und Überreichung der Preise durch den Premierminister von Bhutan, Jigme Yoezer Thinley, mit einem anschließenden Gala Dinner runden diesen Tag ab. Ab nächsten Morgen geht es früh los, ein fantastischer Ausblick vom Flugzeug auf fünf Achttausender über Kathmandu, Delhi nach Frankfurt zurück.
Mein Gruß geht an das liebenswerte Volk von Bhutan. „Tashi Delek“. Das letzte glückselige Geheimnis bleibt Bhutan erhalten.