Bericht vom 84. Košice Marathon 07.10.2007

Text und alle Fotos von Peter Maier (email: peter.maier@dresdner-trolle.de),

Nach guter Leistung in Helsinki übermittelte ich unserem Obertroll Zenon die Kampf-ansage, diesen Marathon in Košice in 3.42 h zu laufen! Ich wollte an meinem Körper testen, was denn noch alles möglich ist und dabei alle "Schnörkel", wie z. B. das Fotografieren während des Laufes, seinzu-lassen. Ich buchte die Reise vom 05.10. bis 10.10.07 zum übrigens ältesten Marathon Europas bei der REISEZEIT Tourismus GmbH in Berlin. Mit mir auf dem Doppelzimmer im 3-Sterne Hotel Gloria Palac war mein Sportfreund Wolfgang Schladitz aus Leipzig. Ich hatte diesmal noch weniger trainiert als sonst, in den letzten 7 Wochen lief ich exakt 129 Trainingskilometer, d. h. ca. 18 km pro Woche. Von der Theorie her ist damit ein Marathon unter 4 Stunden kaum erfolgreich zu bestreiten. Aber ich dachte, ich ziehe alle Trümpfe, gesund sein, gut ernährt, Bombenwetter und mental 100 % auf dem Posten! Wir waren von unserer REISEZEIT "Führerin" Christel immer prima versorgt und so verlief die Fluganreise am 05.10. über Berlin nach Prag und dann nach Košice ohne Probleme.

Aber was war das…? Mein Koffer war nicht mit angekommen, verfluchte S….Turnschuhe, Sportklamotten, alles im Koffer. Was ist, wenn er einfach mal weg ist??? Die lapidare Antwort auf dem Flughafen in Košice: Der kommt wahrscheinlich in ein paar Stunden nach…. Ich musste Geduld haben und so ging ich mürrisch mit unserer 15 Mann starken Läufergruppe zum Wachsfigurenkabinett, wo wir unter anderem Abebe Bikila, den zweimaligen Olympiasieger im Marathon (1960 in Rom und 1964 in Tokio) betrachten konnten, danach ging es in die Kneipe (preiswert). Das Wetter war schrecklich, nur Dauerregen! Am 06.10. früh erhielt ich endlich meinen heißersehnten Koffer! Es war sonnig, ca. 15 Grad warm und ich lies mir mein 30 minütiges Jogging wie in alten Zeiten einen Tag vor dem Marathon nicht nehmen. Da das interessante Zentrum von Košice nicht sehr groß ist, machten wir einen geführten Stadtrundgang und durften sogar mit Sondergenehmigung auf den Turm der gotischen Košicer Kathedrale über die vielen Treppen aufsteigen. Es folgte nachmittags ein dürftiges Pastaessen nahe dem Startareal des Marathons. Es war hundekalt und Wolfgang und ich verkrümelten uns ins Hotel, es folgte die Ruhe vor dem Sturm!

Marathontag, der 07.10.2007:
Hatte ich alles richtig gemacht??? Über mehrere Tage hatte ich Knoblauch gegessen als Verdünnung für das Blut und zum besseren Sauerstofftransport (man muss ja an was glauben!). 14 Tage lang aß ich täglich Waldpilze und entwickelte im Fitnessstudio ungeahnte Kräfte. Ich war ausgeschlafen und fühlte mich topfit und das Wichtigste: Ich war heiß, absolut heiß…Ich fühlte die gleiche Kraft wie früher, wo ich noch unter
3 Stunden den Marathon gelaufen bin! Der Startschuss fiel um 10 Uhr am Beginn der Hauptmagistrale, an der "Hlavná", inmitten von ca. 1500 Marathon- und Halbmarathonläufern und natürlich den -Läuferinnen. Bei ca. 15 Grad riss der bewölkte Himmel auf und ab ging die Post! Die Zuschauer trieben uns voran. Wolfgang war weit hinter mir, er wollte wegen starken Problemen mit seiner Achillessehne so weit als möglich laufen, an den Marathonsieg glaubte er nicht.
Ein sehr riskantes Unternehmen, wenn der Körper nicht fit und der Kopf damit nicht klar ist… Ich hatte mir die Zeit in 5 km-Abschnitte von 26.15 min eingeteilt... aber hallo, was war los nach 1000m: ich war bei 4.34 min! "Alter", dachte ich, "raus mit dem Tempo, "dat jet" sonst in die Hose"! Und ich nahm Tempo raus, aber es lief einfach wie im Traum. Wir liefen die Hauptmagistrale in Richtung Norden und schwenkten ab km 4 wieder nach unten. Die Strecke war ein Halbmarathonkurs, der zweimal zu durchlaufen war. Mir viel eine junge Läuferin auf, die genau mein Tempo lief. Verflucht, heute hatte ich eben keinen Fotoapparat mit. Es kam km 5 und ich traute meinen Augen nicht, die Durchgangszeit war 24.07 min, also über 2 Minuten zu schnell!

Also wieder Tempo rausnehmen oder mit der grazilen Läuferin dieses Höllentempo (für mich) weiter beibehalten? Ich entschied mich für den Mittelweg, lies Zusana (wie ich später erfuhr) ziehen und lief die lange Strecke in südlicher Richtung bis km 10, wo es wieder nach oben Richtung Ziel ging.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, ich hätte laut Plan bei 52.30 min durchlaufen müssen, tatsächlich lag die Zeit aber bei 48.31 min. Was sollte das heute werden? Kommt heute mein erster Zusammenbruch in meiner Marathonkariere? Laufe ich heute wie ein Anfänger (diese mögen mir verzeihen!), viel zu schnell anlaufend und dann später einbrechend? Ich war
für einen Moment unsicher, aber dann hatte ich wieder die innere Ruhe, nahm weiter das Tempo raus. Nach der Wendeschleife bei km 13 sah ich Wolfgang auf der anderen Straßenseite bei km 11 laufen. Er rief mir was von km 12 zu, hoffentlich meinte er nicht sein Ausstieg bei diesem km. Ich reckte die Faust hoch und wollte damit sagen, kämpfe Wolfgang, kämpfe wie ein Bär!
Zuschauer säumten unseren Weg, inzwischen waren auch viele Biertrinker vor den Kneipen und auch diese prosteten uns zu.
Die Verpflegung auf der Strecke war prima, Wasser, isotonische Getränke und ab ca. 20 km sollte auch leichte Kost wie Bananen folgen. Aber bis dahin "durchfegte" ich km 15, machte bei km 18 die obligatorische Pinkelpause und ab km 19 liefen alle wieder auf der "Hlavná" in Richtung Süden dem Halbmarathonziel entgegen. Noch waren allerhand Läufer auf der Strecke, ich bemerkte, dass die Halbmarathonies das Ziel spürten schneller wurden.

Bei km 20 lief ich in 1.38.15 h durch und wagte eine Prognose zu meiner Endzeit. Die 3.42 h kann ich doch knacken und 3.35 sollten drin sein? Vielleicht hole ich die "Kleine" wieder ein, denn nach dem Halbmarathondurchlauf waren wir Marathonies etwas einsam auf der Strecke. Da ich jetzt total kontinuierlich lief, überholte ich langsamer werdende Marathonläufer und jetzt sehe ich die Silhouette einer weiblichen Läuferin… die Nr. 39, ja das ist Zusana.


"Mein leistungsstärkster Marathon"

Ich hole sie ein und frage sie in meinem Schulenglisch: "What time will you finish" "3.30 h" sagt sie auf Englisch. Na ja, dachte ich, mit Doping wäre das drin! Aber ich hatte ja Doping genossen: Knoblauch und Waldpilze! Ich sagte: "Okay, I will run with you"! Und bei diesem für mich Höllentempo wäre nie ein Foto geworden, denn dann wäre Zusana auf und davon. Sie erzählte mir, dass es Ihr zweiter Marathon sei, dass Ihr Bruder der drittbeste Marathonläufer der Slovakei ist und dann winkten wir ihrem von einer Wende auf uns zulaufenden Vater zu. Die zweite Runde war genau wie die erst, aber dafür hatte wir keine Blicke. Wir liefen nebeneinander, die Zuschauer klatschten viel, was natürlich mehr meiner Laufnachbarin galt. Bei km 30 liefen wir erstmals die letzten 5 km knapp über 25 min. Ich kalkulierte auf die Endzeit und mir rauchte der Kopf: Wenn wir die nächsten 12 km in knapp über einer Stunde bewältigen, dann ist eine Zeit unter 3.30 h drin, einfach unglaublichSie verzog keine Miene, aber ihr Atem wurde unruhiger. Ich las dich nicht hängen, das Ding ziehen wir gemeinsam durch, deutete ich ihr an! Bis zum 35. Kilometer hielten wir fast das Tempo, es war der südliche Wendepunkt (bei Runde 1 war es km 14) und es ging wieder gen Norden.

Nicht mal der Wind konnte uns was anhaben und dann sah ich mein so liebgewonnenes Kilometerschild: km 40! Ja Zenon, leider mach ich heute keine Fotos, heut ist mein Lauf und ich werde jetzt kämpfen, denn nun sind die 3.30 h sogar möglich, auch wenn die letzten 5 km ein "Müh" langsamer waren! Wir sind auf der"Hlavná", die Zuschauer peitschen uns nach vorn. Zusana sagt, ich könnte ruhig schneller laufen, dankend lehne ich ab, wohlwissend, nicht noch bei dieser zu erwartenden Bombenzeit zu überziehen. Ohne nachzulassen und unter dem Beifall vieler Zuschauer laufen wir gemeinsam unter dem Zielband hindurch…und die Zeit???


Was mir die letzten Jahre völlig Wurst war, war es aber heute nicht!
Tatsächlich, wir hatten ein Endzeit von Netto 3.29.28 h! War das wirklich war? Todsicher! Nach dem Empfang meiner inishermedaille holte ich zwei Bier, wollte Zusana eins geben, sie lehnte dankend ab und ich stieß mit Ihrem im Ziel angekommenen Vater auf den tollen Lauf seiner Tochter an. Inzwischen schien wieder die Sonne und wärmte unsere etwas müden Glieder.
In mich gekehrt, hörte ich aus den Lautsprecher im Zielbereich: "We are the champions" und das waren wir, wie auch heute jeder andere durchs Ziel gelaufene Läufer! Im Hotel angekommen, war Wolfgang noch nicht da, das heißt, er ist doch seinen Marathon durchgelaufen, ich war darüber sehr froh und dann erschien er auch schon bald: Er strahlte über beide Ohren: 4.28.58 h sagt er!!! Es war auch für ihn ein großer Sieg! Der Abend klang mit unserer Läuferreisegruppe in der Bierkneipe "Golem" aus und dann mit Wolfgang im Hotel bei meiner obligatorischen Flasche Sekt.


Am 08.10. führte uns Christel in den Tierpark von Košice, wo wir doch sehr zutrauliche Raubtiere bestaunen konnten, u. a. sehr fotogene Braunbären. Wir fegten die Sommer-Bobrodelbahn in Kavecany runter, besuchten das barocke Kloster in Jasov.
Der 09.10. war noch einer Exkursion nach Poprad, dem Eingangtor in die Hohe Tatra, vorbehalten. Wir besuchten die "Blaue Lagune", eine Therme und "Wasserstadt". Noch etwas fertig vom warmen Wasser bestiegen wir auf dem Rückweg die berühmte Zipser Burg, einem riesengroßen niemals eingenommenen Burgruinenkomplex. Der 10.10. war unser Abflugtag. Ich ging noch ein wenig flanieren auf der "Hlavná", trank im Freien einen Espresso und verabschiedete mich gedanklich von Kosice.

Abschließend sei angemerkt, dass beim 84. Košice Marathon viele Rekorde purzelten, so gewann bei den Männern William Biama mit einer Fabelzeit von 2.09.53 h und bei den Frauen Natalia Kulesh aus Weißrussland in 2.34.50 h. Meine weibliche Begleiterin Zusana Hole?ková (Jahrgang 84) war insgesamt die 11. Frau von 40 Frauen im Ziel. Ich lief als 50. der AK 40 ein und Wolfgang war der 24. seiner AK 60 von insgesamt 458 im Ziel angekommenen Männer.
Wenn ich meinen betriebenen Trainingsaufwand mit dem der Jahre, wo ich wesentlich schneller gelaufen bin, vergleiche, war dieser Košice Marathon mein sportlich stärkster Lauf. Und auch das muss ein Marathonie mal machen, einfach mal nicht laufen und ausruhen...und ich werde für dieses Jahr die Laufschuhe ganz weit weghängen!

Meine Durchgangszeiten:
5 km: 24.07 min 24.07min
10 km: 24.24 min 48.31min
15 km: 24.52 min 1.13.23h
20 km: 24.52 min 1.38.15h
25 km: 24.53 min 2.03.08h
30 km: 25.02 min 2.28.10h
35 km: 25.18 min 2.53.28h
40 km: 25.26 min 3.18.54h
Ziel: 10.34 min 3.29.28h

 
 

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