Nach
guter Leistung in Helsinki übermittelte ich unserem
Obertroll Zenon die Kampf-ansage, diesen Marathon in Koice
in 3.42 h zu laufen! Ich wollte an meinem Körper testen, was
denn noch alles möglich ist und dabei alle "Schnörkel",
wie z. B. das Fotografieren während des Laufes, seinzu-lassen.
Ich buchte die Reise vom 05.10. bis 10.10.07 zum übrigens ältesten
Marathon Europas bei der REISEZEIT Tourismus GmbH in Berlin. Mit
mir auf dem Doppelzimmer im 3-Sterne Hotel Gloria Palac war mein
Sportfreund Wolfgang Schladitz aus Leipzig. Ich hatte diesmal noch
weniger trainiert als sonst, in den letzten 7 Wochen lief ich exakt
129 Trainingskilometer, d. h. ca. 18 km pro Woche. Von der Theorie
her ist damit ein Marathon unter 4 Stunden kaum erfolgreich zu bestreiten.
Aber ich dachte, ich ziehe alle Trümpfe, gesund sein, gut ernährt,
Bombenwetter und mental 100 % auf dem Posten! Wir waren von unserer
REISEZEIT "Führerin" Christel immer prima versorgt
und so verlief die Fluganreise am 05.10. über Berlin nach Prag
und dann nach Koice ohne Probleme.
Aber
was war das
? Mein Koffer
war nicht mit angekommen, verfluchte S
.Turnschuhe, Sportklamotten,
alles im Koffer. Was ist, wenn er einfach mal weg ist??? Die lapidare
Antwort auf dem Flughafen in Koice: Der kommt wahrscheinlich
in ein paar Stunden nach
. Ich musste Geduld haben und so ging
ich mürrisch mit unserer 15 Mann starken Läufergruppe
zum Wachsfigurenkabinett, wo wir unter anderem Abebe Bikila, den
zweimaligen Olympiasieger im Marathon (1960 in Rom und 1964 in Tokio)
betrachten konnten, danach ging es in die Kneipe (preiswert). Das
Wetter war schrecklich, nur Dauerregen! Am 06.10. früh erhielt
ich endlich meinen heißersehnten Koffer! Es war sonnig, ca.
15 Grad warm und ich lies mir mein 30 minütiges Jogging wie
in alten Zeiten einen Tag vor dem Marathon nicht nehmen. Da das
interessante Zentrum von Koice nicht sehr groß ist,
machten wir einen geführten Stadtrundgang und durften sogar
mit Sondergenehmigung auf den Turm der gotischen Koicer Kathedrale
über die vielen Treppen aufsteigen. Es folgte nachmittags ein
dürftiges Pastaessen nahe dem Startareal des Marathons. Es
war hundekalt und Wolfgang und ich verkrümelten uns ins Hotel,
es folgte die Ruhe vor dem Sturm!
Marathontag,
der 07.10.2007:
Hatte ich alles richtig gemacht??? Über mehrere Tage hatte
ich Knoblauch gegessen als Verdünnung für das Blut und
zum besseren Sauerstofftransport (man muss ja an was glauben!).
14 Tage lang aß ich täglich Waldpilze und entwickelte
im Fitnessstudio ungeahnte Kräfte. Ich war ausgeschlafen und
fühlte mich topfit und das Wichtigste: Ich war heiß,
absolut heiß
Ich fühlte die gleiche Kraft wie früher,
wo ich noch unter
3 Stunden den Marathon gelaufen bin! Der Startschuss fiel um 10
Uhr am Beginn der Hauptmagistrale, an der "Hlavná",
inmitten von ca. 1500 Marathon- und Halbmarathonläufern und
natürlich den -Läuferinnen. Bei ca. 15 Grad riss der bewölkte
Himmel auf und ab ging die Post! Die Zuschauer trieben uns voran.
Wolfgang war weit hinter mir, er wollte wegen starken Problemen
mit seiner Achillessehne so weit als möglich laufen, an den
Marathonsieg glaubte er nicht. Ein
sehr riskantes Unternehmen, wenn der Körper nicht fit und der
Kopf damit nicht klar ist
Ich hatte mir die Zeit in 5 km-Abschnitte
von 26.15 min eingeteilt... aber hallo, was war los nach 1000m:
ich war bei 4.34 min! "Alter", dachte ich, "raus
mit dem Tempo, "dat jet" sonst in die Hose"! Und
ich nahm Tempo raus, aber es lief einfach wie im Traum. Wir liefen
die Hauptmagistrale in Richtung Norden und schwenkten ab km 4 wieder
nach unten. Die Strecke war ein Halbmarathonkurs, der zweimal zu
durchlaufen war. Mir viel eine junge Läuferin auf, die genau
mein Tempo lief. Verflucht, heute hatte ich eben keinen Fotoapparat
mit. Es kam km 5 und ich traute meinen Augen nicht, die Durchgangszeit
war 24.07 min, also über 2 Minuten zu schnell!
Also
wieder Tempo rausnehmen oder mit der grazilen Läuferin
dieses Höllentempo (für mich) weiter beibehalten? Ich
entschied mich für den Mittelweg, lies Zusana (wie ich später
erfuhr) ziehen und lief die lange Strecke in südlicher Richtung
bis km 10, wo es wieder nach oben Richtung Ziel ging.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, ich hätte laut Plan bei 52.30
min durchlaufen müssen, tatsächlich lag die Zeit aber
bei 48.31 min. Was sollte das heute werden? Kommt heute mein erster
Zusammenbruch in meiner Marathonkariere? Laufe ich heute wie ein
Anfänger (diese mögen mir verzeihen!), viel zu schnell
anlaufend und dann später einbrechend? Ich war für
einen Moment unsicher, aber dann hatte ich wieder die innere Ruhe,
nahm weiter das Tempo raus. Nach der Wendeschleife bei km 13 sah
ich Wolfgang auf der anderen Straßenseite bei km 11 laufen.
Er rief mir was von km 12 zu, hoffentlich meinte er nicht sein Ausstieg
bei diesem km. Ich reckte die Faust hoch und wollte damit sagen,
kämpfe Wolfgang, kämpfe wie ein Bär!
Zuschauer säumten unseren Weg, inzwischen waren auch viele
Biertrinker vor den Kneipen und auch diese prosteten uns zu.
Die Verpflegung auf der Strecke war prima, Wasser, isotonische Getränke
und ab ca. 20 km sollte auch leichte Kost wie Bananen folgen. Aber
bis dahin "durchfegte" ich km 15, machte bei km 18 die
obligatorische Pinkelpause und ab km 19 liefen alle wieder auf der
"Hlavná" in Richtung Süden dem Halbmarathonziel
entgegen. Noch waren allerhand Läufer auf der Strecke, ich
bemerkte, dass die Halbmarathonies das Ziel spürten schneller
wurden.
Bei
km 20 lief ich in 1.38.15 h durch und wagte eine Prognose
zu meiner Endzeit. Die 3.42 h kann ich doch knacken und 3.35 sollten
drin sein? Vielleicht
hole ich die "Kleine" wieder ein, denn nach dem Halbmarathondurchlauf
waren wir Marathonies etwas einsam auf der Strecke. Da
ich jetzt total kontinuierlich lief, überholte ich langsamer
werdende Marathonläufer und jetzt sehe ich die Silhouette einer
weiblichen Läuferin
die Nr. 39, ja das ist Zusana.
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