Hilfe!
Knöcheltief versinken wir auf dem Kulpenberg in braunen Schlammlöchern,
denen wir nicht entrinnen können. Ich wünsche mir riesige
Gummistiefel! Obwohl es irgendwann lustig wird.Prompt regt sich
ein kindischer Verdacht: Ist der Berglauf nur ein Alibi für
ausgewachsene Mädchen und Jungs, die die Erinnerung ein wenig
manipulieren wollen? Immerhin werden unsere Muttis heute Abend nicht
mehr über die schmutzige Wäsche schimpfen, sondern ziemlich
stolz auf die Kleinen sein! Nach zwei Stunden zwanzig tropft der
Halbmarathon vom Absatz. Wir brauchen eine Abwechslung! Chrissi
entdeckt als Erster die erhabene Krone des gigantischen Kyffhäuserdenkmals.
Fotopause! Dutzende Weggenossen eilen hastig vorbei. Sanft bändige
ich meinen Freund: "Keine Angst, die sehen wir alle wieder!"
Doch geschwind folgen auch wir talwärts dem Puls der Natur.
Christian dreht sich abrupt um und zeigt in meine Richtung. Nanu?
Eine junge Frau erwartet mich! "Bist du der Mirko Leffler?"
Irgendwie scheint das kein Tag für Lobpreisungen zu sein! Kann
mir jetzt eine falsche Identität helfen? Aber mein Gewissen
wird entschädigt. "Wir kennen uns vom Untertagelauf in
Sondershausen!" Natürlich, meine verkrampfte Marathon-Premiere
im Dezember 2005!
Die
liebe Ilka Maria Banatzki hat mir auf den letzten Metern
Mut eingehaucht. Eine freudige Überraschung. Und es gibt partnerschaftliche
Gemeinsamkeiten mit der Bochumerin! Ilka Maria`s Mann betreibt gerade
"Walking" - meine Frau ist beim "Shopping".
Beide verbrennen also genügend. Vielleicht sogar Kilometer?
Augenblicklich ist Chrissi entflohen. Drei Stunden, sechsunddreißig
Minuten und 30 Kilometer sind zerronnen. Mit Begleitern trabe ich
durch den matschigen Naturpark. Trotzdem alleine. Vor der Flugplatzwiese
schleicht sich der Blues in meine Beine. Mutig versuche ich, ihn
zu ignorieren. So, wie das den putzenden Freizeitkapitänen
mit mir gelingt. Aber die Segelfliegerpiloten sind offenbar besser
trainiert! Plötzlich bewegt sich der Wald. Chrissi? Ja! Seit
einer Viertelstunde langweilt sich mein Kamerad auf einer Bank,
um mir nahe zu sein. Natürlich sind längst alle Kranken,
Übergewichtigen und Gehbehinderten an ihm vorübergezogen.
Doch
eine Belohnung wird uns vor die Füße gelegt.
Das Panoramamuseum erhebt sich! Ein mächtiges "Elefantenklo"
versteckt auf historischem Boden das größte Sinnbildgemälde
der Welt. Immerhin war hier 1525 das Finale des deutschen Bauernkrieges!
Auch für uns ist soeben das Ende der Schlammschlacht angebrochen.
Als Kriegsheimkehrer humpele ich langsam dem Ziel entgegen. Bis
mich Christian elegant von meinen Sprinterqualitäten überzeugen
kann: "Los jetzt - beeil dich!" Derart motiviert können
wir unseren Streifzug in die Vergangenheit nach 4:55:28 glücklich
beenden und uns von dem Moderator gehörig feiern lassen. Langsam
verklingt die Musik. Auf dem Weg in die Kyffhäusertherme warten
zwei ausgetretene und völlig verklumpte Laufschuhe. Aber ihr
Besitzer wird nicht mehr kommen. Er hat sich innerlich von ihnen
verabschiedet und sie leise unter dem Papierkorb platziert. Verließ
ihn die Kraft als er sie achtlos entsorgen wollte? Seine Wegbereiter
haben diesen Tag nicht überstanden.
Doch
an den Lauf, von dem sie stumm erzählen, werden wir uns noch
lange erinnern.
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