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Endlich!
Der erste Marathon des Jahres. Allerdings soll es an diesem 22.April
2007 laut Birgit Lennartz` Trainingsplan nur ein lockerer Trainingslauf
zur Vorbereitung auf den Rennsteig-Supermarathon werden. Gemeinsam
mit meinem guten Freund und ehrgeizigen Laufkameraden Christian
Marx bin ich daher kurz vor 9.00 Uhr am Start des 3.Obermain Marathon
in Bad Staffelstein. Meine Tochter Joy knipst noch ein paar Erinnerungsfoto`s.
Plötzlich kündigt der Moderator hinter unserem Rücken
Dagmar Großheim ( die aktuelle Weltmeisterin im 10fachen Ironman
) und ihren Lebenspartner Achim Heukemes als prominenteste Mitstreiter
des Tages an. Achim Heukemes? Sofort nutze ich die seltene Gelegenheit,
um dem deutschen Ultralaufidol die Hand zu schütteln und ein
wenig mit ihm zu plauschen. Neben den bis zum Jahresende anvisierten
"moderaten" 8.000 Kilometern will es der sympathische
Franke noch einmal wagen und beim 30. Badwater-Ultra mitmischen.
Nicht nur die Leser seines Buches "Born to Run" wissen,
dass er im amerikanischen Death Valley noch eine Rechnung aus dem
Jahre 2002 offen hat. Wir dürfen gespannt sein.
Frei nach Joey Kelly starten Christian und ich kurz darauf ganz
bewusst als allerletzte (Trainings-)Läufer und dürfen
uns am Ende trotzdem über das "Einsammeln" von 58
KameradInnen freuen. Zuerst führt uns aber eine Teerstraße
aus der Stadt und die Berge warten schon. Bei herrlichem Sonnenschein,
leichtem Wind und gefühlten 7°C laufen wir den 689 Anstiegshöhenmetern
entgegen. Eine Erkenntnis aus meinem bislang kurzen Läuferleben
lautet: "Zusammen vergeht die Zeit viel schneller." Kann
Christian tatsächlich Wort halten, etwas langsamer laufen und
diesmal gemeinsam mit mir das Ziel erreichen? Ich bleibe skeptisch
- immerhin habe ich ihn 2006 beim etwas "flacheren" Rennsteiglauf-Marathon
entgegen unserer Absprache auch auf den ersten Kilometern "verloren".
In der Nähe der ersten Getränkestelle bekommen wir etwas
Abwechslung, denn nette Motivations-schilder säumen den Pfad.
Natürlich nehmen wir Sätze wie "Du siehst gut aus"
für bahre Münze und erfreuen uns an so viel Menschenkenntnis.
Bald geht es wieder abwärts. Der erste Augenschmaus des Gottesgarten
am Obermain, Kloster Banz, ist nahe - und "Chrissi" treu
an meiner Seite. Das nächste Meisterwerk lauert. Schon von
weitem können wir unsere Beine auf die Basilika Vierzehnheiligen
einstimmen, doch die Oberschenkel rebellieren unerwartet auf dem
letzten steilen Stück vor der berühmten Wallfahrtskirche.
Ein Blick auf die Uhr. Der Herzschlag steigt und ich muss mich zwingen,
langsamer zu werden. Trainingslauf! Christian ist enteilt. Na ja,
was soll`s. Ich frage mich inzwischen, ob die Kirche heute noch
für Wunder zuständig ist. Und tatsächlich: Einige
hundert Meter später wird mein Mitstreiter langsamer und wartet
geduldig auf den Pulsläufer. Dann geht es an den finalen Anstieg.
Soll die Spitze nicht bei Kilometer 18 erreicht sein? Die ersten
Marathonis laufen vom Staffelberg-Rundkurs auf uns zu. In der prallen
Sonne bei mehr als 20 °C sehen die meisten nicht mehr wirklich
frisch aus und kämpfen mit starrem Blick gegen die Zeit. Wir
setzen unser bestes Lächeln auf und grüßen artig
einen Schäfer, der sich mit seiner Herde offenbar sehr über
die ungewohnte Läuferschar amüsiert. Bis gleich! Da kommt
uns erwartungsgemäß Achim entgegen. Offenbar einer der
wenigen, die wirklich noch gut drauf sind. Kilometer 20. Ist das
der Staffelberg da vorne und müssen wir da wirklich rauf? Jetzt
heißt es gehen. Kilometer 21. Was für eine Aussicht -
einfach märchenhaft! Mit dem Trainingslauf-Alibi stoppen wir
am Gipfelkreuz und poussieren mit den nachfolgenden Kameraden bereitwillig
für das "höchste Bild" des Tages. Nun können
wir es bergab rollen lassen.
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Die Verpflegungsstellen sind reichlich gedeckt und die liebenswürdigen
Helfer motivieren ungemein. Dass sich deutlich mehr "Wohltäter"
als jubelnde Zuschauer an der Strecke befinden,stört uns kaum,
denn auch die Einsamkeit des werdenden Ultraläufers muss schließlich
trainiert werden.Ab und an können wir trotzdem Kollegen mit
100km-Biel-Capies, Rennsteiglauf-Supermarathon-Finisher- oder Europacup
der Ultraläufer-Shirts einholen und wähnen uns so auf
dem rechten Weg. Bei Kilometer 35 dringt schon von weitem ohrenbetäubender
Lärm an unsere Ohren. Hat sich etwa Publikum hierher verirrt?Mein
Puls steigt, obwohl der Asphalt doch flach ist. Bin ich bereits
dehydriert, stimmt die Streckenführung? Doch die Route kann
gar nichts dafür - es sind die kurzen Röckchen von 12
anfeuernden Cheerleadern, die mich etwas außer Atem kommen
lassen. Viel zu schnell laufe ich an den schönen Mädchen
vorbei. Wie gerne wär` ich noch geblieben! Aber Christian ist
schon 30 Meter voraus und gerade noch in Rufweite. Kilometer 37
- nur noch 5 Kilometer! Gleich muss Kilometerschild 38 kommen. Doch
was ist das? Mein Freund wird langsamer und ruft wütend: "So
kann ich nicht arbeiten!" Ich hole auf. Erneut Kilometer 37!
Wenn das wirklich stimmt, wird es gleich richtig hart, um unter
04:30:00 in`s Ziel zu kommen.
Kilometer 40. Seit der Halbmarathondistanz
kneifen meine hinteren Oberschenkel momentan ganz besonders, aber
dafür habe ich keine Zeit. Angeblich soll ja ein schnelles
Finish am Ende eines langen Laufes gutes Tempotraining sein. Ich
hetze also hinter Christian her, an Spaziergängern und rastenden
Parkbänklern vorbei. Der letzte Blick nach der Zeit. 10 Minuten
für 2 Kilometer. Geht doch! Dass meine Herzfrequenz dabei nur
6 Prozent von der maximalen Leistungsgrenze entfernt ist, spielt
jetzt keine Rolle mehr. Einlauf in`s Stadion. Christian dreht sich
kurz zu mir um. Wird er seine Sprinterquälitäten nutzen
und mich in seinem Schatten stehen lassen? Nein, er greift tatsächlich
nach meiner Hand und wir laufen die letzten 200 Meter zusammen.
Danke, Freund! Und locker lächeln. Denn da vorne warten schon
meine bessere Hälfte Marianne und Joy. Mit einem "Gut
gemacht, Jungs!" muntert uns Achim Heukemes auf den letzten
Metern auf. Die Uhr stoppt bei 04:23:12 und zeigt durchschnittlich
80 Prozent der maximalen Herzfrequenz an. Wer hätte das gedacht?
Glücklich empfangen wir unsere Finisher-Medaillien und freuen
uns auf die nächste Trophäe: einen Obermain Marathon-Bierkrug,
dessen Inhalt sich allerdings die Frau meines Vertrauens schmecken
lässt. 30 Minuten später werden unsere leicht angesäuerten
Beine von begnadeten Händen auf`s wunderbarste erneuert und
schmerzen kaum mehr. Der Rennsteiglauf-Supermarathon kann also doch
kommen!
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