Süßsauer
begrüßen die Hafenlichter den Morgen. So
wie die Teilnehmer, die sich kurz vor halb Sieben auf dem Embarcadero
einreihen. Die Laufelite ist seit einer knappen Stunde vor uns
auf die Strecke gegangen. Trotzdem starten die Mitstreiter entweder
in Trance oder lassen sich einfach nicht hetzen. Sind wir hier
überhaupt richtig? Der Großteil walkt! Moment, heute
ist der 26. Juli 2009. Dann ist das wirklich der 33.
San Francisco Marathon!
Meinen
Kameraden Christian Marx und mich packt der Sightbhseeing-Virus
und wir lassen uns langsam an Pier 39 vorübertreiben, wo
urige Seelöwen wahrscheinlich noch faul mit dem Tag um die
Wette dämmern. Abrupt gleitet ein gespenstisches Leuchten
über das Wasser. Dort drüben muss der Leuchtturm von
Alcatraz
stehen! Ist das seine stumme Mahnung, stets auf dem rechten Weg
zu bleiben? Erschrocken verriegele ich meine Jacke, doch jubelnde
Zuschauer bringen mich wieder auf Kurs. Und jetzt entdecken wir
den stählernen Superstar. Aber die
Diva gibt sich geheimnisvoll! Hinter einem riesigen
Duschvorhang aus grauem Dunst gönnt sie uns nur einen fernen
Blick auf ihre roten Waden. Sie will Schritt für Schritt
erobert werden!
Schon
teilen wir uns die Golden
Gate Bridge mit Fahrzeugen und der Wind chillt sein Lied bei
spürbaren 10°C. Nebel trübt die Aussicht und greift
durch die Stäbe. Dennoch hat er keine Macht über uns
- die Müdigkeit ist längst verflogen. Wie viele verlorene
Seelen haben sich wohl von hier in eine andere Welt fallen lassen?
Als moderne Schatzsucher erobern wir das andere Ufer. Nicht wie
im legendären Goldrausch um 1848, sondern auf der simplen
Suche nach Essbarem. Hilfe, am "Vista Point" warten
die Abgesandten einer Motorradgang! Die knallharten Typen verwandeln
sich schlagartig in Kuschelrocker und reichen uns tatsächlich
Gels. Was für putzige Streckenbetreuer!
Ich
hoffe weiter auf Obst und verweigere erfolgreich die ungewohnte
Nahrung. Erneut berühren wir die prominente Schönheit.
Attraktion. Junge, alte, kleine, große, drahtige und überaus
beleibte Wettkämpfer begegnen uns rasant oder beinahe in
Zeitlupe. Eine umringte Zugläuferin verkündet die geplante
Ankunftszeit ihrer Reisegruppe: 5 Stunden und 45 Minuten. In unserem
ehrgeizigen Deutschland wäre das unvorstellbar! Der weiße
Schleier lichtet sich und ich verstehe: Die Mehrheit will sich
unabhängig von Bestzeiten oder äußeren Bedingungen
verwirklichen. Gelebte Träume brauchen keine Sonne! Der Asphalt
krümmt sich und schlängelt einen Hügel hinauf.
Ich denke bei dem wechselnden Auf und Ab an die berühmte
Krimiserie und bin als Einsatzwagen plötzlich mittendrin!
Selbst die Cops am Wegesrand scheinen "Die
Straßen von San Francisco" genau studiert zu haben.
Sie spielen gekonnt mit und verziehen keine Miene hinter ihren
getönten Sonnenbrillen.