"Gelaufen zu Ehren eines gerade verstorbenen Sportfreundes"

9. Stavanger Marathon
29.08.2009


Ein Bericht von Peter Maier

Text und Fotos: Peter.Maier@dresdner-trolle.de

Vor kurzem ist ein ehemaliger Arbeitskollege und Sportfreund von mir viel zu jung gestorben. Ich hatte einen bitteren Beigeschmack, als ich nach Stavanger flog. Ich durfte starten, er leider nicht mehr. Mit meinem Freund Micha in Stavanger angekommen, bezogen wir unser THON -Hotel Maritim direkt im kleinen Stadtzentrum. Wir holten die Startunterlagen, ich wollte sagen, einzig und allein die Startnummer und die Streckenbeschreibung. Weiter gab es nichts, d.h. noch 50 Euro Startgebühr legten wir "auf den Tisch" und erhielten die lakonische Mitteilung: "morgen wird es regnen!" Abends bei ziemlicher Kälte aßen wir uns bei dem gerade öffentlich stattfinden "Festival Ramadan" satt. Stavanger ist die viertgrößte Stadt in Norwegen mit ca. 120.000 Einwohnern. Wer nicht da war, hat eigentlich auch nichts verpasst. Einzig vielleicht der Dom im Stadtzentrum sei interessant, aber der war auch geschlossen…

Micha (links) und ich Heute, am 29.08.09, ist Marathontag. Der Start ist um 15.30 Uhr im Stadion Stavanger. Leider, wie vorhergesagt, regnet es. Von einheimischen Jugendlichen mit dem Auto mitgenommen, sind wir 30 Minuten vor dem Start im Stadiom. Nur trainierende Kinder mit Trainer waren zu sehen, kein Läufer weit und breit. Sind wir hier richtig??? Soll hier wirklich in ein paar Minuten ein Marathonstart stattfinden??? Verzweifelt ein paar Trainer im Stadioninnenraum gefragt, sagte eine Frau dann: "Yes, here is the start!" "Oh my god!", sage ich, wir haben' s gefunden! Plötzlich kommen wie aus dem nichts ein paar wenige Läufer und dann nahm uns auch ein "Sportfunktionär" zusammen und erklärte uns auf Englisch, dass dies hier ein sehr kleiner Marathon sei und nicht zu vergleichen mit dem in Berlin oder New York. Er hatte recht und es schien jetzt auch sogar kurz die Sonne!

Der Startschuss fiel pünktlich um 15.30 Uhr auf der Tartanbahn. Wir liefen zwei Stadionrunden, wurden von Kindern abgeklatscht (das sollten die letzten sein, die uns angefeuert haben!) und dann ging es hinaus auf die "Piste". Micha war sofort weg, er lief sogar in der zweiten Gruppe Es waren natürlich nur kleine Gruppen, denn es waren ja höchstens 100 Starter. Aber es gab auch nach uns noch einen Halbmarathon- und 10 km Start. Wir liefen eine Runde um den See "Mosvatnet", tolle Landschaft mit vielen Wasservögeln. Da waren auch schon die ersten 5 Kilometer geschafft (24.41 min). Ich war viel zu schnell, denn ich wollte am Ende gerade mal unter 4 Stunden bleiben. Aber nun ging es auf die Straßen, auf den Asphalt, es begann wieder zu regnen und es sollte viel schlimmer kommen…

Von rechts peitschten mir der Regen und der starke Wind ins Gesicht. Zum Glück hatte ich einen norwegischen Leidensgefährten neben mir. Erstmals seit Jahren fragte ich mich: "Warum tust du "DAS" hier…?" Nun, ich dachte an meinen verstorbenen Sportfreund. Ich dachte daran, dass ich, wenn ich diese Tortur heute überstehen sollte, alle "Trolle" zum Teufel jagen würde. Dass sie uns so ein Mistwetter beschert hatten. Als Obertroll werde ich sie heute Abend alle in Ketten legen!!! Die Straßen und Fußwege verwandelten sich in Flusslandschaften. Emotions-los ließ ich mich trotzdem nicht beirren, lief bei km 17 auf Micha auf.

"Tiger" Micha war noch gut drauf! Er löste sich wieder von mir. Ich dachte, na Micha, solltest lieber bei dem alten erfahrenen Hasen bleiben. Kilometer 20 in 1.40.05 h durchlaufen, deutete das auf eine Superendzeit hin. Es ging in Straßenunterführungen runter, wieder hoch, dann immer den peitschenden Regen im Gesicht. Ich lief zum Trotz das mörderische Tempo weiter und bei km 25 wieder auf Micha auf. Ich sage ihm: "Du kannst Bestzeit laufen", auch wenn das bei diesem Wetter eigentlich unmöglich ist. Er bleibt jetzt neben mir. Wir laufen diese unendlich lange Hauptstraße entlang, keine Auto zu sehen, geschweige ein Mensch

auf der Straße oder dem Fußweg. Was ist das, ich glaube im bekomme Schwimmhäute zwischen den Fingern, die Haut quillt auf, die Arme werden nun auch vor Kälte steif. Ich kann den Fotoapparat kaum noch halten… Wieder keimt die Frage auf: "was machen wir hier bloß?".Es kommt km 30 direkt am Zieleinlauf, den wir in 2.31.25 h durchlaufen. Es gab nun sogar ein halbe Banane für jeden, völlig unzureichend!

Ich löse mich von Micha, kommt er hinterher? Nein er läuft ruhig weiter. Jetzt diese demoralisierende Strecke, ich laufe wieder 6 km auf dieser Hauptstraße zurück, Regen…Wind…kein Mensch zu sehen…Doch jetzt, endlich, da vorn, ein Marathonmann. Ich lauf an ihn heran und beschließe, mit ihm, dem Norweger, zusammen zu kämpfen! Bei km 36 wieder der Wendepunkt und nun geht's "nur" noch zurück. Jeder gelaufene Kilometer ist ein Triumpf bei diesen heutigen Umständen! Da vorn endlich km 40! Die Knochen schmerzen, Scheiß egal, ich mach "das Foto", egal ob ich heute aussehe wie 50 oder 100! Weiter pflügen wir uns durch die Meere, die sich vor uns auftun…nie wieder Norwegen, sag ich mir in diesem Moment.

Vor mir plötzlich die Frau, die den Marathon bei den Frauen gewinne sollte. Sie sieht aus wie 70, sie stemmt sich gegen die Naturgewalten und "krallt" sich in meinen Nacken, als ich vorbeilaufe. Erstmals habe ich seit langem diesmal nicht dieses Kribbeln im Bauch, als ich durchs Ziel platsche. Ich nehme keinen Menschen war, sind überhaupt welche da, nimmt einer die Zeit??? Völlig steif vor Kälte und Nässe wanken Micha und ich ins Hotel und aalen uns dann erschöpft unter der warmen Dusche. Es war ein Pflichtsieg! Ich hatte meinen 40. Länderpunkt erkämpft und Platz 13 in der Weltrangliste der Marathonländerpunktläufer gefestigt! Am Ende war ich mit 3.36.24 h der 7. in der AK, Micha kam auch gleich hinter mir mit 3.41.13. Im Ziel kamen 68 Läufer und -innen an.

EngelchenAls Fazit zum Marathon meinen wir, das das Preis-Leistungsverhältnis überhaupt nicht stimmte. 50 Euro Startgeld, das war einfach zu viel! Und wenn wir uns nicht nebenbei noch Verpflegung mit auf die Strecke genommen hätten, wir wären nie angekommen…! Abends, körperlich wieder etwas erholt, nahm ich mir die Trolle vor. Sie zeigten Reue wegen des uns auferlegten Mistwetters und ich schloss wieder Frieden mit ihnen. Am nächsten Tag fuhren wir mit der Fähre rüber nach Tau, von dort mit dem Bus zur Hütte "Preikestol". Dann kam die zweistündige Wanderung zum "Pulpit Rock", zum Kanzelfelsen.

Wir liefen wieder nur durch Wasser, aber diesmal nur zu unseren Füßen. Es hatte ja so viel vorher geregnet, dass das Wasser in strömen die Berge runter lief. Traumhaft dann die Aussicht auf dem Kanzelfels, auch das Poussieren der zwei Models (Engelchen?), die wahrscheinlich mit dem Hubschrauber eingeflogen worden waren. Der Blick in die Norwegischen Fjorde entschädigte für die Entbehrungen von gestern.


5 km: 24.41 min 24.41 min
10 km: 24.24 min 49.05 min
15 km: 25.28 min 1.14.33 h
20 km: 25.32 min 1.40.05 h
25 km: 26.12 min 2.06.17 h
30 km: 25.08 min 2.31.25 h
35 km: 27.09 min 2.58.34 h
40 km: 25.50 min 3.24.24 h
Ziel: 12.00 min
__3.36.24 h

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