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Bericht vom Supercup "Quer durchs Erzgebirge" 19.08.2006

Text und Fotos von Zenon Karczewski

Schon am ersten Anstieg Richtung Frauenstein (s. Streckenplan) wurde mir klar: mein Freund, der "Obertroll" Peter ist heute in einer glänzenden Form. Er hat mir gleich ca. 10 Meter abgenommen. Bei der Abfahrt gelingt mir aber wieder der Anschluss und wir fahren die nächsten Kilometer zusammen. Nur wenige Sekunden hinter der führenden, etwa 30-köpfigen Spitzengruppe. Hinter uns das restliche in immer mehr kleinere Gruppen zerfallende Feld der ca. 350 Fahrer. Ich werde mit der Zeit "warm" und kann an den folgenden, bis zu 15%-steilen "Bergen" mit Peter gut mithalten. Wir fahren schnell, vielleicht sogar ein wenig zu schnell in einer kleinen, starken Gruppe. Immer auf und ab. Nach 85 km will Peter seine Kräfte für die noch bevorstehenden 165 km doch mehr schonen und etwas ruhiger fahren. Wir trennen uns an der 2. Verpflegungsstelle in Reizenhain. "Ich will es heute wissen" - sage ich zu Peter - "entweder ich bleibe weit unter meiner Bestmarke von 9 Stunden oder ich breche jämmerlich ein". "O.K". - sagt er - "bis später".

Leider muss ich jetzt lange alleine fahren. In Jöhnsdorf sind Steigungen von 15% zu überwinden. Als der Berg endlich vorbei ist und ich das Ortsausgangsschild sehe, bennene ich die Stadt für mich kurzerhand in "Stöhns-dorf" um .

Der Aufstieg zum Fichtelberg (Km 120) hat es auch in sich. Bis ich oben an der Verpflegungsstelle ankomme, habe ich ca. 20 Fahrer gezählt, die mir entgegenkamen. Hier halten sich noch etwa 10 weitere auf. Die Pause ist für mich wieder ganz kurz - ich esse und trinke schnell etwas und fahre wieder hinunter. Nach ca. 1 Kilometer sehe ich Peter, der mir entgegenfährt. Er ist also nur wenige Minuten hinter mir. Mal sehen, vielleicht holt er mich wieder ein und wir fahren dann weiter zusammen. Und trinken im Ziel ein paar Bierchen. Wie eigentlich von Anfang an geplant. Ich fühle mich gut und freue mich schon darauf.

Es kommt aber alles ganz anders. Bei Km 164,5, kurz nach der 4. Verpflegungsstelle, ist für mich dieser Wettkampf plötzlich zu Ende.

"Das war's, gleich bist Du weg vom Fenster" - geht es mir blitzschnell durch den Kopf in den wenigen Millisekunden zwischen dem Zeitpunkt als ich realisiere, dass der Zusammenstoss mit dem Kleinwagen unausweichlich ist, und dem Aufprall selbst. Ich stosse mit dem Kopf und dem linken Oberarm gegen die Heckscheibe, die dabei in Millionen kleine Stücke zerfällt, und mit dem linken Oberschenkel gegen die Kofferraumklappe. Die beiden Vorderradgabel-Hälften brechen weg wie Streichhölzer (Foto), ich rutsche ab, lande auf der Strasse, schreie und heule vor Schmerz als hätte ich mir alle Knochen gebrochen. Immer mehr Leute sammeln sich um mich herum und wollen mir helfen. Ich höre viele Fragen, die ich aber anfangs nicht beantworten kann. Kaum, dass ich den Mund aufmache, muss ich heulen und kann mich nicht beherrschen. "Wo tut es weh?" Ich zeige auf die linke Brust und und den linken Oberschenkel. "Können sie die Füsse bewegen?" Ja, das geht. "Wie heissen Sie, wo kommen sie her?" Ich nenne meinen Namen, heule zwischendurch, nenne meinen Vornamen, heule wieder, nenne meine Adresse.

"O.K. - er ist bei Bewußsein und ansprechbar" - höre ich Jemanden sagen. "Wollen Sie etwas trinken?" Ja, danke. Hat jemand den Krankenwagen gerufen? Ja, ist schon unterwegs. Ich liege auf dem Rücken. Über mir, auf dem Dachboden des Hauses, direkt neben der Strasse sehe ich viele Tauben in ihren Käfigen. Oder waren es Kaninchen? Nein, ich glaube, das waren Tauben. Ein Taubenschlag muss es gewesen sein.

Jemand legt mir eine Decke unter den Rücken. Ja, so ist es angenehmer. Ich schliesse die Augen, mache sie nach einer Weile wieder auf, setzte die Brille und den Helm ab. Mein Arm blutet, der Kopf ist aber ganz, der restliche Körper offenbar im Grossen und Ganzen auch. "Mann, hast Du Schwein gehabt" - denke ich und muss wieder losheulen. "Peter" - schreie ich, als nach ca. 15 Minuten unser "Obertroll" an der Unfallstelle vorbeifährt und sofort anhält. "Zenon, mein Gutster, was machst Du hier für Sachen"? - fragt er. Er ist zunächst entsetzt, wirkt aber sichtlich erleichtert, als er sieht, dass es mit mir nicht ganz so schlimm ist. Jetzt kommt der Krankenwagen. Der Arzt untersucht mich und stellt mir viele Fragen. Es ist das erste und letzte Gesicht an der Unfallstelle, dass ich - ausser Peter - wahrnehme und an das ich mich auch später noch erinnern kann. Vielleicht, weil er mich auch im Krankenwagen bis zu dem Erzgebirgsklinikum Annaberg-Buchholz begleitet.

In dem Klinikum werde ich gründlich untersucht und versorgt und lande am Ende in einem 2-Bett-Zimmer (Foto). Mein Zimmergenosse, der Rene, hat ein gebrochenes Sprunggelenk und gerissene Sehne an der Fussvorderseite. Aber nicht wegen Sport. Es ist einfach beim "Rumblödeln" mit seinen Kumpels passiert, wie er sagt. Na, da bin ich beruhigt. Nicht nur Sport ist "Mord".

Am späten Nachmittag ruft mich der Veranstalter des Supercups Ralf Winkler an und erkundigt sich nach meiner Gesundheit. Eine schöne Geste. Vielen Dank an dieser Stelle, auch für die Hilfe mit dem Auto, die meine Frau am nächsten Tag erfahren hat. Der Supercup war wieder einmal eine schöne und super organisierte Veranstaltung. Unfälle, wie meiner, können immer passieren. Keiner kann etwas dafür.

Gegen 18:00 Uhr taucht der Peter auf einmal in meinem Zimmer auf. Noch in seinen Radsachen und ungeduscht ist er direkt vom Ziel in die Klinik gefahren und hat mir meine persönlichen Sachen aus meinem Auto mitgebracht. Und vorher das Rennrad bzw. das, was davon noch übriggeblieben ist, gesichert.

"Peter, ich danke Dir, Du hast ja ganz schöne Umstände gehabt". "Nicht der Rede wert" - winkt er ab. Wir schwatzen noch kurz, dann muss wieder weg. Nächsten Tag ruft er mich an: "Wie geht's Dir heute?" Danke - sage ich - mir tut alles weh, sonst bin ich aber wieder fit . Am nächsten Wochenende fahre ich , wie geplant, zum "Ötzi". "Bist Du verrückt, willst Du es wirklich machen?". "Nein, natürlich nicht" - sag ich und lache. "Mein Rennrad ist doch im Eimer. Na ja, und der Körper soll sich auch erst einmal eine Weile erholen. Die Radsaison 2006 ist für mich zu Ende. Ich fange bald wieder an, zu laufen. Im Oktober ist ja der nächste Dresden-Marathon. Aber vorher trinken wir noch ein Bier zusammen". "Geht klar" - sagt Peter - "bis bald, ich melde mich am nächsten Wochenende vom Brüssel-Marathon".

Peter ist den Supercup ganz stark, unter 9 Stunden gefahren. Ich bin auf seine Zeit in Brüssel gespannt. Von "unter 3 Stunden" wollte er aber nichts wissen. "4 Stunden" - meinte er tiefstapelnd. Mal sehen. Bekanntlich liegt die Wahreit meinstens in der Mitte. Ich freue mich schon auf seinen Bericht.

> Bericht von 2000 auf Hernolds-Radseiten

 

 
 

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