14.12.2008
10. Siebengebirgsmarathon


Ein Bericht von
Mirko Leffler

Dieser fiese Wind! Fröstelnd zittern wir dem 10. Siebengebirgsmarathon in Aegidienberg entgegen. Wir, das sind meine Kameraden Andreas Schaaf, Lars Unbehaun und ich. Heute, am 14. Dezember 2008. Hat der Wetterbericht ernsthaft mollige 3°C versprochen? Obwohl der Himmel über uns erleuchtet ist, spüren wir davon nichts. Endlich ist es 10.00 Uhr. Der Spaß beginnt! Aber nur für Andreas und mich, denn Lars ist uns bereits entwischt. Hoffentlich findet er sein Tempo! An der ersten Steigung wartet Günter Meinhold vom 100 MARATHON CLUB: "Warum bist du eigentlich kein Mitglied bei uns? Wir bieten auch eine außerordentliche Mitgliedschaft an!" Hm. Selbst morgen werden mir immer noch 82 Marathons für die vollwertige "100 MC"-Zugehörigkeit fehlen. Will ich mir das wirklich tapfer erarbeiten?

Günter hat leicht reden. Er läuft ja erst seinen 98. Marathon - in diesem Jahr! Unerwartet verwöhnt uns rasselndes Publikum und ein Liebeslaufpaar schwelgt Händchen haltend im Rhythmus. Mit der Frisur eines Ernst Thälmann-Doubles trabt plötzlich Rüdiger Schmidt vom TC Neu-Anspach witzelnd neben uns: "Letztes Jahr habe ich die zwei Stunden-Marke knapp verfehlt!" Unschuldig frage ich "Du bist wohl nur die halbe Distanz gelaufen?" Und schon lachen wir das Kilometerschild 10 aus. 1:08:25! Unser Pfad schlängelt sich, schlägt einen Haken und kreuzt ein weißes "R". Nanu, ist der Rennsteig etwa verlängert worden? Leider nein! Das Zeichen gehört zum Rheinsteig. Den gibt es tatsächlich! Andreas spreizt seine Flügel, trotzt der Schwerkraft und rutscht auf glatter Straße bergauf.

Die Sonne schreit uns ins Gesicht und bleibt scheinbar hinter Panzerglas gefangen. Ich wünsche mir warme und weiche Luft! Doch die Kälte klebt an uns wie eine asiatische Grippe. Zum zweiten Mal beklatschen wir einen tapferen Zuschauer. Wie schön, dass wenigstens einer für uns durchhält! Ah, die Halbmarathonmarke! Meine Messung zeigt gefrorene 2:27:11. Na und? Wir streifen weiter gemütlich durch den klirrenden Winterwald, vorbei an "kyrillisierten" Lichtungen und schneebedeckten Wiesen. Schon wieder ein freundlicher Verpflegungsstand? Wir haben Glück!


Vor Jahren gab es an dieser Stelle bei minus 5°C nur noch "Eistee". Und ein paar Grad können im Naturpark bereits über das Geschlecht entscheiden! Ob ich dann in der Frauenwertung weiter vorne liegen würde?
Mit tollkühnem Schwung landet mein leerer Plastikbehälter neben einem überladenen Müllbeutel. Ein Aufschrei lässt mich erschaudern. Sofort bin ich nur noch durch meinen Bart von der Damenwelt zu unterscheiden. Väterchen Frost und die Eiskönigin toben hinter mir! Getarnt als einfache Wanderer mit angeleintem Jagdhund. Noch. "Das ist eine Frechheit! Den Becher einfach so in den Wald zu werfen!" Kleinlaut entschuldige ich mich ganz brav.

Aber meine Argumente zerschellen ungehört an der Mauer aus meterdicker Intoleranz. Muss ich jetzt für alle Läufer dieser Welt büßen? Werde ich gleich in eine Eissäule verwandelt? Blitzschnell erweckt mich Andreas aus der Leichenstarre und wir flüchten vom Ort des Grauens. Rasch in den sagenhaften Wald! Ich folge meinem Freund als "Lid-Schatten" in die Nähe des "Auge Gottes" und wir gelangen so aus der Finsternis ans Licht. 3:35:47! Vorsichtig beäugen wir bei KM 30 die Umgebung. Noch immer keine Spur von Lars? Wie schön! Also ist unser Heißsporn auf Kurs. Nach dem langwierigen Schädeltrauma ist sein "Comeback" vor allem Kopfsache! Moment mal, da ist ein Kampfgenosse! Schon seit einigen Kilometern ist "Teddy" im Schleichschritt unterwegs.

"Komm, wir bringen dich ins Ziel!" Doch unsere Motivation hilft nur kurz, denn Rüdigers Beine wollen nur noch schlurfen. Wir verabschieden uns traurig und sausen talwärts. Auf zum umlagerten Aegidiusplatz! Hand in Hand laufen wir auf dem Holzboden in das beheizte Bürgerhaus ein. Abrupt beschlägt meine Brille und ich torkele wie Stevie Wonder der Zeitmessung entgegen. Als sich der Nebel lichtet, ist Lars bei uns. 4:32:36 lautet seine erfreuliche Ankunftszeit! Wie lange waren wir eigentlich unterwegs? 5:09:57? Der Erste war knapp zweieinhalb Stunden früher da. Geschichte wird eben immer von Siegern geschrieben! Nur für die Geschichten sorgt das Siebengebirge ganz alleine…

 
 

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