Es
ist Samstag, der 28.01.06.
Für heute hatten wir - 10 Dresdner Trolle bzw. "Gast-Trolle"
(s. Foto rechts) - zunächst den Besuch des schönen Jardin
Majorelle
(Foto links) geplant (>> s. ursprünglicher Reiseplan)
und danach die Marathon-Anmeldung, es regnet aber dummerweise
schon wieder, also - was tun? Wir entscheiden uns, direkt zur
"Marathon-Messe" zu gehen, zumal sie von unserem Hotel
Farah nicht weit entfernt ist. Als wir dort ankommen, regnet
es immer noch ziemlich stark, auf dem Place
du 16 Novembre sind mehrere Zelte aufgebaut. In einem davon
werden die Startunterlagen ausgegeben. Das ärztliche Attest
will man auf jeden Fall sehen, ein Ausweis wird dagegen nicht
mehr verlangt. Man bekommt eine Plastiktüte mit der Startnummer
und einem T-Shirt, das mir aber nicht gefällt. Für 15
Euro kaufe ich ein anderes, das viel besser aussieht. Mehr gibt
es hier bei diesem Wetter nicht zu tun. Dass es keine Pasta-Party
gibt, nehmen wir - selbst der Wolfgang
- gelassen zur Kenntnis und gehen zurück ins Hotel, um dort
auf Sonnenschein zu warten. Vor dem morgigen Lauf sollte man ohnehin
nicht zu viel herumlaufen.
Sonntag
8:00 Uhr liegen wir noch entspannt im Bett. Gefrühstückt
wurde allerdings schon um halb sieben. Der Start ist um 9:00 Uhr
und wir haben noch viel Zeit, denn Depart/Arivee ist gerade
mal einige Hundert Meter von unserem Hotel Farah
(direkt neben dem Kenzi Farah)
entfernt. 8:40 geht es dann endlich los, wir nehmen nichts weiter
mit, denn Gepäckabgabe o.ä. gibt es sowieso nicht. Als
wir aus dem Hotel rausgehen, ist es kühl, ich überlege
schon, ob ich mir nicht lieber doch noch etwas Wärmeres anziehe.
Aber ein Laufhemd und ein Unterhemd sollten eigentlich reichen.
Zumal es mit jeder Minute wärmer wird.
Als 9:00
Uhr dann der Startschuss fällt, herrscht herrlicher Sonnenschein,
die Luft ist angenehm frisch und die Temperatur mag so bei 13
Grad liegen. Linker Hand bewundern wir die faszinierende Sicht
auf das Atlas-Gebirge. Wir laufen
zunächst Richtung Norden, drehen dann aber 2mal 90 Grad nach
links und sind nach ca. 5 km am Flughafen und dann weiter auf
der Av. Elyarmouk im Süden von
Marakesch (>> Streckenplan
). Ich folge dem Tempo von Ralf,
der eigentlich viel besser trainiert hatte und mir heute wohl
mindestens eine Viertel Stünde abnehmen wird. Mal sehen,
wie lange ich mithalten kann.
Ich
fühle mich aber richtig gut, unser Km-Schnitt von etwas unter
5 Min. ist ja auch nicht zu schnell. Bei Km 10 (48:27'40'')
machen wir noch gemeinsam eine Pinkel-pause (das Wasser an den
Verpflegungstellen ist viel zu kalt), danach fällt Ralf etwas
zurück, bleibt mir aber ständig "im Nacken".
Die Strecke verläuft jetzt durch die Jardins
de L'AGDAL, an der Stadtmauer entlang und
ist sehr schön - viel Grünes, Palmen, Oliven- und Orangenbäume,
dazu ein angenehmes Vogelgezwitscher, vor
allem der bei uns völlig unbekannte Graubülbül
ist überall zu sehen und zu hören (s. unten
"Graubülbül). Für "Ornitrollogie"
habe ich jetzt aber keine Zeit. Kurz vor der Streckengabelung
(die Halbmarathonis laufen nach links, der wesentlich kleinere
Rest - ca. 450 Teilnehmer - nach rechts) drehe ich mich um - Ralf
folgt mir immer noch "unauffällig" in einer Entfernung
von ca. 50 Metern. Vor mir sehe ich den anderen Ralf,
kurz bevor er die gemeisame Strecke verlässt und nach links
abbiegt.
Unser
zweiter "Halbmarathoni" Thomas "Stoni" läuft
hinter uns, wir hatten ihn bei etwa Km 13 "abgefangen"
und überholt. Nach 20 Kilometern
sind wir in den "Tanneries" angelangt, wo die Gerber
ihrem wenig attraktiven Beruf nachgehen. Von dem Gestank merke
ich aber nichts. Auf geraden und meist breiten Strassen geht es
weiter Richtung Norden. Zuschauer gibt es - bis auf die Kinder
- relativ wenige, die Leute gehen ihrem Alltag nach und haben
wenig Zeit und Lust, die Helden der Langstrecke zu bewundern.
An einer gesperrten Kreuzung, hinter der offenbar ein Wochenmarkt
o.ä. stattfindet, sehe ich viele Autos, Eselskarren, Mopeds
und LKW's, die alle um die Wette hupen, es herrscht ein höllischer
Lärm, niemand, so scheint es mir, wird aber so richtig aggressiv
oder böse.
Überhaupt
sind die Menschen in diesem Lande (Fotos diese Spalte) sehr friedlich
und freundlich. So haben wir es zumindest als Touristen erlebt
und empfunden. Man fühlt sich auch abends überall sicher.
Zurück
zum Rennen: Ich laufe immer noch mein gleichmässiges,
gutes Tempo, Ralf folgt mir in sicherer Entfernung. Kann er nicht
rankommen oder ist es seine perfide Taktik, mich kaputt zu spielen?
Wir überqueren jetzt ein breites Flussbett, in dem aber trotzt
der vielen Regenfälle der letzten Tage nur wenig Wasser fliesst,
und laufen in ein grosses Palmenareal hinein - in die Jardins
de la Palmeraie. Trotz der Palmen macht die Gegend einen
wenig aufgeräumten Eindruck.
Hinter mir kracht es gerade, ich drehe mich um und sehe wie ein
Moped mitsamt einer ganzen Famile mit 2 kleinen Kindern, auf der
glitschigen
Strasse ausrutscht und buchstäblich im Dreck landet.
In einer der vielen braunen Pfützen, die die Regenfälle
der letzten Woche hinterlassen haben. Ich bleibe kurz stehen,
es ist aber diesmal offenbar nichts Ernsthaftes passiert. Einer
der Polizisten, die die Marathonstrecke absichern, eilt ausserdem
heran. Also laufe ich weiter, Ralf sehe ich nicht mehr, hat er
etwa Probleme?
Sollte
ich vor ihm ins Ziel kommen? Bald erfahre ich, dass doch alles
anders kommen sollte. Nach der Verpflegungstelle bei km 30 (2:24'36'')
bekomme ich auf einmal Probleme mit Seitenstechen.
Ich muss einmal anhalten, dann nochmal, bei km 31 geht es nicht
mehr. Tief einatmen heisst es jetzt für mich, eine Weile
ausruhen. Ralf überholt mich, ich versuche zu folgen. Wir
laufen jetzt auf einer relativ schmaler Brücke, mit der Strassen-absprerrung
klappt es hier nicht mehr, die Autos hupen und drängen uns
zum Strassenrand.
Ich lasse mir das gefallen, da ich momentan andere Probleme habe.
Ralf bleibt in der Strassen-Mitte und beantwortet das immer lauter
und häufiger werdende Gehupe mit viel Gestikulieren und freundlichen
aber bestimmten Gesten. Ich muss wieder anhalten, wieder und immer
wieder. Adieu die Zeit von "unter 3:20", mit der ich
schon geliebäugelt habe, mit "unter 3:30" wird
es wahrscheinlich auch nichts mehr.
Ralf's Gestalt wird vor mir immer kleiner, ich laufe mit "angezogener"
Bremse weiter und finde keinen Spass mehr an diesem Marathon.
Zumal der Strassenverkehr zunimmt und wir Läufer einzeln
und mit relativ grossen Abständen zueinander laufen und uns
auf den breiten Strassen ziemlich verloren vorkommen. Ich
versuche mich jetzt abzulenken, an etwas Anderes zu denken und
hole aus dem Gedächtnis die Erlebnisse und die Bilder der
letzten Woche: da fallen mir als Erstes die Szenen auf dem Djemaa
El-Fna ein: