Chartres-Kathedrale ____Bordeaux______Parc Ornithologique______Medoc-Weine_____Medoc-Strände____Chateaux Chennoceaux____Schlösser der Loire


... und 6 Tage Frankreich auf japanisch

Bericht von Zenon Karczewski

__Text:__Zenon.Karczewski@dresdner-trolle.de
__Fotos:_ _Peter Maier und Zenon Karczewski_
__Musik: _aufgenommen von Zenon Karczewski


1. Tag, Donnerstag, 04.09. Chartres

La Cathedrale Notre-Dame de ChartresDonnerstag. Früh am morgen um 4 Uhr fahren wir - mein Sohn Roman und ich - in Dresden los. Ca. 1200 Kilometer ( s. >> Strecke) liegen vor uns (insgesamt bis Medoc werden es mehr als 1700 sein), das Ziel hiesst für heute Chartes. Nicht zufällig sondern wegen der berühmten gotischen Kathedrale Notre Dame, die Vorbild für viele andere gotische Kathedralen in Europa war und die ich schon lange sehen wollte. Kurz nach 16:00 Uhr kommen wir in dem beschaulichen, historischen Ort an. Ein imposanter Anblick bietet sich uns schon von Weitem an (Foto). Mann kann sich gut vorstellen, wie diese Kirche im Mittelalter auf die Bauern aus der Umgebung und die Pilger, die auf dem Jacobsweg aus der Ferne kamen, gewirkt haben muss. 18:00 Uhr sind wir mit Madame Clair verabredet, bei der wir heute übernachten werden. Bis dahin schauen wir uns die Kathedrale an.

Es läuft gerade ein Orgelkonzert. Wir betrachten die Glasfenster, die Szenen auf dem Chorumgang und suchen anschliessend das berühmte Labyrinth, können es aber auf dem Boden nicht auf Anhieb erkennen. Die Erklärung ist simpel - es wird durch die aufgestellten Stuhlreihen verdeckt. Die Pilger im Mittelalter haben diesen Labyrinth stundenlang auf Knien "abge-arbeitet". Wir haben heute nicht so viel Zeit und auch nicht das innere Bedürfnis. Nach dem Bezug unseres Quartiers laufen wir noch eine Runde durch die mittelalterliche Innenstadt. Es ist relativ kühl, nur wenige (japanische) Touristen sind heute anzutreffen. Im Schaufenster eines Souvenirladens entdecke ich auf einer als Gag für Handwerkerstuben u.ä. bestimmten Tafel (die für schlappe 24 Euro zu haben ist) , diesen lustigen Text: Die Theorie ist wenn man alles versteht und nichts funktioniert. Die Praxis ist, wenn alles funktioniert aber man weiss nicht warum. Hier haben wir Beides geschafft: nichts funktioniert und auch Niemand weiss warum.

2. Tag, Freitag , 05.09. Pauillac, Marathon-Anmeldung

Freitag. Wir starten zeitig und wollen zunächst zur Marathon-Anmeldung nach Pauillac, bevor wir in unsere Ferienwohnung in Maubuisson, in der Nähe der Atlantik-Küste auf der anderen Seite der Halbinsel Medoc fahren. Unterwegs regnet es und es bleibt lange kühl. Aber je weiter südlich wir kommen, um so schöner wird es. Ich verlasse mich bei der Route voll auf mein Navigationssystem. Irgendwann, es ist schon nicht mehr weit bis Bordeaux, soll ich von der Autobahn abfahren. Ich folge brav dem Navi, fahre einige Kilometer übers Land und auf einmal heisst es: "Geradeaus auf die Fähre auffahren!" So eine Überraschung, damit haben wir gar nicht gerechnet. Glücklicherweise müssen wir nicht so lange warten - wir sind fast die Letzten, die auf dem Schiff noch Platz finden und bald darauf legt es schon ab. Erst jetzt sehe ich auf die Karte - wir sind in Blaye und setzen über nach Lamarque. Von dort sind es nur noch ca. 20 Kilometer bis Pauillac.

Gegen 14:00 Uhr sind wir schon in der Hauptstadt der berühmtesten (und teuersten) Rotweine der Welt und laufen zunächst an der Uferpromenade entlang. Hier gibt es zahlreiche Stände, an denen regionale Erzeugnisse, vor allem Rotwein und die berühmte Fois gras also die Gänsleberpastete angeboten werden. Während ich bei Rotwein nicht widerstehen kann und eine Kiste "La Paroisse" mitnehme, ist mir die durchaus leckere Pastete, wo eine winzige Büchse 5,50 € und eine etwas grössere gleich 15,50 € kosten, doch etwas zu teuer. Wir gehen zur Marathonanmeldung. Schnell erhalten wir unsere Start-nummern und das T-Shirt, das diesmal etwas anders wie sonst aussieht (Foto oben). An einer Wand in der Sporthalle, wo die Startnummern ausgebene werden, sehen wir 3 Plakate, die das Zeitlimit für den morgigen Marathon in 3 Sprachen: französisch, englisch und deutsch anmahnen. Die deutsche Version besticht durch ihre charmante Exaktheit und widerlegt eindeutig das Vorurteil, dass Franzosen nur Französich können und die anderen Sprachen, insbesondere Deutsch, schlecht beherrschen würden (Foto).

Die Marathonmesse findet in Zelten vor der Sporthalle statt. Es gibt zwar auch Verkaufsstände einiger bekannten Sport-artikel-hersteller, vor allem präsentieren sich hier aber andere französische Marathons. Am Stand des Beaujolais-Marathon (die Region kennen wir aus dem Vorjahr >> s. Bericht Lyon-Marathon) werde ich durch einen Standbetreuer in ein Gespräch verwickelt. Die üblichen Fragen: wo wir herkommen, ob wir Beaujolais-Marathon und diese Weinregion kennen, usw. Er will auch wissen, was es für Laufzeitschriften in Deutschland gibt. "Spiridon, Laufzeit, Runner's World" - nenne ich ihm einige. "Lauft ihr morgen verkleidet" - fragt er weiter. "Ja" - sage ich. "Als was?" "Als Trolle, wir nennen uns Dresdner Trolle". "Amüsant aber nicht lustig ("c'est amusant mais pas drole") - will er mich auf den Arm nehmen in der Annahme, dass ich dieses Wortspiel nicht verstehen werde. "Doch, ich finde es lustig" - entgegne ich ihm trocken. "Ja, ja, war bloss Spass" - versucht er zu beschwichtigen. "Du bist ein Spassvogel" - sage ich ganz freundlich zu ihm, klopfe ihm auf die Schulter und mit den 2 Bechern Beaujolais-Wein, den er uns vorhin angeboten hat, ziehen wir mit Roman weiter.

Jetzt müssen wir noch das Geburtstagsgeschenk unserem Obertroll Peter übergeben, der morgen, genau am Marathontag 50 Jahre alt wird. Es ist ein Laufhemd. Aber nicht irgendeins sondern eine einmalige Spezialanfertigung für den morgigen Tag mit einer Rückseite , die von mir designed und von einem Dresdner Werbestudio hergestellt wurde (Foto). Der Text ist extra auf französisch ("Heute ist mein 50. Geburtstag"), schliesslich feiern wir hier in Frankreich, bei dem schönsten, längsten und langsamsten Marathon der Welt. Wir fahren zu Peters Hotel bei Bordeaux und übergeben es an der Rezeption. Peter und Bärbel sind nicht da. Sie haben, anders als wir, ein Reisebüro in Anspruch genommen und sind z.Z. mit ihrer Reisegruppe in Bordeaux unterwegs. Telefonisch verabreden wir uns für morgen früh an einer bestimmten Stelle im Startbereich.

3. Tag, Samstag, 06.09. Pauillac, der Marathon

Samstag. Wir stehen um 6:00 auf und stellen mit Entsetzten fest, dass es draussen in Strömen regnet. Schade, so ein Pech. Dann wird es wohl heute nicht ganz so lustig wie sonst sein. Als wir kurz nach 8:00 Uhr losfahren, sieht es aber schon etwas freundlicher aus. Es nieselt nur noch leicht. Zum Glück ist es auch relativ warm. Peter ruft mich auf dem Handy an und erklärt mir nochmal genau, wo wir uns nach dem Start treffen sollen. Er und seine ganze Gruppe sind schon im Startbereich, wir mit Roman dagegen noch im Auto unterwegs. Ich werde etwas nervös, spätestens dann, wenn kurz vor Pauillac sich ein Stau bildet. Es ist aber am Ende nicht so schlimm. Wir finden schnell einen Parkplatz und sind noch vor 9:00 Uhr am Start.

Im Moment regnet es nicht, es herrscht eine herrliche, ausgelassene Stimmung. Ca. 8000 Läufer sind da und alle oder fast alle sind mehr oder weniger phantasievoll verkleidet. Einige Gruppen singen und tanzen fröhlich. Das lustige Volkslied "Vive la Bretagne, vive les Bretons" ist gerade zu hören (Foto oben). Auf einer Bühne findet die Präsentation der Kostüme statt, davor steht eine lange Schlange. Bescheidenheit ist heute nicht gefragt, "Sehen und gesehen werden" lautet die Devise. Bildhübsche, knapp bekleidete Mädchen tanzen auf mehreren entlang des Startbereiches auf-gestellten Bühnen und fesseln die Blicke der (männlichen) Teilnehmer (Foto). Ein heftiger aber zum Glück nur kurzer Schauer ergießt sich über die Läufer, schafft es aber kaum, die Stimmung zu trüben. Ein trauriger "Jesus", der sein Kreuz trägt und von zwei römischen Soldaten begleitet wird, läuft an uns vorbei. Wir werden ihn, genause wie den "Elvis", der am Strassenrand steht, später noch mehrmals auf der Strecke sehen.

Peter's alte(r) Bekannte(r) - die "Tunte", die mit ihren schrillen Kostümen bis jetzt jedes Mal im Mittelpunkt stand, ist auch diesmal dabei (Foto). 9:30 Uhr geht es dann los (>> Maraton-Strecke). Wir laufen mit Roman gemütlich los und halten nach ca. 500 Metern hinter der Startlinie an der mit Peter vereinbarten Stelle an. Er und Bärbel sind noch nicht da. Wir warten. Hunderte und mit der Zeit Tausende Läufer ziehen an uns vorbei. Es vergehen erst eine, dann zwei, dann drei, dann weitere Minuten. Haben wir uns etwa missverstanden, ist es nicht die richtige Stelle? Mich überkommen langsam die Zweifel. Das Ende des Läuferfeldes ist auch langsam zu sehen. Dann die Erleichterung. Endlich sind sie da! "Die Mädels mussten noch kurz vor dem Start austreten" - heisst die Erklärung. Nicht so schlimm, zum Glück haben wir uns nicht verpasst.

Nach 3 Kilometern kommt schon die erste Verpflegungsstelle am Chateau Bages. Angesichts unserer Zeitverluste am Start lassen wir sie aber sausen. Trotzdem kommen wir nicht so richtig voran, denn in den engen Gassen von Pauillac bilden sich immer wieder Staus. Die 5 Kilometer-Marke passieren wir erst nach 50 Minuten. Wenn es so weiter geht, könnte es noch mit dem Zeitlimit von 6:30 knapp werden. Während wir an einer schönen Stelle mit Roman anhalten, um ein paar Fotos zu schiessen (s. Panorambild ganz unten), laufen Bärbel und Peter weiter und wir verlieren uns zwischenzeitlich aus den Augen. Nach ein paar Kilometern sind wir aber alle wieder zusammen. Ich würde wie Mel Gibson in dem Film "Patriot" aussehen - meint Peter. Ich muss lachen, obwohl ich den Film (noch) nicht kenne. Kilometer 9 - Zeit: 1 Stunde und 17 Minuten. Wir sind immer noch gemütlich unterwegs. Aber nich so richtig locker, denn der schwere 20Km- Berglauf vom letzen Wochenende steckt uns noch voll in den Knochen.

Es kommt das herrliche Chateau Beychevelle (s. --> Strecke Nr. 12). Zeit für ein Gruppen-foto. Aus den Laut-sprechern ertönt Opernmusik. Ganz bekannt, ich kann sie aber nicht sofort identifizieren. "Peter, was ist das für eine Oper?" - frage ich unseren Obertroll. "Theodor Wagner" - kommt es wie aus der Pistole geschossen. Wir lachen. Neben uns ein paar "junge Mädels" so um die 60. Anscheinend Amerikanerinen, locker und gut drauf. Wir scherzen ein wenig. "Where are you from?" - wollen sie wissen. "From Germany" - antworten wir. Noch ein bisschen "Small talk", dann ziehen wir weiter. Die Oper - das muss "Carmen" von Bizet gewesen sein. 10 Kilometer in 1h32. "Neue persönliche Bestzeit" - freuen wir uns mit Peter. Roman lacht mit. Wir passieren das Chateau Branaire-Ducru (s. --> Strecke Nr. 13). Wieder tolle Musik und tolle Stimmung.

11 Kilometer in 1h40 - wir werden wieder etwas schneller. "Wir sollen nicht so rasen" - meint Peter - "wir müssen jetzt ein paar Verpflegungsstellen "mitmachen", Wein trinken, Rosinen und Orangen essen". "Und Käse" - füge ich hinzu. "Käse gibt es nur an einer Stelle" - meint Peter - "die kommt etwas später, so bei Kilometer 37". "Na gut, dann zuerst ohne Käse aber dafür trinken wir mehr Rotwein". Bei den vorangegangenen Medoc-Marathons (1998, 1999, 2001, 2004) haben wir uns mit dem Weintrinken immer wenigstens bis zum Halbmarathon zurückgehalten aber heute ich Peters 50. Geburtstag und da wird von Anfang an gefeiert. Kilometer 12 in 1h45. Auf einmal haben wir ein Wahnsinnstempo drauf! "Das wird noch schwer heute" - warnt Peter. "Immer anhalten, laufen, anhalten, laufen - das geht ganz schön in die Knochen"

Zwischendurch hatten wir Sonne, im Moment hat sich der Himmel etwas zugezogen, es bleibt aber angenehm warm und trocken. Nach dem vielen Regenfällen der letzten Tage ist der Boden an einigen Stellen stark aufgeweicht, so dass wir hin und wieder durch den Dreck laufen müssen. Nach 14 Kilometern und genau 2 Stunden kommt das prächtige Chateau Lagrange, Grand Cru Classe mit dem schönen See (s. --> Strecke Nr. 16). Hier herrscht wieder beste Stimmung. "Tiens bon la vague tiens bon le vent, hisse et ho Santiano...." - ertönt das bekannte Korsarenlied aus den Lautsprechern. Wir singen mit. Ein Kilometer weiter folgt das Chateau Belgrave, das wir aber auslassen, denn sonst kommen wir heute überhaupt nicht mehr ins Ziel. Hier hat sich Peter vor 4 Jahren von der schönen "Domina", die auch diesmal dabei ist (Foto, ganz links), "aus-peitschen" lassen.

Nach 2h17 (ca. 15,5 km) sind wir bei Chateu Larose Trintaudon. Hochge-rechnet ergibt das eine Endzeit von etwas mehr als 5 Stunden - wir sind wieder voll im "Soll" oder sogar etwas zu schnell! "Trinken wir hier ein Weinchen?" - frage ich Peter. "Oui, bien sur" - antwortet er akzentfrei auf französisch und wir machen wieder eine kleine Pause. "Auf die 100" - stossen wir an. Danach geht es weiter. "Elvis" taucht auf einmal vor uns auf. Wir müssen ein Foto machen! Ich knipse zweimal, wir sagen "merci" bzw. "thank you", da es ein Amerikaner ist, und freuen uns über die Aufnahmen. Leider muss ich später feststellen, dass sie total misgelungen sind - viel zu dunkel und zu unscharf. Mit "Jesus" haben wir dagegen mehr Glück (Foto). Als wir uns ein paar Minuten später mit 3 lustigen Damen aus Südafrika ablichten wollen, versagt meine Kamera. Die Batterien sind langsam alle. "The batterie is coming" - sagt Peter in perfektem Inglish zu den Damen. "Perfectomundo" - lobe ich ihn laut auf Spananisch. Die beiden Südafrikanerinen freuen sich. "Mann, bin ich schon ziemlich betrunken" - sage ich. "Was, Du auch?" - antwortet Peter. Wir lachen laut und und setzen uns wieder in Bewegung.

Dresdner Trolle: Zenon, Peter, Roman (vlnr)

18 Kilometer - 2h27. Bärbel war uns vorhin ein Stück weggelaufen, wir holen sie jetzt wieder langsam ein. "Attends, ma belle" - rufe ich ihr zu. Sie reagiert nicht. "Hast Du verstanden, Bärbel?" "Neee" - sagt sie. "Du musst spanisch mit ihr reden - meint Peter. "Das war doch Spanisch" - entgegne ich promt und wir haben wieder etwas zum Lachen. Wir kommen zum Chateau Batailley. Langsam werden mir die Beine etwas schwer. Peter und Roman geht es ähnlich, nur die Bärbel ist noch ganz fit und drückt gnadenlos aufs Tempo. Sie will heute eine neue Medoc-Bestzeit laufen."Was ist Deine bisherige Beszeit hier?" - frage ich sie. "6h28". "Dann soll auch nichts schiefgehen".

Chateau Grand Puy Lacoste (s. --> Strecke Nr. 25), Kilometer 20 - 2h39:30. Musik, Rotwein, Rosinen. Danach geht es bergab. Die Oberschenkel tun mir weh, ich muss laut stöhnen. Wir laufen unter einer Eisenbahnbrücke, dann kommt Kilometer 21. Auf einmal wird es ganz laut, ein Wagen, gezogen von "Vietnamesen" (oder "Chinesen"?) zieht an uns vorbei (Foto). Die Musik, von der Stereoanlage, die sie mitführen, ist aber nicht asiatisch. Es sind bekannte westliche Sommerhits, die die Strecke auf einmal in eine grosse Disko verwandeln. Man möchte mitsingen und mittanzen. Zur Zeit kommt gerade "La Bomba", ich singe vor lauter Begeisterung mit: "Un movimiento sensual, Un movimiento muy sexy..." (Hintergrundmusik). Die Schmerzen in den Oberschenkeln sind weg. Die "Vietnamesen" haben ein "Höllentempo" drauf, wir bleiben aber dran. Zu schön ist die Stimmung, um sie einfach so ziehen zu lassen. Kilometer 22 - 2h53

Nach 3h02 sind wir am Chateau Pontet-Canet wo der nächste oeno-sportife Test auf uns wartet. Dann kommen schon die beiden ganz grossen Medoc-Nummern - das Chateau Mouton Rothschild und das Chateau Lafite Rothschild mit schönen Seen und grossen Parkanlagen (s. --> Strecke Nr. 29, 30). Wer sich die Weine von hier leisten kann, der hat auch sonst keine Sorgen. Wir dürfen bei Lafite zumindest kosten. Auf einem Tisch sehe ich 2 Baguettes liegen. In der Annahme, dass sie zur Verpflegung gehören, schnappe ich mir eine davon und will ein Stück abreissen. Das geht aber nicht, das Zeug ist zeh wie Leder. Jemand spricht mich von der Seite auf Französisch an, ich bekomme es aber nicht sofort mit, da ich halt voll mit der zähen Baguette beschäftigt bin. Erst nach einer Weile wird mir klar, dass mir der junge Franzose erklären will, dass die Baguette zu seinem Kostüm gehört. Schlagartig wird mir klar, dass ich ihn und seine ganze Gruppe - alle als typische Franzosen vom Lande mit Schnurrbart, Baskenmütze und halt einer Baguette unter dem Arm verkleidet - schon am Start gesehen haben. "Das Zeug ist alt und ecklig, das kannst Du nicht essen" - sagt er zu mir. "Oh putain" - entwischt es mir auf französisch. Mann, ist das peinlich. Nichts wie weg hier. Ich entschuldige mich bei dem Franzosen und wir laufen mit Roman weiter.

Die nächsten 10 Kilometer versuchen wir etwas zügiger hinter uns zu bringen, um uns dafür mehr Zeit auf der letzen Geraden entlang der Gironde zu lassen. Nach 4h57 sind wir bei Kilometer 36. Vor uns eine lustige Gruppe. "Vous etes fatigees" - singen die Männer (ihr seid müde). "On ne pas fatique" - antworten singend die Frauen (nein, wir sind nicht müde) und so geht es die ganze Zeit hin und her. Bei Kilometer 37 gibt es einen Stand mit Schinken. Schön geräuchert und gewürzt, das lassen wir uns nicht entgehen (Foto). Ein Schluck Wein dazu und wir verspüren wieder neue Kräfte. "Wir werden immer fiter" - sage ich zu Peter. "Ja - meint er - "die anderen schwächeln und wir werden immer stärker". "Deutsche Härte" - fügt er noch hinzu und wir lachen wieder. Kilometer 38 in 5h14. "Nur noch 4000 Meter, wir werden es heute locker unter 6 Stunden schaffen" - denke ich zu diesem Zeitpunkt.

Auf einmal wird es laut. Ein deutliches Zeichen dafür, dass wir uns der berühmten Stelle mit den Austern nähern (Foto unten). Kurz vor Kilometer 39 ist es soweit. Während ich eine Auster nach der anderen esse, hat Roman schon nach dem ersten Stück genug davon. Das glischtige Zeug ist nicht Jedermanns Sache. "Peter machst Du mir mit der jungen hübschen Frau ein Foto?" - frage ich den Obertroll. "Mit der Jungfrau, eh.. mit der jungen Frau, klar mache ich" - witzelt Peter und drückt mit seiner Kamera ab. Und so haben wir mit der attraktiven Gabi auch bei diesem Marathon unser "Engelchen" (Foto, zur Definition "Engelchen" - s. --> Bericht Athen-Marathon). Nach der langen Pause bei den Austern passieren wir den Kilometer 39 nach 5h30. Für die letzten 3 Kilometer bleibt uns noch eine Stunde Zeit.

Die nächste Lauf-Pause kommt schon nach weiteren paar Hundert Metern. Wer will, kann hier in einem Schwimmbecken sogar baden. Baden wollen wir nicht, wir singen aber und tanzen, während aus den Lautsprechen der UMCA - Hit ertönt . Mit Roman laufen wir dann weiter. Peter und Bärbel bleiben etwa 50 Meter hinter uns zurück. Kilometer 40 - 5h40. Ich drehe mich um. Hier wird Peter bestimmt, wie bei jedem Marathon, sein traditionelles 40km-Foto machen. Aber er tut nicht dergleichen, beide laufen gleichgültig an dem Schild vorbei. Ich wundere mich ein wenig, denke aber, dass das schon seine Richtigkeit haben wird. Erst als der 41. Kilometer kommt, erfahre ich von ihm dass er die 40km-Marke schlicht übersehen hat. Peter ärgert sich etwas, aber was soll's. Dann wird halt bei Km 42 ein Foto gemacht. Kilometer 41 nach 5h53. Unter 6 Stunden wäre noch zu schaffen aber wir müssen uns doch noch anmalen lassen. Gabi wählt schwarz-gold-rot, Obertroll Peter entscheidet sich für die Heimat der Trolle, während ich mich auf mein Geburtsland besinne und mir Rot-Weiss ins Gesicht pinseln lasse (Foto unten).

Kilometer 42 - 5h59 auf meiner Uhr. Die offizielle Zeit ist schon ein wenig weiter gegangen. Und so schaffen wir im Ziel nicht ganz die 6h-Marke. Aber wen interessiert das schon? Unsere offizielle Zeit - 6h01'21". Gabi und Stefan sind schon da, Peter und Bärbel kommen eine knappe Minute hinter uns. Es ist geschafft. Der schönste, langsamste und längste Marathon der Welt ist 2008 zu Ende. Oder fast zu Ende, denn in den Zelten hinter der Ziellinie wird weiter gefeiert. Wir essen Bröchten mit Gänseleberpastete und trinken becherweise Bier und Wein. Ich selbstverständlich nur stark alkoholfrei, denn ich muss noch ca. 35 Kilometer bis zu unserem Quartier mit dem Auto fahren. Irgendwann, das muss so gegen 18:00 Uhr gewesen sein, ist die Party vorerst zu Ende. Eine Pause von zweieinhalb Stunden ist angesagt, danach soll es weitergehen. Peter & Co. fahren mit ihrer Reisegruppe in ihr Hotel und werden später wieder kommen. Wir mit Roman, gezeichnet von den Strapazen des Tages, verschlafen dagegen den Rest des Abends in unserer Ferienwohnung an der Atlantikküste.

4. Tag, Sonntag, 7.09. Weinverkostung und Ornitrollogie

Sonntag. Wir schlafen heute etwas länger. Am späten vormittag fahren wir zunächst zur Weinverkostung in die Winery, so eine Art Weinzentrum mit Restaurant, Aussstellungen und natürlich einem grossen Weinladen. Ich habe 2 Gutscheine für einen "Vinathlon". Nach dem gestrigen Marathon folgt heute der Vinathlon - wir dürfen 5 Weine aus 42 zu einem Sonderpreis von 5,- Euro verkosten (Foto). Die Weine kosten so zwischen 8,- und 16,- Euro pro Flasche und sind allesamt von guter Medoc-Qualität. Einen wesentlichen (und noch weniger einen unwesentlichen) Unterschied können wir zwischen ihnen nicht erkennen. Wir lassen uns Zeit, zum Wein bestellen wir noch einen Teller mit Käse. Anschliessend schauen wir uns das Weinangebot in der Boutique an. Ich kann wieder einmal nicht widerstehen und nehme noch eine Kiste Rotwein mit - diesmal gemischt aus verschiedenen Chateau's und Jahrgängen.

Gut gelaunt fahren wir dann in den Parc Ornithologique du Teich (ausgesprochen "Tesch"), gelegen am Delta des Flusses L'eyre, direkt am Bassin d'Archachon. Es ist kein Zoo o.ä. sondern wilde Natur - ein Naturschutz-gebiet, etwa ver-gleich-bar mit dem Racó de l'Olla in der Nähe von Valencia, wo wir vor 3 Jahren waren (s. Bericht Valencia-Marathon). Nur grösser und viel schöner. Ein ausgeschilderter Wanderweg, 20 Beobach-tungs-stände und zahlreiche Tafeln er-leichtern die Vogel-beobachtung. Gegen 17:00 Uhr sind wir am Eingang. Die Dame an der Kasse erklärt nur ganz ausführlich, dass wir auf keinen Fall später als bis 19:00 Uhr drinnen bleiben dürfen. Sie muss pünktlich um sieben weg und wir werden dann sonst eingeschlossen werden. Für den Wanderweg braucht man ca. 3 Stunden und wir werden die grosse Schleife nicht mehr ganz schaffen also sollten wir nach einer Stunde wieder umdrehen und zurücklaufen. "Geht klar, wir beeilen uns" - versichere ich ihr. Beim herrlichen Wetter - es ist sonnig und die Temperatur beträgt so um die 25 Grad - laufen wir von Beobachtungsstand zu Beobachtungsstand. Ich mache viele Fotos, das Licht ist ideal. Es gibt zu dieser Jahreszeit nicht übermässig viele Vogelarten und bislang keine Sensationen. Wir beobachten und fotografieren u.a.: Blesshühner, Kuhreiher, Lachmöven, Seidenreiher, Kormorane, Grünschenkel. Blaukehlchen soll es hier auch geben aber diesmal haben wir kein Glück.

18:15 kehren wir um und laufen - jetzt etwas schneller - wieder zurück. Als wir kurz vor dem Ausgang sind, sehe ich, dass in dem letzten Beobachtungsstand ein ziemlicher "Auflauf" stattfindet. "Hier muss es was Besonderes geben" - sage ich zu Roman. Wir sehen zunächst keinen Vogel, dann folge ich aber der Richtung der langen Objektive der professionell ausgestatteten Ornithologen und mache am heutigen Tag doch noch eine tolle Beobachtung (Foto). Welcher Familie der Vogel angehört, ist offensichtlich aber seinen genauen Namen weiss ich zu diesem Zeitpunkt nicht, da ich keinen Vogelführer mit habe. Kein Problem - das werden wir später anhand der Fotos leicht feststellen könnnen. Und davon mache reichlich - am Ende werden es mehr als 30 sein. 18:59 sind wir, zusammen mit den anderen Ornis, wieder am Ausgang und sagen "Adieu" zu der strengen Wächterin des Vogelparks, die mit dem Schlüssel in der Hand bereits auf uns wartet.

Jetzt wollen wir an unserem ca. 45 Kilometer entfernten Strand noch den Sonnenuntergang erleben. Ich umfahre schnell den Bassin d'Archachon, dann fahren wir nach Carcans-Plage. Kurz vor acht sitzen wir schon im Sand. Vorher, auf einem Schild neben der Holztreppe, die hinuter zum Strand führt, bewundern wir wieder einmal die perfekten Deutsch-Kenntnisse der Franzosen (Foto). Es ist noch ganz hell, der Abend ist hier im Westen Frankreichs fast eine Stunde länger als in Sachsen. Wir stossen mit Hefeweizen an und geniessen die die Ruhe am Ozean. Mehrere Surfer kämpfen mit den hohen Wellen und kommen erst dann aus dem Wasser als es schon ganz dunkel wird. Dann gehen auch wir "nach Hause".

5. Tag, Montag 8.09, Borrdeaux und Baden im Atlantik

Montag. Heute fahren wir zunächst nach Bordeaux. Es ist ein herrlicher Tag, warm und sonnig, die Temperatur beträgt 32 Grad. Unterwegs rufen wir "Obertroll" Peter an. "Wir sind gerade auf dem grössten Platz Europa's" - erzählt er mir unter anderem. Eine Dreiviertelstunde später sind wir auch dort aber Peter und Bärbel sind bereits weg und wir werden sie nicht mehr treffen. Heute nachmittag fliegen sie bereits zurück nach Dresden. Der grösste oder, je nach Quelle, der zweitgrösste Platz Europa's - das ist übrigens die Esplanade des quinconces. Hier parken wir unser Auto und gehen zur Touristen-Information, von wo die Stadtrundfahrt startet. In einer Stunde ist Bordeaux "abgearbeitet". Die Stadt kam mir diesmal noch schöner vor als ich sie von den letzen beiden Malen in Erinnerung hatte. Place de la Bourse, Pont de Pierre, Grosse Cloche, Cathedrale St-Andre, Grand Theatre (Foto) - um nur einige der Sehenwürdigkeiten zu nennen. Besonders schön für mich - das Panorama entlang des Quai Louis XVIII.

Nach der Stadtrundfahrt noch ein "Pflichttermin", bevor wir Bordeaux wieder verlassen - wir gehen gezielt zu dem FNAC-Laden, den mir eine junge, nette Mademoiselle in Maubuisson empfohlen hat als ich ich nach einem grossen Laden in Bordeaux mit Büchern, Filmen und CD gefragt habe. Wir bleiben 1,5 Stunden drinnen und gehen mit einem grossen Beutel wieder heraus, in dem sich u.a. "Les Bidochon, En vacances", eine CD von Barbara und mehrere DVDs (u.a. mit Frankreich's derzeit bekanntestem Komiker Dany Boon) befinden. Jetzt fahren wir wieder direkt zu unserem schönen Strand, wo wir schon den gestrigen Abend verbracht haben. Es ist gerade Ebbe und mit einigen Sandbänken sieht er heute ein wenig anders aus. Es ist 18:00 Uhr. Nicht nur die Luft sondern auch das Wasser ist angenehm warm. Viele Urlauber, viel mehr als gestern, säumen den Strand (Foto). Wir baden und sonnen uns, geniessen den Sonnenuntergang (Foto unten) und gehen erst, wenn es dunkel wird und die letzten Surfer das Wasser verlassen.

6. Tag, Dienstag 9.09, Chenonceau

Dienstag. Früh regnet es heftig. Kurz nach 9:00 Uhr fahren wir los. Einen festen Plan gibt es noch nicht. Als kurz vor Tours der Regen aufhört und die Sonne herauskommt, entscheiden wir uns kurzfristig für den Besuch eines der schönsten Schlösser im Loire-Tal - für Chenonceau (Foto links). Natürlich sind wir nicht die einzigen, die heute auf diese Idee gekommen sind. Ganze Busse mit Touristen u.a. aus Russland, USA, Japan, und Spanien werden vor den Toren dieses Chateaux "abgeladen". Da deutsch-sprachige Gruppen momentan fehlen, folgen wir den Spaniern und hören uns die Ausführungen der Reiseführerin an. Nach 2 Stunden sind wir "durch" und fahren mit dem Auto weiter. Es wird schon dunkel als wir in der Hauptstadt der Champagne Reims ankommen. Ein Hotel ist schnell gefunden. Am nächsten Tag fahren wir, ohne Zwischen-stationen, bis Dresden durch und sind am Nachmittag zu Hause. Eine erlebnisreiche, "japanische" aber dennoch stressfreie Frankreich-Woche ist zu Ende.


Kurz vor dem Start
Die ersten Kilometer
Die letzten Kilometer
Die wicBärbel, Zenon, Peter, Roman, Gabi, Stefan (vlnr) htiinen Blick
Gabihtig
wicSonnenuntergang am Atlantik
 

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