... und 6 Tage Frankreich auf japanisch
Bericht von
Zenon Karczewski
__Text:__Zenon.Karczewski@dresdner-trolle.de
__Fotos:_ _Peter
Maier und Zenon Karczewski_
__Musik: _aufgenommen
von Zenon Karczewski
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1.
Tag, Donnerstag, 04.09. Chartres
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Donnerstag.
Früh am morgen um 4 Uhr fahren wir - mein Sohn Roman und
ich - in Dresden los. Ca. 1200 Kilometer ( s. >> Strecke)
liegen vor uns (insgesamt bis Medoc werden es mehr als 1700 sein),
das Ziel hiesst für heute Chartes.
Nicht zufällig sondern wegen der berühmten gotischen
Kathedrale
Notre Dame, die Vorbild für viele andere gotische Kathedralen
in Europa war und die ich schon lange sehen wollte. Kurz nach
16:00 Uhr kommen wir in dem beschaulichen, historischen Ort an.
Ein imposanter Anblick bietet sich uns schon von Weitem an (Foto).
Mann kann sich gut vorstellen, wie diese Kirche im Mittelalter
auf die Bauern aus der Umgebung und die Pilger, die auf dem Jacobsweg
aus der Ferne kamen, gewirkt haben muss. 18:00 Uhr sind wir mit
Madame Clair verabredet, bei der wir heute übernachten werden.
Bis
dahin schauen wir uns die Kathedrale an.
Es läuft gerade ein Orgelkonzert. Wir betrachten die Glasfenster,
die Szenen auf dem Chorumgang und suchen anschliessend das berühmte
Labyrinth,
können es aber auf dem Boden nicht auf Anhieb erkennen. Die
Erklärung ist simpel - es wird durch die aufgestellten Stuhlreihen
verdeckt. Die Pilger im Mittelalter haben diesen Labyrinth stundenlang
auf Knien "abge-arbeitet". Wir haben heute nicht so
viel Zeit und auch nicht das innere Bedürfnis. Nach
dem Bezug unseres Quartiers laufen wir noch eine Runde durch die
mittelalterliche Innenstadt. Es ist relativ kühl, nur wenige
(japanische) Touristen sind heute anzutreffen. Im Schaufenster
eines Souvenirladens entdecke ich auf einer als Gag für Handwerkerstuben
u.ä. bestimmten Tafel (die für schlappe 24 Euro zu haben
ist) , diesen lustigen Text: Die Theorie
ist wenn man alles versteht und nichts funktioniert. Die Praxis
ist, wenn alles funktioniert aber man weiss nicht warum. Hier
haben wir Beides geschafft: nichts funktioniert und auch Niemand
weiss warum.
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2.
Tag, Freitag , 05.09. Pauillac, Marathon-Anmeldung
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Freitag.
Wir starten zeitig und wollen zunächst zur Marathon-Anmeldung
nach Pauillac, bevor wir in unsere Ferienwohnung in Maubuisson,
in der Nähe der Atlantik-Küste auf der anderen Seite der
Halbinsel Medoc
fahren. Unterwegs regnet es und es bleibt lange kühl. Aber
je weiter südlich wir kommen, um so schöner wird es. Ich
verlasse mich bei der Route voll auf mein Navigationssystem. Irgendwann,
es ist schon nicht mehr weit bis Bordeaux, soll ich von der Autobahn
abfahren. Ich folge brav dem Navi, fahre einige Kilometer übers
Land und auf einmal heisst es: "Geradeaus auf die Fähre
auffahren!" So eine Überraschung, damit haben wir gar
nicht gerechnet. Glücklicherweise müssen wir nicht so
lange warten - wir sind fast die Letzten, die auf dem Schiff noch
Platz finden und bald darauf legt es schon ab. Erst jetzt sehe ich
auf die Karte - wir sind in
Blaye und setzen über nach Lamarque. Von dort sind es nur
noch ca. 20 Kilometer bis Pauillac.
Gegen
14:00 Uhr sind wir schon in der Hauptstadt der berühmtesten
(und teuersten) Rotweine der Welt und laufen zunächst an der
Uferpromenade entlang. Hier gibt es zahlreiche Stände, an denen
regionale Erzeugnisse, vor allem Rotwein und die berühmte Fois
gras also die Gänsleberpastete angeboten werden.
Während ich bei Rotwein nicht widerstehen kann und eine Kiste
"La
Paroisse" mitnehme, ist mir die durchaus leckere Pastete,
wo eine winzige Büchse 5,50 € und eine etwas grössere
gleich 15,50 € kosten, doch etwas zu teuer.
Wir
gehen zur Marathonanmeldung. Schnell erhalten wir unsere Start-nummern
und das T-Shirt, das diesmal etwas anders wie sonst aussieht (Foto
oben). An einer Wand in der Sporthalle, wo die Startnummern ausgebene
werden, sehen wir 3 Plakate, die das Zeitlimit für den morgigen
Marathon in 3 Sprachen: französisch, englisch und deutsch anmahnen.
Die deutsche Version besticht durch ihre charmante Exaktheit und
widerlegt eindeutig das Vorurteil,
dass Franzosen nur Französich können und die anderen
Sprachen, insbesondere Deutsch, schlecht beherrschen würden
(Foto).
Die
Marathonmesse findet in Zelten vor der Sporthalle statt. Es gibt
zwar auch Verkaufsstände einiger bekannten Sport-artikel-hersteller,
vor allem präsentieren sich hier aber andere französische
Marathons. Am
Stand des Beaujolais-Marathon
(die Region kennen wir aus dem Vorjahr >> s. Bericht
Lyon-Marathon) werde ich durch einen Standbetreuer in ein Gespräch
verwickelt. Die üblichen Fragen: wo wir herkommen, ob wir Beaujolais-Marathon
und diese Weinregion kennen, usw. Er will auch wissen, was es für
Laufzeitschriften in Deutschland gibt. "Spiridon,
Laufzeit,
Runner's World"
- nenne ich ihm einige. "Lauft ihr morgen verkleidet"
- fragt er weiter. "Ja" - sage ich. "Als was?"
"Als Trolle, wir nennen uns Dresdner Trolle". "Amüsant
aber nicht lustig ("c'est amusant mais pas drole") - will
er mich auf den Arm nehmen in der Annahme, dass ich dieses Wortspiel
nicht verstehen werde. "Doch, ich finde es lustig" - entgegne
ich ihm trocken. "Ja, ja, war bloss Spass" - versucht
er zu beschwichtigen. "Du bist ein Spassvogel" - sage
ich ganz freundlich zu ihm, klopfe ihm auf die Schulter und mit
den 2 Bechern Beaujolais-Wein, den er uns vorhin angeboten hat,
ziehen wir mit Roman weiter.
Jetzt
müssen wir noch das Geburtstagsgeschenk unserem Obertroll Peter
übergeben, der morgen, genau am Marathontag 50
Jahre alt wird. Es ist ein Laufhemd. Aber nicht irgendeins
sondern eine einmalige Spezialanfertigung für den morgigen
Tag mit einer Rückseite , die von mir designed und von einem
Dresdner Werbestudio hergestellt wurde (Foto). Der Text ist extra
auf französisch ("Heute ist mein
50. Geburtstag"), schliesslich feiern wir hier in
Frankreich, bei dem schönsten, längsten und langsamsten
Marathon der Welt. Wir fahren zu Peters Hotel bei Bordeaux und übergeben
es an der Rezeption. Peter und Bärbel sind nicht da. Sie haben,
anders als wir, ein Reisebüro in Anspruch genommen und sind
z.Z. mit ihrer Reisegruppe in Bordeaux unterwegs. Telefonisch verabreden
wir uns für morgen früh an einer bestimmten Stelle im
Startbereich.
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3.
Tag, Samstag, 06.09. Pauillac, der Marathon
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Samstag.
Wir stehen um 6:00 auf und stellen mit Entsetzten fest, dass es
draussen in Strömen regnet. Schade, so ein Pech. Dann wird
es wohl heute nicht ganz so lustig wie sonst sein. Als wir kurz
nach 8:00 Uhr losfahren, sieht es aber schon etwas freundlicher
aus. Es nieselt nur noch leicht. Zum Glück ist es auch relativ
warm. Peter ruft mich auf dem Handy an und erklärt mir nochmal
genau, wo wir uns nach dem Start treffen sollen. Er und seine ganze
Gruppe sind schon im Startbereich, wir mit Roman dagegen noch im
Auto unterwegs. Ich werde etwas nervös, spätestens dann,
wenn kurz vor Pauillac sich ein Stau bildet. Es ist aber am Ende
nicht so schlimm. Wir finden schnell einen Parkplatz und sind noch
vor 9:00 Uhr am Start.
Im
Moment regnet es nicht, es herrscht eine herrliche, ausgelassene
Stimmung. Ca. 8000 Läufer sind da und alle oder fast alle sind
mehr oder weniger phantasievoll verkleidet. Einige Gruppen singen
und tanzen fröhlich. Das lustige Volkslied "Vive
la Bretagne, vive les Bretons" ist gerade zu hören
(Foto oben). Auf einer Bühne findet die Präsentation der
Kostüme statt, davor steht eine lange Schlange. Bescheidenheit
ist heute nicht gefragt, "Sehen und gesehen werden" lautet
die Devise. Bildhübsche, knapp bekleidete Mädchen tanzen
auf mehreren entlang des Startbereiches auf-gestellten Bühnen
und fesseln die Blicke der (männlichen) Teilnehmer (Foto).
Ein
heftiger aber zum Glück nur kurzer Schauer ergießt sich
über die Läufer, schafft es aber kaum, die Stimmung zu
trüben. Ein trauriger "Jesus",
der sein Kreuz trägt und von zwei römischen Soldaten begleitet
wird, läuft an uns vorbei. Wir werden ihn, genause wie den
"Elvis",
der am Strassenrand steht, später noch mehrmals auf der Strecke
sehen.
Peter's alte(r) Bekannte(r) - die "Tunte", die mit ihren
schrillen Kostümen bis jetzt jedes Mal im Mittelpunkt stand,
ist auch diesmal dabei (Foto).
9:30 Uhr geht es dann los (>>
Maraton-Strecke).
Wir laufen mit Roman gemütlich los und halten nach ca. 500
Metern hinter der Startlinie an der mit Peter vereinbarten Stelle
an. Er und Bärbel sind noch nicht da. Wir warten. Hunderte
und mit der Zeit Tausende Läufer ziehen an uns vorbei. Es vergehen
erst eine, dann zwei, dann drei, dann weitere Minuten. Haben wir
uns etwa missverstanden, ist es nicht
die richtige Stelle? Mich überkommen langsam die Zweifel. Das
Ende des Läuferfeldes ist auch langsam zu sehen. Dann die Erleichterung.
Endlich sind sie da! "Die Mädels mussten noch kurz vor
dem Start austreten" - heisst die Erklärung. Nicht so
schlimm, zum Glück haben wir uns nicht verpasst.
Nach
3 Kilometern kommt schon die erste Verpflegungsstelle am Chateau
Bages. Angesichts unserer Zeitverluste am Start lassen wir sie aber
sausen. Trotzdem kommen wir nicht so richtig voran, denn in den
engen Gassen von Pauillac bilden sich immer wieder Staus. Die
5 Kilometer-Marke passieren wir erst nach 50 Minuten.
Wenn es so weiter geht, könnte es noch mit dem Zeitlimit von
6:30 knapp werden. Während wir an einer schönen Stelle
mit Roman anhalten, um ein paar Fotos zu schiessen (s. Panorambild
ganz unten), laufen Bärbel und Peter weiter und wir verlieren
uns zwischenzeitlich aus den Augen. Nach ein paar Kilometern sind
wir aber alle wieder zusammen. Ich würde wie Mel Gibson in
dem Film "Patriot" aussehen - meint Peter. Ich muss lachen,
obwohl ich den Film (noch) nicht kenne. Kilometer
9 - Zeit: 1 Stunde und 17 Minuten. Wir sind immer noch
gemütlich unterwegs. Aber nich so richtig locker, denn der
schwere 20Km- Berglauf vom letzen Wochenende steckt uns noch voll
in den Knochen.
Es
kommt das herrliche Chateau
Beychevelle (s. --> Strecke
Nr. 12). Zeit für ein Gruppen-foto. Aus den Laut-sprechern
ertönt Opernmusik. Ganz bekannt, ich kann sie aber nicht sofort
identifizieren. "Peter, was ist das für eine Oper?"
- frage ich unseren Obertroll. "Theodor Wagner" - kommt
es wie aus der Pistole geschossen. Wir lachen. Neben uns ein paar
"junge Mädels" so um die 60. Anscheinend Amerikanerinen,
locker und gut drauf. Wir scherzen ein wenig. "Where are you
from?" - wollen sie wissen. "From Germany" - antworten
wir. Noch ein bisschen "Small talk", dann ziehen wir weiter.
Die Oper - das muss "Carmen"
von Bizet gewesen sein. 10 Kilometer
in 1h32. "Neue persönliche Bestzeit" - freuen wir
uns mit Peter. Roman lacht mit. Wir passieren das Chateau Branaire-Ducru
(s. --> Strecke
Nr. 13). Wieder tolle Musik und tolle Stimmung.
11
Kilometer in 1h40 - wir werden wieder etwas schneller.
"Wir sollen nicht so rasen" - meint Peter - "wir
müssen jetzt ein paar Verpflegungsstellen "mitmachen",
Wein trinken, Rosinen und Orangen essen". "Und Käse"
- füge ich hinzu. "Käse gibt es nur an einer Stelle"
- meint Peter - "die kommt etwas später, so bei Kilometer
37". "Na
gut, dann zuerst ohne Käse aber dafür trinken wir mehr
Rotwein". Bei den vorangegangenen Medoc-Marathons (1998, 1999,
2001, 2004) haben wir uns mit dem Weintrinken immer wenigstens bis
zum Halbmarathon zurückgehalten aber heute ich Peters 50. Geburtstag
und da
wird von Anfang an gefeiert. Kilometer
12 in 1h45. Auf einmal haben wir ein Wahnsinnstempo drauf!
"Das wird noch schwer heute" - warnt Peter. "Immer
anhalten, laufen, anhalten, laufen - das geht ganz schön in
die Knochen"
Zwischendurch
hatten wir Sonne, im Moment hat sich der Himmel etwas zugezogen,
es bleibt aber angenehm warm und trocken. Nach dem vielen Regenfällen
der letzten Tage ist der Boden an einigen Stellen stark aufgeweicht,
so dass wir hin und wieder durch den Dreck laufen müssen. Nach
14 Kilometern und genau 2 Stunden
kommt das prächtige Chateau Lagrange, Grand Cru Classe mit
dem schönen See (s. --> Strecke
Nr. 16). Hier herrscht wieder beste Stimmung. "Tiens
bon la vague tiens bon le vent, hisse et ho Santiano...."
- ertönt das bekannte Korsarenlied aus den Lautsprechern. Wir
singen mit. Ein Kilometer weiter folgt das Chateau Belgrave, das
wir aber auslassen, denn sonst kommen wir heute überhaupt nicht
mehr ins Ziel. Hier hat sich Peter vor 4 Jahren von der schönen
"Domina", die auch diesmal dabei ist (Foto, ganz links),
"aus-peitschen" lassen.
Nach
2h17 (ca. 15,5 km) sind wir
bei Chateu Larose Trintaudon. Hochge-rechnet ergibt das eine Endzeit
von etwas mehr als 5 Stunden - wir sind wieder voll im "Soll"
oder sogar etwas zu schnell! "Trinken wir hier ein Weinchen?"
- frage ich Peter. "Oui, bien sur" - antwortet er akzentfrei
auf französisch und wir machen wieder eine kleine Pause. "Auf
die 100" - stossen wir an. Danach geht es weiter. "Elvis"
taucht auf einmal vor uns auf. Wir müssen ein Foto machen!
Ich knipse zweimal, wir sagen "merci" bzw. "thank
you", da es ein Amerikaner ist, und freuen uns über die
Aufnahmen. Leider muss ich später feststellen, dass sie total
misgelungen sind - viel zu dunkel und zu unscharf. Mit "Jesus"
haben wir dagegen mehr Glück (Foto). Als wir uns ein paar Minuten
später mit 3 lustigen Damen aus Südafrika ablichten wollen,
versagt meine Kamera. Die Batterien sind langsam alle. "The
batterie is coming" - sagt Peter in perfektem Inglish zu den
Damen. "Perfectomundo" - lobe ich ihn laut auf Spananisch.
Die beiden Südafrikanerinen freuen sich. "Mann, bin ich
schon ziemlich betrunken" - sage ich. "Was, Du auch?"
- antwortet Peter. Wir lachen laut und und setzen uns wieder in
Bewegung.
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Dresdner
Trolle: Zenon, Peter, Roman (vlnr)
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18
Kilometer - 2h27. Bärbel war uns vorhin ein Stück
weggelaufen, wir holen sie jetzt wieder langsam ein. "Attends,
ma belle" - rufe ich ihr zu. Sie reagiert nicht. "Hast
Du verstanden, Bärbel?" "Neee" - sagt sie. "Du
musst spanisch mit ihr reden - meint Peter. "Das war doch Spanisch"
- entgegne ich promt und wir haben wieder etwas zum Lachen. Wir
kommen zum Chateau Batailley. Langsam werden mir die Beine etwas
schwer. Peter
und Roman geht es ähnlich, nur die Bärbel ist noch ganz
fit und drückt gnadenlos aufs Tempo. Sie will heute eine neue
Medoc-Bestzeit laufen."Was ist Deine bisherige Beszeit hier?"
- frage ich sie. "6h28". "Dann soll auch nichts schiefgehen".
Chateau
Grand Puy Lacoste (s. --> Strecke
Nr. 25),
Kilometer 20 - 2h39:30.
Musik, Rotwein, Rosinen. Danach geht es bergab. Die Oberschenkel
tun mir weh, ich muss laut stöhnen. Wir laufen unter einer
Eisenbahnbrücke, dann kommt Kilometer 21. Auf einmal wird es
ganz laut, ein Wagen, gezogen von "Vietnamesen" (oder
"Chinesen"?) zieht an uns vorbei (Foto). Die Musik, von
der Stereoanlage, die sie mitführen, ist aber nicht asiatisch.
Es sind bekannte westliche Sommerhits, die die Strecke auf einmal
in eine grosse Disko verwandeln. Man möchte mitsingen und mittanzen.
Zur Zeit kommt gerade "La
Bomba", ich singe vor lauter Begeisterung mit: "Un
movimiento sensual, Un movimiento muy sexy..." (Hintergrundmusik).
Die Schmerzen in den Oberschenkeln sind weg. Die "Vietnamesen"
haben ein "Höllentempo" drauf, wir bleiben aber dran.
Zu schön ist die Stimmung, um sie einfach so ziehen zu lassen.
Kilometer 22 - 2h53
Nach
3h02 sind wir am Chateau Pontet-Canet
wo der nächste oeno-sportife Test auf uns wartet. Dann kommen
schon die beiden ganz grossen Medoc-Nummern
- das Chateau
Mouton Rothschild und das Chateau
Lafite Rothschild mit schönen Seen und grossen Parkanlagen
(s. --> Strecke
Nr. 29, 30). Wer sich die Weine von hier leisten kann, der hat auch
sonst keine Sorgen. Wir dürfen bei Lafite zumindest kosten.
Auf einem Tisch sehe ich 2 Baguettes liegen. In der Annahme, dass
sie zur Verpflegung gehören, schnappe ich mir eine davon und
will ein Stück abreissen. Das geht aber nicht, das Zeug ist
zeh wie Leder. Jemand spricht mich von der Seite auf Französisch
an, ich bekomme es aber nicht sofort mit, da ich halt voll mit der
zähen Baguette beschäftigt bin. Erst nach einer Weile
wird mir klar, dass mir der junge Franzose erklären will, dass
die Baguette zu seinem Kostüm gehört. Schlagartig wird
mir klar, dass ich ihn und seine ganze Gruppe - alle als typische
Franzosen vom Lande mit Schnurrbart, Baskenmütze und halt einer
Baguette unter dem Arm verkleidet - schon am Start gesehen haben.
"Das Zeug ist alt und ecklig, das kannst Du nicht essen"
- sagt er zu mir. "Oh putain" - entwischt es mir auf französisch.
Mann, ist das peinlich. Nichts wie weg hier. Ich entschuldige mich
bei dem Franzosen und wir laufen mit Roman weiter.
Die
nächsten 10 Kilometer versuchen wir etwas zügiger
hinter uns zu bringen,
um uns dafür mehr Zeit auf
der letzen Geraden entlang der Gironde zu lassen.
Nach 4h57 sind wir
bei Kilometer 36. Vor uns eine
lustige Gruppe. "Vous etes fatigees" - singen die Männer
(ihr seid müde). "On ne pas fatique" - antworten
singend die Frauen (nein, wir sind nicht müde) und so geht
es die ganze Zeit hin und her. Bei Kilometer
37 gibt es einen Stand mit Schinken. Schön geräuchert
und gewürzt, das lassen wir uns nicht entgehen (Foto). Ein
Schluck Wein dazu und wir verspüren wieder neue Kräfte.
"Wir werden immer fiter" - sage ich zu Peter. "Ja
- meint er - "die anderen schwächeln und wir werden immer
stärker". "Deutsche Härte" - fügt
er noch hinzu und wir lachen wieder. Kilometer
38 in 5h14. "Nur noch 4000 Meter, wir werden es
heute locker unter 6 Stunden schaffen" - denke ich zu diesem
Zeitpunkt.
Auf
einmal wird es laut. Ein deutliches Zeichen dafür, dass wir
uns der berühmten Stelle mit den Austern
nähern (Foto unten). Kurz vor Kilometer
39 ist es soweit. Während ich eine Auster nach der anderen
esse, hat Roman schon nach dem ersten Stück genug davon. Das
glischtige Zeug ist nicht Jedermanns Sache. "Peter machst Du
mir mit der jungen hübschen Frau ein Foto?" - frage ich
den Obertroll. "Mit der Jungfrau, eh.. mit der jungen Frau,
klar mache ich" - witzelt Peter und drückt mit seiner
Kamera ab. Und so haben wir mit der attraktiven Gabi auch bei diesem
Marathon unser "Engelchen" (Foto, zur Definition "Engelchen"
- s. --> Bericht
Athen-Marathon). Nach
der langen Pause bei den Austern passieren wir den Kilometer
39 nach 5h30. Für die letzten 3 Kilometer bleibt
uns noch eine Stunde Zeit.
Die
nächste Lauf-Pause kommt schon nach weiteren paar Hundert Metern.
Wer will, kann hier in einem Schwimmbecken sogar baden. Baden wollen
wir nicht, wir singen aber und tanzen, während aus den Lautsprechen
der UMCA
- Hit ertönt . Mit Roman laufen wir dann weiter. Peter und
Bärbel bleiben etwa 50 Meter hinter uns zurück. Kilometer
40 - 5h40. Ich drehe mich um. Hier wird Peter bestimmt,
wie bei jedem Marathon, sein traditionelles 40km-Foto machen. Aber
er tut nicht dergleichen, beide laufen gleichgültig an dem
Schild vorbei. Ich wundere mich ein wenig, denke aber, dass das
schon seine Richtigkeit haben wird. Erst als der 41. Kilometer kommt,
erfahre ich von ihm dass er die 40km-Marke schlicht übersehen
hat. Peter ärgert sich etwas, aber was soll's. Dann wird halt
bei Km 42 ein Foto gemacht. Kilometer
41 nach 5h53. Unter 6 Stunden wäre noch zu schaffen
aber wir müssen uns doch noch anmalen lassen. Gabi wählt
schwarz-gold-rot, Obertroll Peter entscheidet sich für die
Heimat der Trolle,
während ich mich auf mein Geburtsland besinne und mir Rot-Weiss
ins Gesicht pinseln lasse (Foto unten).
Kilometer
42 - 5h59 auf meiner Uhr. Die offizielle Zeit ist schon
ein wenig weiter gegangen. Und so schaffen wir im Ziel nicht ganz
die 6h-Marke. Aber wen interessiert das schon? Unsere offizielle
Zeit - 6h01'21". Gabi und
Stefan sind schon da, Peter und Bärbel kommen eine knappe Minute
hinter uns. Es ist geschafft. Der schönste, langsamste und
längste Marathon der Welt ist 2008 zu Ende. Oder fast zu Ende,
denn in den Zelten hinter der Ziellinie wird weiter gefeiert. Wir
essen Bröchten mit Gänseleberpastete und trinken becherweise
Bier und Wein. Ich selbstverständlich nur stark alkoholfrei,
denn ich muss noch ca. 35 Kilometer bis zu unserem Quartier mit
dem Auto fahren. Irgendwann, das muss so gegen 18:00 Uhr gewesen
sein, ist die Party vorerst zu Ende. Eine Pause von zweieinhalb
Stunden ist angesagt, danach soll es weitergehen. Peter & Co.
fahren mit ihrer Reisegruppe in ihr Hotel und werden später
wieder kommen. Wir mit Roman, gezeichnet von den Strapazen des Tages,
verschlafen dagegen den Rest des Abends in unserer Ferienwohnung
an der Atlantikküste.
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4.
Tag, Sonntag, 7.09. Weinverkostung und Ornitrollogie
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Sonntag.
Wir schlafen heute etwas länger. Am späten vormittag
fahren wir zunächst zur Weinverkostung in die Winery,
so eine Art Weinzentrum mit Restaurant, Aussstellungen und natürlich
einem grossen Weinladen. Ich habe 2 Gutscheine für einen
"Vinathlon". Nach dem gestrigen Marathon folgt heute
der Vinathlon - wir dürfen 5 Weine aus 42 zu einem Sonderpreis
von 5,- Euro verkosten (Foto). Die Weine kosten so zwischen 8,-
und 16,- Euro pro Flasche und sind allesamt von guter Medoc-Qualität.
Einen wesentlichen (und noch weniger einen unwesentlichen) Unterschied
können wir zwischen ihnen nicht erkennen. Wir lassen uns
Zeit, zum Wein bestellen wir noch einen Teller mit Käse.
Anschliessend schauen wir uns das Weinangebot in der Boutique
an. Ich kann wieder einmal nicht widerstehen und nehme noch eine
Kiste Rotwein mit - diesmal gemischt aus verschiedenen Chateau's
und Jahrgängen.
Gut
gelaunt fahren wir dann in den Parc
Ornithologique du Teich (ausgesprochen "Tesch"),
gelegen am Delta des Flusses L'eyre, direkt am Bassin
d'Archachon. Es ist kein Zoo o.ä. sondern wilde Natur
- ein Naturschutz-gebiet, etwa ver-gleich-bar mit dem Racó
de l'Olla in der Nähe von Valencia, wo wir vor 3 Jahren waren
(s. Bericht
Valencia-Marathon). Nur grösser und viel schöner.
Ein ausgeschilderter Wanderweg, 20 Beobach-tungs-stände und
zahlreiche Tafeln er-leichtern die Vogel-beobachtung. Gegen 17:00
Uhr sind wir am Eingang. Die Dame an der Kasse erklärt nur
ganz ausführlich, dass wir auf keinen Fall später als
bis 19:00 Uhr drinnen bleiben dürfen. Sie muss pünktlich
um sieben weg und wir werden dann sonst eingeschlossen werden.
Für den Wanderweg braucht man ca. 3 Stunden und wir werden
die grosse Schleife nicht mehr ganz schaffen also sollten wir
nach einer Stunde wieder umdrehen und zurücklaufen. "Geht
klar, wir beeilen uns" - versichere ich ihr. Beim herrlichen
Wetter - es ist sonnig und die Temperatur beträgt so um die
25 Grad - laufen wir von Beobachtungsstand zu Beobachtungsstand.
Ich mache viele Fotos, das Licht ist ideal. Es
gibt zu dieser Jahreszeit nicht übermässig viele Vogelarten
und bislang keine Sensationen. Wir beobachten und fotografieren
u.a.: Blesshühner, Kuhreiher, Lachmöven, Seidenreiher,
Kormorane, Grünschenkel. Blaukehlchen
soll es hier auch geben aber diesmal haben wir kein Glück.
18:15
kehren wir um und laufen - jetzt etwas schneller - wieder zurück.
Als wir kurz vor dem Ausgang sind, sehe ich, dass in dem letzten
Beobachtungsstand ein ziemlicher "Auflauf" stattfindet.
"Hier muss es was Besonderes geben" - sage ich zu Roman.
Wir sehen zunächst keinen Vogel, dann folge ich aber der
Richtung der langen Objektive der professionell ausgestatteten
Ornithologen und mache am heutigen Tag doch noch eine tolle Beobachtung
(Foto). Welcher Familie der Vogel angehört, ist offensichtlich
aber seinen genauen Namen weiss ich zu diesem Zeitpunkt nicht,
da ich keinen Vogelführer
mit habe. Kein Problem - das werden wir später anhand der
Fotos leicht feststellen könnnen. Und davon mache reichlich
- am Ende werden es mehr als 30 sein. 18:59 sind wir, zusammen
mit den anderen Ornis, wieder am Ausgang und sagen "Adieu"
zu der strengen Wächterin des Vogelparks, die mit dem Schlüssel
in der Hand bereits auf uns wartet.
Jetzt
wollen wir an unserem ca. 45 Kilometer entfernten Strand noch
den Sonnenuntergang erleben. Ich umfahre schnell den Bassin
d'Archachon, dann fahren wir nach Carcans-Plage.
Kurz vor acht sitzen wir schon im Sand. Vorher, auf einem Schild
neben der Holztreppe, die hinuter zum Strand führt, bewundern
wir wieder einmal die perfekten Deutsch-Kenntnisse der Franzosen
(Foto). Es ist noch ganz hell, der Abend ist hier im Westen Frankreichs
fast eine Stunde länger als in Sachsen. Wir stossen mit Hefeweizen
an und geniessen die die Ruhe am Ozean. Mehrere Surfer kämpfen
mit den hohen Wellen und kommen erst dann aus dem Wasser als es
schon ganz dunkel wird. Dann gehen auch wir "nach Hause".
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5.
Tag, Montag 8.09, Borrdeaux und Baden im Atlantik
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Montag.
Heute fahren wir zunächst nach Bordeaux. Es ist ein herrlicher
Tag, warm und sonnig, die Temperatur beträgt 32 Grad. Unterwegs
rufen wir "Obertroll" Peter an. "Wir sind gerade
auf dem grössten Platz Europa's" - erzählt er mir
unter anderem. Eine Dreiviertelstunde später sind wir auch
dort aber Peter und Bärbel sind bereits weg und wir werden
sie nicht mehr treffen. Heute nachmittag fliegen sie bereits zurück
nach Dresden. Der grösste oder, je nach Quelle, der zweitgrösste
Platz Europa's - das ist übrigens die Esplanade
des quinconces. Hier parken wir unser Auto und gehen zur Touristen-Information,
von wo die Stadtrundfahrt startet. In einer Stunde ist Bordeaux
"abgearbeitet". Die Stadt kam mir diesmal noch schöner
vor als ich sie von den letzen beiden Malen in Erinnerung hatte.
Place de la Bourse, Pont de Pierre, Grosse Cloche, Cathedrale St-Andre,
Grand Theatre (Foto) - um nur einige der Sehenwürdigkeiten
zu nennen. Besonders schön für mich - das Panorama
entlang des Quai Louis XVIII.
Nach
der Stadtrundfahrt noch ein "Pflichttermin", bevor wir
Bordeaux wieder verlassen - wir gehen gezielt zu dem FNAC-Laden,
den mir eine junge, nette Mademoiselle
in Maubuisson empfohlen hat als ich ich nach einem grossen Laden
in Bordeaux mit Büchern, Filmen und CD gefragt habe. Wir bleiben
1,5 Stunden drinnen und gehen mit einem grossen Beutel wieder heraus,
in dem sich u.a. "Les
Bidochon, En vacances", eine CD von Barbara
und mehrere DVDs (u.a. mit Frankreich's derzeit bekanntestem Komiker
Dany
Boon) befinden. Jetzt
fahren wir wieder direkt zu unserem schönen Strand, wo wir
schon den gestrigen Abend verbracht haben. Es ist gerade Ebbe und
mit einigen Sandbänken sieht er heute ein wenig anders aus.
Es ist 18:00 Uhr. Nicht nur die Luft sondern auch das Wasser ist
angenehm warm. Viele Urlauber, viel mehr als gestern, säumen
den Strand (Foto). Wir baden und sonnen uns, geniessen den Sonnenuntergang
(Foto unten) und gehen erst, wenn es dunkel wird und die letzten
Surfer das Wasser verlassen.
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6.
Tag, Dienstag 9.09, Chenonceau
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Dienstag.
Früh regnet es heftig. Kurz nach 9:00 Uhr fahren wir los. Einen
festen Plan gibt es noch nicht. Als kurz vor Tours der Regen aufhört
und die Sonne herauskommt, entscheiden wir uns kurzfristig für
den Besuch eines der schönsten Schlösser im Loire-Tal
- für Chenonceau
(Foto links). Natürlich sind wir nicht die einzigen, die
heute auf diese Idee gekommen sind. Ganze Busse mit Touristen u.a.
aus Russland, USA, Japan, und Spanien werden vor den Toren dieses
Chateaux "abgeladen". Da deutsch-sprachige Gruppen momentan
fehlen, folgen wir den Spaniern und hören uns die Ausführungen
der Reiseführerin an. Nach 2 Stunden sind wir "durch"
und fahren mit dem Auto weiter. Es wird schon dunkel als wir in
der Hauptstadt der Champagne Reims ankommen. Ein Hotel ist schnell
gefunden. Am nächsten Tag fahren wir, ohne Zwischen-stationen,
bis Dresden durch und sind am Nachmittag zu Hause. Eine erlebnisreiche,
"japanische"
aber dennoch stressfreie Frankreich-Woche ist zu Ende.
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Kurz
vor dem Start |
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Die
ersten Kilometer |
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Die
letzten Kilometer |
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Die
wicBärbel,
Zenon, Peter, Roman, Gabi, Stefan (vlnr) htiinen
Blick
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Gabihtig |
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wicSonnenuntergang
am Atlantik |
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