Und endlich ist es soweit: der Startschuss fällt und die Masse
fängt an, sich gemächlich nach vorn zu bewegen, vorbei
an Tausenden von jubelnden Zuschauern. Zunächst durch die Strassen
von Pauillac (Bild 13),
dann, nach ein paar Kilometern, durch weite bis zum Horizont reichende
Weinfelder, auf denen die besten
und teuersten Rotweine der Welt reifen (Bild
14) . Schon bald erreichen wir das erste Chateau - das herrliche
Chateau
Latour (Bid 15).
Über 60 , teilweise sehr bekannte "Schlösser"
werden es noch sein, an denen wir vorbeilaufen, viele von Ihnen
mit einer Verpflegungsstelle.
Peter und Bärbel sind inzwischen verschwunden, wir laufen
jetzt mit Hubertus zu zweit. Es ist leicht bewölkt und sehr
warm aber dennoch lässt es sich in der Verkleidung ganz gut
aushalten. Wir haben jetzt ca. 10 km hinter uns, die Stimmung ist
nach wie vor prächtig, noch keine Spur von Müdigkeit.
Hinter mir höre ich auf einaml ein lautes Dröhnen, ich
schaue mich um. "Vorsicht" - schreie ich zu Hubertus und
zerre ihn zur Boden. An uns rauschen ca. 10 "Jumbo-Jets"
vorbei und verschwinden schon nach wenigen Sekunden in den Weinstöcken
hinter der nächsten Kurve (Bild
16). "Uff", nach diesem Stress ist jetzt Zeit für
eine Erholungspause. Wir steuern die nächste Verpflegungsstelle
an (Bild 17), essen
und trinken und betrachten in aller Ruhe das bunte Treiben um uns
herum.
O.K. weiter geht's. Wir passieren die Chateau's: Larose
Trintaudon, Batailley
und Grand
Puy Lacoste , die nächsten grossen Ziele werden die berühmten
Rothschild-Schlösser sein: Mouton
Rohtschild und Lafite
Rothschild. Ich freue mich schon drauf und erhöhe etwas
das Tempo. Bei Hubertus zieht es aber leicht im rechten Bein, er
möchte ein Stück gehen. "In Ordung" - sage ich
- "wir treffen uns bei km 25, ich laufe schon vor".
An der Verpflegungsstelle im Chateau
Pontet-Canet bei km 21 gönne ich mir mein erstes Glas Wein
(Bild 18). "Hmm-
nicht schlecht" , auch wenn es sicherlich nicht ein teurer
Erstwein Jahrgang 81 ist.
Jetzt kommt die erste grosse Nummer (s. Les
Grands Crus Classes) - Chateau Muton Rothschild. Ich laufe in
den riesigen, herrlich gepflegten Park ein (Bild
19) und beschliesse spontan, hier auf Hubertus zu warten. Eine
schönere Stelle wird es kaum noch geben. Aber Hubertus kommt
lange nicht, also ändere ich die Taktik und versuche so schnell
wie möglich, zu Peter und Bärbel aufzuschliessen.
Genau bei km 25, am Eingangstor des Chateau Lafite Rothschild ist
es soweit. "Herr Maier" - schrei ich laut - "wartet,
wir machen hier erst mal ein schönes Foto". Als ich "abdrücken"
will, rennt Peter auf einmal auf die andere Seite vom Tor und holt
das Schild mit dem Schloss-Namen. Ja, so ist es noch besser. Als
wir das Schild zurück auf die andere Seite stellen wollen,
da kommt schon die nächste Gruppe und zerrt es uns aus der
Hand - die wollen auch so ein Bild haben (Bild
20).
Im Lafite Rothschild legen wir, an einer Verpflegungsstelle mit
Blick auf einen schönen See, wieder eine Rast ein. Wir haben
ja Zeit, das Zeitlimit liegt bei diesem "Marathon" bei
6:30 und hier ist es so himmlisch schön. Oder einfach teuflisch
gut (Bild 21)?
Wir laufen weiter. Die nächste Station: das prächtige
Chateau
Le Crock bei km 27. Hier ist viel los, da können wir nicht
so einfach vorbeilaufen. Wir bleiben stehen, trinken ein Glas Rotwein,
essen Kuchen und Rosinen. Ein Lufballon landet gerade auf der Wiese
hinter uns. "Peter, Zenon" - ruft uns auf einmal eine
bekannte Stimme. Es ist Hubertus. Er hat den Anschluss geschafft
- die Dresdner Trolle sind wieder zusammen! Wenig später treffen
wir auch die beiden "Skatbrüder" aus Leipzig: Frank
und Wolfgang (Bild 22).
Und wer kommt denn dort? Das ist doch der Benno, leicht geschafft
aber trotzdem fröhlich. Wie geht's Benno - frage ich. "Mit
jedem Kilometer besser" - sagt er und lacht. Na, da ist die
Welt wieder in Ordnung. Auch Benno's "Ballet-Truppe" ist
da, wir schiessen ein obligatorisches Foto (Bild
23) und schwatzen noch 'ne Weile. Ich verliere dabei meine Trolle
aus den Augen. "Ich glaube, die sind schon weg" - sagt
Benno.
Also laufe auch ich auch weiter, werde dabei immer schneller, aber
von Peter, Hubertus und Bärbel ist nichts zu sehen. Jetzt merke
ich langsam, dass wir hier bei einem Marathon sind, einem Lauf,
der erst nach 30 Kilometern so richtig beginnt. Na ja, heute wird
es nicht so schlimm werden, trotzdem die Oberschenkel werden langsam
fest, an beiden Füssen habe ich Blasen bekommen. Da hätte
man im Vorfeld doch ein bisschen mehr trainieren sollen.
Im Chateau
Phelan Segur trinke ich wieder einen Schluck Rotwein, wenig
später ist schon das Chateau
Haut-Marbuzet in Sicht. Es ist Kilometer 35. Soll ich jetzt
auf die Anderen warten oder weiter laufen? Ich entscheide mich für
das Letztere. Jetzt will ich schnell ins Ziel und erst dort weiter
feiern. Vom Laufen habe ich langsam genug.
Da kommt schon der berühmte Kilometer 38. Hier anzuhalten
und (die Manneskraft stärkenden) Austern
mit Weisswein zu geniessen ist Pflicht (Bild
24). Also nehme ich zunächst eine in den Mund, dann die
zweite und die dritte. "Mann, die schmecken gar nicht so schlecht,
wie ich dachte".
Noch 4 Kilometer und ich bin auf dem roten Teppich und passiere
die Ziellinie. 5:43:10 - neue Medoc-Bestzeit! (Bild
25). Mit schöner Medaille, einem Rucksack, einer Weste
und einer Flasche Rotwein, die jeder Finisher bekommt, gehe ich
in das grosse Zelt neben dem Zielbereich. Hier gibt es was zu essen
und zu trinken, gleich am Eingang lächelt mich ein "Engelchen"
an und reicht mir einen Becher mit Rotwein (Bild
26) . "Merci" - bedanke ich mich brav. Ich drehe eine
Runde im Zelt, wenig später bin ich wieder am Eingang und wieder
bekomme ich Rotwein von demselben freundlichen Mädchen.
Nach dem vierten Becher wird meine Stimmung richtig gut. Keine
Spur mehr von Müdigkeit, die Blasen an den Füssen tun
auch nicht mehr weh. Ich schaue auf die Uhr - gleich ist das offizielle
Zeitlimit von 6:30 Stunden abgelaufen. Wo sind die Anderen? Bei
den Austern steckengeblieben? Nein, da kommen sie doch schon. Zunächst
sehe ich die beiden stämmigen "Winkinger" mit ihrer
"Braut", dann kommt Frank, zum Schluss Wolfgang, begleitet
von 2 flotten "Mietzen" (Bild
27). "Mensch, Wolfgang, wo hast Du die Mädels her?"
- frage ich etwas neidisch. Wolfgang lacht nur schelmisch, stolz
auf seinen unwiderstehlichen Charme.
Wir trinken wieder Rotwein, ein Glas und dann noch eins. Die
Frauen werden immer schöner, die Laune
immer besser. Auf einmal taucht in der Mittel des Zeltes eine Blas-
und Trommelkapelle auf und sorgt für noch mehr Stimmung (Bild
28). Wir tanzen und singen: "Einer geht noch, einer geht
noch rein, einer geht noch rein".
Die Zeit vergeht schnell, es ist schon kurz vor sechs. Schade,
aber wir müssen jetzt gehen. Am unseren Bussen treffen wir
die anderen Läufer aus unserer Reisegruppe - manche sehen ziemlich
abgekämpft, andere dagegen noch ganz frisch und munter aus
(Bild 29 und
Bild 30). Nach
ca. 1,5 Stunden sind wir in unserem Hotel in Bordeaux.
Am Sonntag fahren wir noch zu einer Weinverkostung ins Chateau
Kirwan (Bild
31), danach zu dem herrlichen Strand von Arcachon (Bild
32). 18:00 Uhr geht es von dort wieder zurück Richtung
Dresden. Es werden insgesamt 24 Stunden Busfahrt sein, unterbrochen
von einem 2stündigen Aufenthalt in Speyer (Super-Idee des Reiseveranstalters!),
den die meisten von uns zum Besuch des berühtem
Doms nutzen.
Montag, gegen 19:00 Uhr bin ich wieder zu Hause. Als ich die Reisetasche
auspacke, finde ich mein in Bordaux verloren
geglaubtes Portemonnaie mit Bargeld und Kreditkarten wieder.
Ein Happy-End einer schönen (Bus)-Laufreise.
(Nur) Fliegen
wäre schöner gewesen.
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