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Hanno
(im Foto links) sagt im Flugzeug nach Algier
zur Stewardess: "Oh, meine Tochter ist auch Flugbe-gleiterin
im A 380 bei der Lufthansa" und schon hatten wir den "Himmel
auf Erden". Jeden Wunsch lasen sie uns von den Lippen ab.
Stark belustigt wurden wir am Flugplatz von Algier von Kamel Gerant,
dem Schwiegersohn vom Algier Marathon Organisator Abdel
Rezkane, abgeholt und zum "Lounge Hotel" gefahren.
Nach kurzer Pause holten wir unsere Startunterlagen ab und zogen
uns einen herrlichen Döner-Teller rein (Foto).
Abends lud uns Organisator Abdel zu einem Abendbrot im Restaurant
"Touareg" in Algier ein. Natürlich gab es das Nationalgericht
der Algerier, "Kuskus"
mit vielen Gemüse- und Fleischzutaten, zu essen.
Es
war Sonntag früh, der
30.10.2011, Hanno und ich hatten saumäßig geschlafen.
Die Bude war heiß, die Matratzen waren bis runter zum Fußboden
total durchgelegen, mir tat alles weh und mir war elend. Ich versuchte
bei Dauerregen vor dem Frühstück zu joggen und quälte
mich so dahin. 11 Uhr holte uns Kamel ab, für die 7 km bis
zur Altstadt Algiers brauchten wir 60 min, schlimm, aber in und
um Algier soll es immer so sein... Dafür war die Altstadt
Algiers schon eine Augenweide für sich. Diese alten Kolonialbauten
aus dem 18. Jahrhundert, in blau und weiß gehalten, einfach
toll, u. a. auch das Grand Post Office. Aber auch überall
waren Autos über Autos und Menschen über Menschen (Foto).
Am
Montag fuhren wir mit Kamel zum "Monument der
Märtyrer" (Maquam E' chahid), ein Denkmal (nächstes
Foto) das im Zuge der 20 Jährigen
Unabhängigkeit Algeriens errichtet wurde.
Wieder
war überall Stau, auch wegen dem Präsidenten von Algier,
der heute die neu gebaute Metro einweihen sollte. Wir
besuchten das Armeemuseum. Das war nicht uninteressant, bezug-nehmend
auf den Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich. Kamel war
schon Spitze, er lud uns zu sich nach Hause ein, wir lernten sein
Frau und eine seiner Töchter kennen (Foto).
Oh, seine Frau hatte toll aufgetischt, natürlich gab es Kuskus...Hanno
und ich fühlten die wohlwollende Gastfreundschaft! Abends
machten wir einen Spaziergang. Ich machte Fotos in Richtung einiger
Palmen und schon hatte ich die Armee im Nacken. Sofort nahmen
sie mir die Digitalkamera weg und erst, nachdem Hanno die Jungs
beschwor, dass wir Marathonläufer und keine Terroristen seien,
ich auch die Fotos gelöscht hatte, dann erst ließen
Sie uns wieder frei...schöne Sch...es kann morgen nur besser
werden!
01.11.
- Nationalfeiertag (Tag der Revolution) und Marathontag:
Oh geil, blauer Himmel, Sonne, ca. 20 Grad. Kurz nach 7 Uhr laufe
ich mit Hanno zum Start an der Universität auf der Rue Ahmed
Desked.
Ich
gebe den Kleiderbeutel ab und lasse mir von Kamel den Startstempel
geben. Plötzlich kommen Hunderte Läufer herangestürzt
und Kamel verschwindet unter ihnen, ha, ha, die wollen auch alle
den Startstempel (Foto). Am
Start ist dasselbe sagenhafte Gedränge, wir machen ein paar
Fotos und plötzlich war der Start-schuss oder war er das
nicht? Jedenfalls rennen alle Läufer, die 10 km, die 21,1
km und die volle Distanz laufen wollen, wie von der Tarantel gestochen
so gegen 8.30 Uhr los. Ich war heute ausgeruht und fühlte
mich fit für eine gute Zeit...! Die Strecke war anfangs bespickt
mit Polizisten und Armisten, die uns die Straßen freihielten,
denn das war bei dem Verkehrschaos hierzulande ein Problem. Ich
winkte den Armisten zu, die mich gestern abends so geärgert
hatten, sie winkten sogar diesmal freundlich zurück.
Mitten unter
den vielen 10 km Läufern, davon bestimmt 80 % mit weißen
T-shirt verkleidete Soldaten, lief es sich toll. Vorbei am großen
Golfplatz lief ich mit der späteren Siegerin Fatma Hachani
zusammen am 5 km Schild in
25.43 min vorbei. Das
kam mir schon ziemlich schnell vor, aber okay. Sie wollte bei
ca. 3.40 h ins Ziel kommen, das wäre die Herausforderung
für mich, aber bei den vielen Hügeln?
Es ging bis km 8 einfach mal gleichmäßig nur hoch,
eine endlos lange Straße. Aber schön, wie am Straßenrand
einige Einheimische wohlwollend uns zuschauten. Bei 10
km zeigt die Uhr 48.19 min. Das ist unmöglich,
mir schwante da was, wird das klappen mit der Strecken-vermessung?
Bei km 15 soll ich dann schon
bloß noch 20.17 min für die letzten 5 Kilometer gebraucht
haben, Ich lass jetzt Fatma ziehen, weil mich die kleine Fethia
Kouidri (Foto)
anspricht, auf die wir aufgelaufen waren. Leider spricht sie nicht
englisch. Sie kommt aus Algier und ist erst 18 Jahre alt. Sie
deutet mir an, dass sie 10 km Geherin ist und das dies heute ihr
1. Marathon sei, viel mehr konnte ich nicht verstehen. Inzwischen
drückt auch die Sonne.
Fethia
wird langsamer, wir laufen an einer herrlichen Moschee vorbei
(Foto) und nun kommt auch
km 20. Oh ja, wir sind viel
langsamer geworden. Sie hat auch nur Stoffschuhe an und ich sehe
ihr an, wie sie schon kämpfen muss . Ich nehme mir vor, Fethia
zu helfen. Irgendwie kommen in mir väterliche Gefühle
hoch und ich schwöre mir: "Ich werde sie bis ins Ziel
begleiten!"
Inzwischen sind die Straßen überhaupt nicht mehr abgesperrt.
Sporadisch sehe ich noch mal Polizisten, die Autos drücken
uns an den Straßenrand, die Abgase machen mir zu schaffen.
Ein Kleintransporter hupt mich jetzt total von hinten an, da ich
versuche, Fethia vor den Autos zu schützen.
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Vor
Wut schlage ich ihm den Rückspiegel ab, der gerade
meine Arm gestreift hat. Der Fahrer schreit mich an. Da kommt
plötzlich ein Polizeikradfahrer mit Blaulicht angebraust
und droht meinem Widersacher fürchterlich. Als der Polizist
an uns vorbeifährt, danke ich ihm lächelnd. Fethia
läuft jetzt rechts vor mir und ich versetzt links hinter
ihr, so kann ich die Autos gut abblocken. Km
25, wir brauchten 36.48 min für die letzten 5
km. Fethia ist kaputt. Ich merke, dass das heute sehr knapp werden
wird, den Zielschluss von 4.30 h zu schaffen. Jetzt geht sie immer
öfter, sie verschmäht leider mein Magnesium und die
Powergels. Ich fühle mich fit, hab überhaupt keine Probleme.
Auch km-Schild 30 kann nicht
stimmen, wir sind fast nur noch gegangen und dann nur 32.46 min
für 5 km? Fethia ist am Ende, alle anderen hinter uns laufenden
Marathonies haben uns überholt. Der Besen-wagen, ein Sanitätsauto,
fährt direkt hinter uns. Das ist mir noch nie passiert: ich
bin der letzte hier auf der Strecke. Plötzlich öffnet
sich die hintere Wagentür und Fethia (ich kann sie nicht
daran hindern)...verschwindet...vor mir die unendliche Auto-schlange,
hinter mir der Besenwagen. Jetzt gebe ich "Gas". Ich
will nicht letzter werden. In einem Höllentempo
laufe ich die nächsten Kilometer. Plötzlich, wie ein
Fata Morgana, ist Fethia wieder neben mir. Ich hatte mich gerade
richtig "augetobt", jetzt nahm ich ihr Tempo wieder
an.
Und
sie nahm den Kampf wieder auf, musste aber bald wieder gehen.
Der Marathonrundkurs war sehr hügelig, auch nach km
35 ging es hoch. Fethia ging wieder, zwischendurch
verbrauchte sie viel Wasser, was ich wohlweislich in Wasserflaschen
von den Verpflegungsstellen
bei mir trug. Aber es gab auch nur Wasser, mehr nicht. Ich dränge
sie zu laufen, weil ich befürchte, dass wir die Zeit von
4.30 h nicht schaffen werden und irgendwie kommt sie wieder in
Trab. Aber was ist das??? Ich sehe das Ziel plötzlich vor
mir, ist das heute die zweite Fata Morgana? Was ist hier los?
Ich schätze, wir sind bei km 36
und nicht bei 42,195 km!
Ich
muss durchs Zielband laufen, mach schnell ein paar Fotos . Fethia
drückt mich, sie weiß, ohne mich wäre ihr 1. Marathon
ein Fiasco geworden (Foto)!
Ein deutscher Läufer bestätigt mir durch sein GPS, dass
wir erst 36 km gelaufen sind (3.42.51 h), also 6,2 km zu wenig.
Ich fasse den wahnsinnigen Entschluss: Ich werde vom
Ziel 3,1 km zurücklaufen, eine Wendung machen bei sozusagen
39,1 km, zurücklaufen und dann ein zweites mal im Ziel ankommen.
Dies gedacht und den verdutzten Organisatoren gesagt, laufe ich
los.
Ich kämpfe sozusagen gegen den Strom, gegen die Autos, gegen
die Abgase, gegen die brütende Sonne und gegen die Wut in
meinem Bauch!
Ich
lass mir den Marathon nicht nehmen, schon ein Stück verrückt.
Jetzt lauf ich noch den langgezogenen Berg wieder rauf, den ich
vorhin mit Fethia runtergelaufen bin. Allein gegen alle, so kam
ich mir vor. Ganz oben (Foto)
drehe ich wieder um. Die Abgase, die Autos, die bringen mich um.
Ich bin ja nun wirklich der letzte auf der Marathon-strecke. "Der
letzte Mohikaner", das kam mir jetzt in den Sinn.
Plötzlich lautes Sirenengeheul. Unglaublich, aber wahr: Zwei
Polizeiautos setzen sich hinter mich und blocken so den gesamten
Straßenverkehr hinter mir ab. Ich hebe die "Beckerfaust"
und nicke dankend ihnen zu. Bis zum Ziel gebe ich Vollgas. Auch
rennt mir ja die Zeit davon. Ich rechne hoch, ich werde doch unter
4.30 h ins Ziel kommen.
Ein Dankeschön
an meine Polizeieskorte (Foto).
Das Ziel ist schon fast abgebaut, wo ich aber nun doch überglücklich
hindurchrenne. Für meinen zweiten Zieldurchlauf brauchte
ich noch mal 33.59 min, so dass meine Endzeit 4.16.40
h beträgt.
Ich
reiße die Arme hoch (Foto).
Geschafft! Mein 50. Marathonland und
auch 35. Haupt-stadt, wo ich jemals Marathon gelaufen
bin, sind Geschichte. Auch Hanno war erfolgreich. Der "alte"
Hausdegen belegte über die 5 km Strecke den 8. Platz in 27.49
min bei über 50 Startern. Das mit 69 Jahren, ich ziehe den
Hut! Die
Reise nach Algier war schon ein Erlebnis! Besonders schön
empfand ich, wie herzlich und wärmend wir von dem Veranstalter
dieses Event's um Abdel (Foto
mit mir links und der Marathonsiegerin Fatma rechts) und Kamel
aufgenommen wurden. Und der 4. Algier Marathon klappt bestimmt
noch ein Stück besser, da bin ich mir sicher! Auch war die
Unterstützung von Wolfgang Hofmann von www.lauftreffreisen.de,
der uns die Wogen der Formalitäten für die Einreise
nach Algerien glättete, eine große Hilfe.
Meine Durchgangszeiten:
5 km: 25.43 min 25.43
10 km: 22.37 min 48.20
15 km: 20.17 min 1.08.37
20 km: 34.07 min 1.42.44
25 km: 36.48 min 2.19.32
30 km: 32.19 min 2.51.51
35 km: 32.46 min 3.24.37
Ziel (36): 18.14 min 3.42.51 h
Ziel (42,195) 33.59 4.16.50 h
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Meine
Marathonstatistik
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